07.08.2020

Steuerhinterziehung bei Ausfuhrlieferung

Das Ausstellen einer unterfakturierten Zweitrechnung führt nicht dazu, die Steuerfreiheit für die Ausfuhrlieferung aufgrund einer vom Abnehmer zu Lasten des Steueraufkommens eines Drittstaats begangenen Steuerhinterziehung zu versagen.

BFH v. 12.3.2020 - V R 20/19
Der Sachverhalt:
Die Klägerin hatte im Streitjahr 2013 Kraftfahrzeuge aus dem Inland in die Türkei an dort ansässige Abnehmer geliefert. Sie nahm dabei die Steuerfreiheit für Ausfuhrlieferungen nach § 6 UStG in Anspruch. Das Finanzamt versagte die Steuerfreiheit für die Ausfuhrlieferung von 20 Kraftfahrzeugen für Umsätze i.H.v. 1.132.400 €. Dabei ging sie davon aus, dass die Fahrzeuge über eine Spedition zwar tatsächlich in die Türkei geliefert worden seien, die Steuerfreiheit aber im Hinblick auf die Missbrauchsrechtsprechung des EuGH über die MwStSystRL zu versagen sei, da sich die Klägerin aktiv an einem Betrugsmodell beteiligt habe.

Das Finanzamt ging davon aus, dass die Klägerin die Begehung von Steuerverkürzungen im Empfangsstaat durch die Erteilung unterfakturierter Zweitrechnungen, die das Entgelt im Vergleich zu den zutreffenden Erstrechnungen nicht vollständig ausgewiesen hätten, ermöglicht habe. In der Türkei seien mit diesen Rechnungen die Sonderverbrauchsteuer ÖTV (Özel Tüketim Vergisi) und die Umsatzsteuer KDV (Katma Deger Vergisi) bei der Einfuhr hinterzogen worden.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hat der BFH das Urteil aufgehoben und der Klage stattgegeben.

Gründe:
Entgegen dem Urteil des FG führt das Ausstellen einer unterfakturierten Zweitrechnung nicht dazu, die Steuerfreiheit für die Ausfuhrlieferung aufgrund einer vom Abnehmer zu Lasten des Steueraufkommens eines Drittstaats begangenen Steuerhinterziehung zu versagen, da hierdurch das Vorliegen der gesetzlichen Befreiungsvoraussetzungen in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 UStG nicht in Frage gestellt wird.

Es steht der Steuerfreiheit nach § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 UStG nicht entgegensteht, wenn der Lieferer bei der Ausstellung einer z.B. unterfakturierten Zweitrechnung für die Ausfuhrlieferung wusste oder hätte wissen müssen, dass der Abnehmer mit dem gelieferten Gegenstand eine Steuerhinterziehung zu Lasten des Steueraufkommens eines Drittstaats begeht. § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 UStG ist keine derartige Voraussetzung zu entnehmen. Sie ergibt sich auch nicht aus der EuGH-Rechtsprechung.

Mit der Gewährung der Steuerfreiheit für die Ausfuhrlieferung trotz unterfakturiert erteilter Zweitrechnungen bleibt dieses Verhalten nicht sanktionslos. Zwar gehört die Kopie der für die Lieferung unter den Bedingungen des § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 UStG zu erteilenden Rechnung bei der Ausfuhrlieferung - anders als bei der innergemeinschaftlichen Lieferung (§ 17a Abs. 2 Nr. 1 UStDV) - nicht zum Belegnachweis (vgl. §§ 9, 10 UStDV), gleichwohl ist auch bei der Ausfuhrlieferung das Entgelt buchmäßig aufzuzeichnen (§ 13 Abs. 2 Nr. 4 UStDV).

Obwohl die Höhe des Entgelts für die Steuerfreiheit der Ausfuhrlieferung nach § 6 Abs. 1 Satz 1 UStG unerheblich ist, kommt dem Entgelt dabei dann Bedeutung zu, wenn die in Anspruch genommene Steuerfreiheit zu versagen ist. So ist es z.B., wenn der gelieferte Gegenstand das Inland nicht verlässt oder im Fall des § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG die Ansässigkeit des Abnehmers nicht nachgewiesen werden kann. Im Hinblick hierauf kann jede vorsätzlich oder leichtfertig für eine Ausfuhrlieferung unterfakturiert ausgestellte Rechnung zu einer Steuergefährdung nach § 379 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 AO führen und entsprechend zu ahnden sein. Darüber sowie über eine zusätzliche Anwendung von § 379 Abs. 1 Satz 2 AO war jedoch nicht zu entscheiden.

Im vorliegenden waren die gesetzlichen Befreiungsvoraussetzungen von § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 UStG gegeben. Es war insbesondere zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die gelieferten Fahrzeuge in die Türkei befördert oder versendet worden waren. Im Hinblick hierauf kommt es auf die weiteren Details des Transports und einer Anwendung von § 10 UStDV nicht an.
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