Steuerneutrale Buchwertfortführung trotz Auswechslung der Mitunternehmer vor Realteilung der Mitunternehmerschaft
BFH 16.12.2015, IV R 8/12Die Kläger sind ehemalige Gesellschafter der W-KG. Komplementärin war die H-GmbH. Diese war am Vermögen und am Gewinn oder Verlust der KG nicht beteiligt. Die Kläger waren jeweils zu 50 % Kommanditisten. Im Betriebsvermögen befanden sich zahlreiche bebaute Grundstücke. Im Laufe des Streitjahres 2002 trennten sich die Kläger und teilten das in der W-KG gehaltene Vermögen auf. Am Ende des Jahres gründete der Kläger zu 1) die D-KG, an der er zu 100 % beteiligt war und der Kläger zu 2) die K-KG, an der auch er zu 100 % beteiligt war. Komplementär-GmbH ohne vermögensmäßige Beteiligung war an beiden Gesellschaften die H-GmbH.
In der Gesellschafterversammlung im Dezember 2002 beschlossen die Gesellschafter der W-KG, diese zu liquidieren und dabei wie folgt vorzugehen: Mit Wirkung zum 31.12.2002, 12 Uhr, sollte, jeweils gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten, der Kläger zu 1) seine Kommanditbeteiligung an der W-KG in die D-KG und der Kläger zu 2) seine Kommanditbeteiligung an der W-KG in die K-KG einbringen. Im Anschluss sollten mit dinglicher Wirkung zum 31.12.2002, 13 Uhr, sämtliche Wirtschaftsgüter der W-KG nach Maßgabe einer im Einzelnen festgelegten Aufteilung auf die D-KG bzw. die K-KG im Wege der Realteilung zu Buchwerten übertragen werden. Dies wurde auch umgesetzt.
Das Finanzamt war der Ansicht, dass die Übertragung der Grundstücke von der W-KG auf die D-KG und die K-KG zu Buchwerten nicht zulässig sei. So liege eine Übertragung in das Gesamthandsvermögen von zuvor nicht beteiligten Gesellschaften vor. Dass die D-KG und die K-KG am 31.12.2002 für eine Stunde Kommanditisten der W-KG gewesen seien, sei im Hinblick auf die sog. "Gesamtplanrechtsprechung" des BFH unbeachtlich. Die danach gegebene Übertragung von Einzelwirtschaftsgütern aus dem Gesamthandsvermögen einer Personengesellschaft in das Gesamthandsvermögen anderer Personengesellschaften zu Buchwerten sei nicht zulässig. Es liege vielmehr bei der W-KG eine Betriebsaufgabe vor, weshalb die Behörde einen Aufgabegewinn i.H.v. rd. 2 Mio. € feststellte.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision der Kläger hob der BFH das Urteil auf und gab der Klage statt.
Gründe:
Die Voraussetzungen des § 16 Abs. 3 S. 2 EStG für eine Buchwertfortführung lagen vor, so dass der Aufgabegewinn der W-KG nur in der von den Klägern beantragten Höhe festzustellen war.
Nach § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 3 S. 1 EStG gehören zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch Gewinne, die bei der Aufgabe eines Gewerbebetriebs erzielt werden. Werden im Zuge der Realteilung einer Mitunternehmerschaft Teilbetriebe, Mitunternehmeranteile oder einzelne Wirtschaftsgüter in das jeweilige Betriebsvermögen der einzelnen Mitunternehmer übertragen, so sind nach § 16 Abs. 3 S. 2 Hs. 1 EStG bei der Ermittlung des Gewinns der Mitunternehmerschaft die Wirtschaftsgüter mit den Werten anzusetzen, die sich nach den Vorschriften über die Gewinnermittlung ergeben, sofern die Besteuerung der stillen Reserven sichergestellt ist. Somit hatte die W-KG bei der Berechnung ihres Aufgabegewinns zu Recht die im Zuge ihrer Realteilung auf die D-KG und die K-KG übertragenen Wirtschaftsgüter mit den Buchwerten angesetzt.
Zu Unrecht waren Finanzamt und FG davon ausgegangen, dass die zivilrechtlichen Vereinbarungen, denen zufolge die Kläger ihre Beteiligungen an der W-KG zum 31.12.2002 - 12 Uhr - in die D-KG bzw. die K-KG eingebracht hatten, steuerrechtlich mit der Folge nicht zu berücksichtigen seien, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der Realteilung nicht diese Gesellschaften, sondern weiterhin die Kläger Mitunternehmer der W-KG gewesen seien. Entgegen ihrer Auffassung gibt es keinen allgemeingültigen Rechtsgrundsatz des Inhalts, dass eine aufgrund einheitlicher Planung in engem zeitlichem und sachlichem Zusammenhang stehende Mehrzahl von Rechtsgeschäften für die steuerliche Beurteilung zu einem einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang zusammenzufassen und sodann unter den Steuertatbestand zu subsumieren ist.
Der Tatbestand des § 42 Abs. 1 AO in seiner damals geltenden Fassung war bereits deshalb nicht erfüllt, weil für die gewählte Gestaltung mit dem Begehren der Kläger, die bisherige Tätigkeit in der W-KG in Zukunft getrennt voneinander, aber jeder für sich in einer GmbH & Co. KG fortzuführen, ein beachtlicher außersteuerrechtlicher Grund vorlag. Auch eine teleologische Reduktion des § 16 Abs. 3 S. 2 EStG dahin, dass er den Streitfall nicht erfasste, obwohl der Tatbestand der Norm dem Wortlaut vorlag, war nicht geboten.
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