Steuerfreie Veräußerung von Kapitallebensversicherungen auf dem Zweitmarkt
BFH v. 5.9.2019 - V R 57/17
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft, die im Streitjahr 2007 von Privatpersonen abgeschlossene Kapitallebensversicherungen erworben hatte. Der Kaufpreis lag über dem sog. Rückkaufswert, aber unter den eingezahlten Versicherungsprämien. Anschließend änderte die Klägerin die Versicherungsverträge, indem sie die für die Ablaufleistung unerheblichen Zusatzversicherungen kündigte und die Beitragszahlung auf jährliche Zahlungsweise umstellte. Danach veräußerte sie ihre Rechte an den so modifizierten Kapitallebensversicherungen an Fondsgesellschaften.
Ihre Umsätze aus der entgeltlichen Übertragung von Kapitallebensversicherungen behandelte die Klägerin im Streitjahr als nach § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG umsatzsteuerfrei. Das Finanzamt ging hingegen davon aus, dass es sich bei der Veräußerung von Kapitallebensversicherungen auf dem Zweitmarkt um eine einheitliche steuerpflichtige Leistung handele. Diese Leistung sei auf der Grundlage des von den Fondsgesellschaften gezahlten Kaufpreises zu versteuern.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hat der BFH die Entscheidung aufgehoben und der Klage stattgegeben.
Gründe:
Die Veräußerung der Kapitallebensversicherungen ist nach § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG steuerfrei. Das FG ging zwar zu Recht von einheitlichen Leistungen aus, berücksichtigte aber nicht, dass beim Handel mit Kapitallebensversicherungen die Übertragung der (zukünftigen) Geldforderung die Hauptleistung darstellt, während die Übertragung der weiteren Rechte und Pflichten als Nebenleistung zu qualifizieren ist, die das Schicksal der Hauptleistung (Steuerfreiheit) teilt.
Steuerfrei sind nach § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG u.a. die Umsätze im Geschäft mit Forderungen. Diese Vorschrift beruht auf Art. 135 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL, wonach die Mitgliedstaaten u.a. die Umsätze im Geschäft mit Forderungen von der Steuer befreien. Bei richtlinienkonformer Auslegung wird die Befreiungsnorm dahingehend eingeschränkt, dass von der Steuerfreiheit nur solche Ansprüche bzw. Umsätze erfasst werden, die Gegenstand von Finanzdienstleistungen sind, auch wenn sie nicht notwendigerweise von Banken und Finanzinstituten getätigt werden. Darüber hinaus können Dienstleistungen nur dann als steuerbefreite Umsätze i.S. von Art. 135 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL qualifiziert werden, wenn sie ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes sind, das die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer in dieser Bestimmung beschriebenen Dienstleistung erfüllt.
Die Klägerin erbrachte mit der Veräußerung ihrer Rechte und Pflichten an den vertraglich angepassten Kapitallebensversicherungen eine einheitliche sonstige Leistung. Dabei ist die Übertragung der (künftigen) Forderung (Ablaufleistung) als Hauptleistung anzusehen, weil die Erwerber auf dem Zweitmarkt (Fonds) lediglich Interesse am Sparanteil der Versicherung haben.
Die Entscheidung hat erhebliche Auswirkungen auf das Geschäftsmodell des An- und Verkaufs von "gebrauchten" Lebensversicherungen. Diesem wäre bei der vom Finanzamt und vom FG vertretenen Umsatzbesteuerung die Geschäftsgrundlage entzogen worden.
BFH PM Nr. 78 vom 5.12.2019
Die Klägerin ist eine Aktiengesellschaft, die im Streitjahr 2007 von Privatpersonen abgeschlossene Kapitallebensversicherungen erworben hatte. Der Kaufpreis lag über dem sog. Rückkaufswert, aber unter den eingezahlten Versicherungsprämien. Anschließend änderte die Klägerin die Versicherungsverträge, indem sie die für die Ablaufleistung unerheblichen Zusatzversicherungen kündigte und die Beitragszahlung auf jährliche Zahlungsweise umstellte. Danach veräußerte sie ihre Rechte an den so modifizierten Kapitallebensversicherungen an Fondsgesellschaften.
Ihre Umsätze aus der entgeltlichen Übertragung von Kapitallebensversicherungen behandelte die Klägerin im Streitjahr als nach § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG umsatzsteuerfrei. Das Finanzamt ging hingegen davon aus, dass es sich bei der Veräußerung von Kapitallebensversicherungen auf dem Zweitmarkt um eine einheitliche steuerpflichtige Leistung handele. Diese Leistung sei auf der Grundlage des von den Fondsgesellschaften gezahlten Kaufpreises zu versteuern.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hat der BFH die Entscheidung aufgehoben und der Klage stattgegeben.
Gründe:
Die Veräußerung der Kapitallebensversicherungen ist nach § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG steuerfrei. Das FG ging zwar zu Recht von einheitlichen Leistungen aus, berücksichtigte aber nicht, dass beim Handel mit Kapitallebensversicherungen die Übertragung der (zukünftigen) Geldforderung die Hauptleistung darstellt, während die Übertragung der weiteren Rechte und Pflichten als Nebenleistung zu qualifizieren ist, die das Schicksal der Hauptleistung (Steuerfreiheit) teilt.
Steuerfrei sind nach § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG u.a. die Umsätze im Geschäft mit Forderungen. Diese Vorschrift beruht auf Art. 135 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL, wonach die Mitgliedstaaten u.a. die Umsätze im Geschäft mit Forderungen von der Steuer befreien. Bei richtlinienkonformer Auslegung wird die Befreiungsnorm dahingehend eingeschränkt, dass von der Steuerfreiheit nur solche Ansprüche bzw. Umsätze erfasst werden, die Gegenstand von Finanzdienstleistungen sind, auch wenn sie nicht notwendigerweise von Banken und Finanzinstituten getätigt werden. Darüber hinaus können Dienstleistungen nur dann als steuerbefreite Umsätze i.S. von Art. 135 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL qualifiziert werden, wenn sie ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes sind, das die spezifischen und wesentlichen Funktionen einer in dieser Bestimmung beschriebenen Dienstleistung erfüllt.
Die Klägerin erbrachte mit der Veräußerung ihrer Rechte und Pflichten an den vertraglich angepassten Kapitallebensversicherungen eine einheitliche sonstige Leistung. Dabei ist die Übertragung der (künftigen) Forderung (Ablaufleistung) als Hauptleistung anzusehen, weil die Erwerber auf dem Zweitmarkt (Fonds) lediglich Interesse am Sparanteil der Versicherung haben.
Die Entscheidung hat erhebliche Auswirkungen auf das Geschäftsmodell des An- und Verkaufs von "gebrauchten" Lebensversicherungen. Diesem wäre bei der vom Finanzamt und vom FG vertretenen Umsatzbesteuerung die Geschäftsgrundlage entzogen worden.