18.09.2019

Steuerrechtliche Stellung des Kanzleiabwicklers

Da der Kanzleiabwickler nach § 55 BRAO und nicht mehr der Inhaber der abgewickelten Kanzlei die Honorarforderungen abrechnen und einziehen darf, entspricht es dem Sicherungszweck des § 34 AO, den Kanzleiabwickler auch für die Abführung der in den vereinnahmten Beträgen enthaltenen Umsatzsteuern an das Finanzamt in Anspruch zu nehmen. Allerdings wurde die Revision zugelassen, weil die Frage, ob ein Kanzleiabwickler Vermögensverwalter i.S.d. § 34 Abs. 3 AO ist, höchstrichterlich nicht geklärt und im Schrifttum nicht ganz unumstritten ist.

FG Berlin-Brandenburg 26.6.2019, 7 K 7092/18
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Rechtsanwalt und war vom 2.12.2013 bis zum 12.4.2018 von der Rechtsanwaltskammer zum Abwickler einer Rechtsanwalts-Kanzlei bestellt worden. Später stritt er mit dem Finanzamt, ob gegen ihn als Kanzleiabwickler gem. § 55 Abs. 5 BRAO Umsatzsteuer wegen der Umsätze aus der Abwicklungstätigkeit festzusetzen war, oder ob die Festsetzung gegen die Kanzleiinhaberin hätte erfolgen müssen.

Der Kläger war der Ansicht, ein Abwickler nach § 55 BRAO habe lediglich die Aufgabe, schwebende Angelegenheiten abzuschließen, also die Mandatsverhältnisse. Anhängige Rechtsstreitigkeiten seien im Interesse des jeweiligen Mandanten möglichst ohne Zeitverlust und Mehrkosten zu Ende zu führen. Mit dem Kanzleivermögen oder den sonstigen Sachwerten der abzuwickelnden Kanzlei habe der Abwickler nichts zu tun. Nach BGH-Rechtsprechung (Beschl. v. 21.4.1966 VII ZB 2/66) sei er nicht Vertreter des Rechtsanwalts, dessen Kanzlei er abwickele. Er werde auch nicht Partei der Vertragsverhältnisse des früheren Rechtsanwalts.

Das FG gab der gegen die Umsatzsteuerbescheide 2014 bis 2016 gerichtete Klage teilweise statt und setzte die Umsatzsteuer in den Streitjahren niedriger an. Allerdings wurde die Revision zum BFH zugelassen.

Die Gründe:
Rechtswidrig sind die Bescheide lediglich insoweit, als die vom Finanzamt angesetzten Umsatzsteuerbeträge zu hoch sind. Ansonsten ist der Kläger Vermögensverwalter i.S.d. § 34 Abs. 3 AO, so dass das Finanzamt dem Grunde nach zu Recht die Umsatzsteuer auf die vereinnahmten Honorare aus Mandaten der abzuwickelnden Kanzlei gegen ihn festgesetzt hat.

Die Frage, ob ein Kanzleiabwickler nach § 55 BRAO als Vermögensverwalter i. S. d. § 34 Abs. 3 AO in Anspruch genommen werden kann, ist höchstrichterlich nicht geklärt. Soweit der Senat die Frage in seinem Urteil vom 17.1.2013 (7 K 7141/09) bejaht hatte, war die Revision zugelassen worden. Allerdings ist es insoweit nicht zu einer höchstrichterlichen Klärung gekommen, weil keine Revision eingelegt worden ist.

Der Senat hält an seiner bereits im Urteil vom 17.1.2013 geäußerten Auffassung fest. Zweck der Regelung des § 34 AO ist es, zu verhindern, dass die aus der Erfüllung von steuerlichen Pflichten resultierenden Belange des Fiskus beeinträchtigt werden. Es geht darum, neben einem steuerrechtlich zwar rechtsfähigen, nicht aber eigenständig handlungsfähigen Steuerrechtssubjekt auch den jeweils hierfür als Vertreter im weiteren Sinne Handelnden zur Erfüllung der steuerlichen Pflichten heranziehen zu können. Wer anstelle des originären Steuerschuldners einen diesen verdrängenden Zugriff auf dessen Vermögenswerte hat, soll auch für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten aus diesen Vermögenswerten verantwortlich sein.

Da der Kanzleiabwickler und nicht mehr der Inhaber der abgewickelten Kanzlei die Honorarforderungen abrechnen und einziehen darf, entspricht es dem Sicherungszweck des § 34 AO, den Kanzleiabwickler auch für die Abführung der in den vereinnahmten Beträgen enthaltenen Umsatzsteuern an das Finanzamt in Anspruch zu nehmen. Dies ist auch mit dem Wortlaut des § 34 Abs. 3 AO vereinbar, der voraussetzt, dass eine Vermögensverwaltung anderen Personen als den Eigentümern des Vermögens zusteht, und einem solchen Vermögensverwalter die Pflichten des § 34 Abs. 1 AO zuweist, soweit ihre Verwaltung reicht.

Wie der vorliegende Fall zeigt, hat der Kanzleiabwickler die Verwaltung des Vermögens der abzuwickelnden Kanzlei gerade auch im Hinblick auf die aus deren Tätigkeit resultierenden Honorarforderungen inne, während der bisherige Kanzleiinhaber von der Verwaltung dieser Vermögenswerte ausgeschlossen ist. Deshalb verfängt auch nicht der Einwand des Klägers, dass die Rechtsanwältin als Steuerschuldnerin vorhanden sei und ihre steuerlichen Verpflichtungen erfüllen könne. Den der Unternehmer wird bei der Umsatzsteuer als "Steuereinnehmer für Rechnung des Staates und im Interesse der Staatskasse" in Anspruch genommen (BFH-Beschl. v. 21.6.2017 - V R 51/16). Diese Rolle weist § 55 BRAO dem Kanzleiabwickler zu, indem er diesem an Stelle des Inhabers der abzuwickelnden Kanzlei Zugriff auf die offenen Forderungen aus umsatzsteuerpflichtigen Leistungen verschafft.

Allerdings wurde die Revision zugelassen, weil die Frage, ob ein Kanzleiabwickler Vermögensverwalter i.S.d. § 34 Abs. 3 AO ist, höchstrichterlich nicht geklärt und im Schrifttum nicht ganz unumstritten ist.

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