Steuerfreie Übernahme von Verbindlichkeiten
BFH 30.11.2016, V R 18/16Die A-KG (KG) war Eigentümer eines mit einem Gewerbegebäude bebauten Grundstücks, das zum Teil vermietet war und i.Ü. leer stand. Die KG beabsichtigte, das Grundstück zu veräußern. Der Kaufinteressent wollte das Objekt nur unter der Bedingung erwerben, dass ein bestimmter Anteil der Leerstandsfläche zusätzlich für einen Zeitraum von fünf Jahren vermietet wurde. Die KG und die klagende Immobilienverwaltungsgesellschaft mbH vereinbarten daher am im Februar 2007, dass die Klägerin "unmittelbar gegenüber dem Käufer des Grundstücks" Mieterverpflichtungen gemäß dem Entwurf eines Mietvertrages übernehmen sollte.
Für die Übernahme dieser Mieterverpflichtung sollte die Klägerin von der KG eine einmalige Vergütung i.H.v. 900.000 € erhalten. Der Betrag war nach Eingang des Grundstückskaufpreises bei der KG zu zahlen. Die KG und Klägerin schlossen noch am selben Tag den Mietvertrag ab. Das Mietverhältnis sollte am 1.4.2007 beginnen und fünf Jahre dauern. Die Monatsmiete betrug 15.000 € zzgl. Umsatzsteuer. Unter Berücksichtigung von Betriebs- und Nebenkostenvorauszahlungen belief sich der mtl. Gesamtmietzins auf rd. 23.700 € (inkl. Umsatzsteuer i.H.v rd. 3.800 €).
Die KG veräußerte das Grundstück mit notariellem Vertrag vom 19.2.2007 an den Erwerber. Der Erwerber trat in das zwischen der Klägerin und der KG begründete Mietverhältnis ein. Die Klägerin erhielt im Streitjahr 2007 von der KG die vereinbarte Vergütung von 900.000 € und legte den Betrag als Festgeld bei einer Bank an, die die vertraglich vorgesehene Bürgschaft zugunsten des Vermieters ausreichte. Das Finanzamt ging davon aus, dass die Klägerin aufgrund der Vereinbarung vom 19.2.2007 eine steuerbare und steuerpflichtige Leistung erbracht habe. Es erhöhte die zum Regelsteuersatz steuerpflichtigen Umsätze um das sich aus der Gegenleistung von 900.000 € errechnete Entgelt von rd. 756.000 € und die Umsatzsteuer um rd. 144.000 €.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BFH das urteil auf und gab der Klage statt.
Die Gründe:
Es bestehen bereits Zweifel, ob die durch die Klägerin erbrachte Leistung überhaupt steuerbar ist. Sie ist jedenfalls nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG steuerfrei.
Die Übernahme von Verbindlichkeiten, von Bürgschaften und anderen Sicherheiten sowie die Vermittlung dieser Umsätze ist steuerfrei. § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG erfasst nach der Rechtsprechung des BFH z.B. die entgeltliche Übernahme einer Ausbietungsgarantie. Steuerfrei ist auch der steuerbare Verzicht auf eine Mietgarantie, wenn die Einräumung der Mietgarantie nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG steuerfrei ist oder - bei Entgeltlichkeit - steuerfrei wäre. Unionsrechtlich beruht die Steuerfreiheit auf Art. 135 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2006/112/EG (MwStSystRL). Steuerfrei ist danach die Vermittlung und Übernahme von Verbindlichkeiten, Bürgschaften und anderen Sicherheiten und Garantien sowie die Verwaltung von Kreditsicherheiten durch die Kreditgeber.
Diese Steuerfreiheit bezieht sich auf Finanzdienstleistungen. Hierzu gehört nicht die Übernahme der Verpflichtung, eine Immobilie zu renovieren, da es sich der Art nach nicht um ein Finanzgeschäft handelt. Der EuGH hat dies insbesondere damit begründet, dass die Befreiung von Finanzgeschäften bezwecke, Schwierigkeiten zu beseitigen, die mit der Bestimmung der Bemessungsgrundlage verbunden sind. Der Begriff der "Übernahme von Verbindlichkeiten" i.S.v. Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 2 der Richtlinie 77/388/EWG schließt somit andere als Geldverbindlichkeiten, wie die Verpflichtung, eine Immobilie zu renovieren, von der Steuerfreiheit aus.
Vorliegend hat die Klägerin eine steuerfreie Leistung erbracht. Verpflichtet sich der Unternehmer gegen Entgelt, als Mieter ein Mietverhältnis einzugehen, ist die Leistung nach § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG steuerfrei. Gegenstand der von der Klägerin aufgrund des Vertrages vom 19.2.2007 erbrachten Leistung ist es, ein Mietverhältnis als Mieter einzugehen. Die Klägerin wurde hierdurch gem. § 535 Abs. 2 BGB als Mieter verpflichtet, dem Vermieter die vereinbarte Miete zu entrichten. Mit ihrer Leistung gegen Entgelt, einen Mietvertrag als Mieter abzuschließen, hat die Klägerin somit i.S.v. § 4 Nr. 8 Buchst. g UStG eine Verbindlichkeit begründet und entsprechend der EuGH-Rechtsprechung eine Geldverbindlichkeit übernommen. Sie unterscheidet sich von den durch ihre Erfüllung begründeten Verbindlichkeiten aus dem Mietvertrag.
Da sich die Steuerfreiheit bei richtlinienkonformer Auslegung nach Art der erbrachten Dienstleistungen und nicht durch den Erbringer oder Empfänger der Leistung definiert, kommt es nicht darauf an, ob der Leistende eine bereits bestehende Verbindlichkeit übernimmt oder erstmals eine Verbindlichkeit begründet. Daher ist nicht danach zu differenzieren, ob die Klägerin die Verpflichtungen aus einem bereits zuvor abgeschlossenen Mietvertrag von einem Mieter übernimmt oder sich selbst unmittelbar zum Eingehen eines Mietverhältnisses verpflichtet. Die Leistung der Klägerin ist daher ebenso steuerfrei, wie wenn der Grundstückseigentümer den Mietvertrag zunächst mit einem Dritten geschlossen hätte und sich die Klägerin zur Vertragsübernahme gegen Entgelt verpflichtet hätte.
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