01.09.2016

Steuerfreie Leistungen eines Erziehungsbeistands

Steuerfreiheit der von ihm erbrachten Betreuungsleistungen auf Art. 135 Abs. 1h MwStSystRL auch dann berufen, wenn die Kosten für diese Leistungen über eine Personengesellschaft abgerechnet und damit (nur) mittelbar von einem öffentlichen Träger der Kinder- und Jugendhilfe getragen werden. Seit dem 1.1.2008 sind die Leistungen eines selbständigen Erziehungsbeistands nach § 4 Nr. 25b, bb UStG steuerfrei, wenn sie im vorangegangenen Kalenderjahr ganz oder zum überwiegenden Teil unmittelbar oder mittelbar durch Träger der öffentlichen Jugendhilfe vergütet wurden.

BFH 22.6.2016, V R 46/15
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist als Erziehungsbeistand für die X-GbR tätig. In der - zu einer Vorbehaltsfestsetzung führenden - Umsatzsteuererklärung 2006 hatte er steuerpflichtige Umsätze zu 16 % i.H.v. 17.586 € angegeben. Im Oktober 2010 teilte er dem Finanzamt mit, dass er zwar ausschließlich steuerfreie Leistungen nach § 4 Nr. 25 UStG erbracht, dafür jedoch in 2006 Rechnungen mit offenem Umsatzsteuerausweis erstellt habe. Seit 2007 erstelle er Rechnungen ohne Ausweis der Umsatzsteuer. In den Umsatzsteuererklärungen der Streitjahre gab der Kläger daher in der Anlage "UR" steuerfreie Umsätze ohne Vorsteuerabzug an.

Das Finanzamt war der Ansicht, dass die Leistungen des Klägers nicht unter die Steuerbefreiung des § 4 Nr. 25 UStG fallen und erließ Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre 2007 und 2008 sowie einen Umsatzsteuerbescheid für 2009. Im Rahmen des Einspruchsverfahrens legte der Kläger für das Streitjahr 2009 teilweise Rechnungen vor, aus denen sich ergibt, dass er seine Leistungen direkt mit dem Stadtjugendamt abgerechnet hatte. Die Steuerbehörde wies den Einspruch für die Streitjahre 2007 und 2008 als unbegründet zurück; für das Jahr 2009 war der Einspruch nur insoweit erfolgreich, als der Kläger seine Leistungen direkt mit dem Stadtjugendamt abgerechnet hatte.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision des Finanzamtes blieb vor dem BFH erfolglos.

Gründe:
Die tatsächlichen Feststellungen des FG trugen zwar nicht seine Annahme, dass der Kläger mit der Durchführung von Erziehungsleistungen für die GbR selbständig und damit unternehmerisch tätig geworden war. Einer Aufhebung und Zurückverweisung an das FG zur Nachholung der fehlenden Feststellungen stand aber entgegen, dass sich die Entscheidung des FG im Ergebnis als zutreffend erwies.

Für den Fall einer unternehmerischen Tätigkeit des Klägers hatte das FG zu Recht die Steuerfreiheit seiner Leistungen als Erziehungsbeistand für das Streitjahr 2007 bejaht. Die Leistungen des Klägers waren nicht nach § 4 Nr. 25 UStG in seiner im Streitjahr 2007 geltenden Fassung steuerfrei, da der Kläger keine der in dieser Vorschrift unter a bis c bezeichneten Tätigkeiten ausgeführt hatte. Für eine Steuerfreiheit seiner Leistungen konnte sich der Kläger aber auf das Unionsrecht (Art. 132 Abs. 1h MwStSystRL) berufen.

Ein selbständiger Erziehungsbeistand kann sich für die Steuerfreiheit der von ihm erbrachten Betreuungsleistungen auf Art. 135 Abs. 1h MwStSystRL auch dann berufen, wenn die Kosten für diese Leistungen über eine Personengesellschaft abgerechnet und damit (nur) mittelbar von einem öffentlichen Träger der Kinder- und Jugendhilfe getragen werden. Seit dem 1.1.2008 sind die Leistungen eines selbständigen Erziehungsbeistands nach § 4 Nr. 25b, bb UStG steuerfrei, wenn sie im vorangegangenen Kalenderjahr ganz oder zum überwiegenden Teil unmittelbar oder mittelbar durch Träger der öffentlichen Jugendhilfe vergütet wurden. Insofern waren die Leistungen des Klägers, wie das FG zu Recht entschieden hatte, auch in den Streitjahren 2008 und (teilweise) 2009 steuerfrei. Der Senat legt die Vorschrift unionsrechtskonform dahingehend aus, dass eine Vergütung durch Träger der öffentlichen Jugendhilfe nicht nur im Falle einer unmittelbaren, sondern auch bei einer nur mittelbaren (durchgeleiteten) Kostentragung vorliegt.

Der Kläger erfüllte zwar für das Streitjahr 2009 die Voraussetzungen der Kleinunternehmerregelung des § 19 Abs. 1 UStG, da er im Vorjahr die Umsatzgrenze von 17.500 € und in 2009 die Grenze von 50.000 € nicht überschritten hatte. Mit der Abgabe der Umsatzsteuererklärung 2006, in der er die Steuer nach den allgemeinen Grundsätzen berechnet hatte, hat der Kläger jedoch konkludent auf die Nichterhebung der Steuer nach § 19 Abs. 1 UStG verzichtet. Daraus folgte nach Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung 2006 zum 31.12.2013, dass der Unternehmer mindestens fünf Kalenderjahre an die Regelbesteuerung gebunden ist (§ 19 Abs. 2 Satz 2 UStG).

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