Steuerschuld des Veräußerers bei einheitlichem Erwerbsvorgang
BFH 30.8.2017, II R 48/15Die Klägerin verkaufte im Januar 2008 eine Teilfläche aus einem ihr gehörenden Grundstück für einen Kaufpreis von 82.500 € an ein Ehepaar. Dieses sollte im Innenverhältnis die Grunderwerbsteuer und die aufgrund der Grundstücksteilung anfallenden Kosten tragen und außerdem die Maklercourtage zahlen. Die Erwerber hatten zuvor bereits mit der G-KG einen schriftlichen Bauvertrag über die Errichtung eines Hauses für einen Werklohn von 204.200 € brutto geschlossen. Das zu bebauende Grundstück sollte "vom Bauherrn benannt" werden.
Das Finanzamt nahm an, das erworbene Grundstück sei in bebautem Zustand Gegenstand des Erwerbsvorgangs gewesen, und setzte demgemäß gegen die Erwerber ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von rd. 161.000 € (50 % des Kaufpreises und der Baukosten) Grunderwerbsteuer i.H.v. rd. 7.000 € fest. Die Erwerber entrichteten hierauf lediglich je rd. 1.850 €. Nachdem die Erwerber dem Finanzamt im Mai 2011 mitgeteilt hatten, sie wollten mit ihren Gläubigern eine einvernehmliche Einigung über bestehende Schulden erarbeiten, kam das Finanzamt zu dem Ergebnis, eine Beitreibung der Steuer bei den Erwerbern verspreche keine Aussicht auf Erfolg.
Das Finanzamt setzte deshalb gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer i.H.v. jeweils rd. 4.700 € fest. Als Bemessungsgrundlage berücksichtigte es jeweils die Hälfte des Kaufpreises für das Grundstück, der Baukosten, der Teilungs- und Vermessungskosten und des Werts des Wegerechts. Zur Begründung führte das Finanzamt aus, die Erwerber hätten die Grunderwerbsteuer nicht vollständig entrichtet. Aufgrund der Vorbereitungsmaßnahmen für ein Insolvenzverfahren und der Zwangsversteigerung des Grundstücks habe die Inanspruchnahme der Erwerber keine Erfolgsaussichten mehr gehabt.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das FG hat zutreffend angenommen, dass die Grunderwerbsteuerbescheide rechtmäßig sind.
Der Gegenstand des Erwerbsvorgangs, nach dem sich gem. § 8 Abs. 1 i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG die als Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer anzusetzende Gegenleistung richtet, wird zunächst durch das den Steuertatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfüllende zivilrechtliche Verpflichtungsgeschäft bestimmt. Ergibt sich jedoch aus weiteren Vereinbarungen, die mit diesem Rechtsgeschäft in einem rechtlichen oder zumindest objektiv sachlichen Zusammenhang stehen, dass der Erwerber das beim Abschluss des Kaufvertrags unbebaute Grundstück in bebautem Zustand erhält, bezieht sich der grunderwerbsteuerrechtliche Erwerbsvorgang auf diesen einheitlichen Erwerbsgegenstand. Es sind dabei die Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Maßgeblich ist der Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags.
Nach § 13 Nr. 1 GrEStG sind Steuerschuldner regelmäßig die an einem Erwerbsvorgang als Vertragsteile beteiligten Personen. Sie sind Gesamtschuldner nach § 44 Abs. 1 S. 1 AO. Soweit nichts anderes bestimmt ist, schuldet jeder der Gesamtschuldner nach § 44 Abs. 1 S. 2 AO die gesamte Leistung. Die Annahme, Veräußerer und Erwerber könnten materiell-rechtlich Grunderwerbsteuer in unterschiedlicher Höhe schulden, ist mit dieser Vorschrift nicht vereinbar. Sie lässt eine derartige Unterscheidung nicht zu. Dies gilt auch in den Fällen des einheitlichen Erwerbsvorgangs, bei denen nicht der Veräußerer, sondern ein Dritter zivilrechtlich zur Gebäudeerrichtung verpflichtet ist.
Sachlich ist dies deshalb gerechtfertigt, weil das beim Abschluss des Grundstückskaufvertrags tatsächlich unbebaute Grundstück nur dann in bebautem Zustand Gegenstand des Erwerbsvorgangs sein kann, wenn der Dritte beim Abschluss oder Wirksamwerden des Grundstückskaufvertrags zur Veräußererseite gehört. Dies setzt ein entsprechendes Verhalten des Veräußerers voraus. Zumindest muss er selbst oder eine für ihn handelnde Person das Grundstück dem Dritten "an die Hand" gegeben haben. Aufgrund dieses Verhaltens ist die durch die Bebauung herbeigeführte tatsächliche Veränderung des Grundstücks seiner Sphäre zuzurechnen. Der Einbeziehung der Bauerrichtungskosten in die Bemessungsgrundlage der gegenüber dem Veräußerer festgesetzten Grunderwerbsteuer steht es deshalb nicht entgegen, wenn für diesen die Einheitlichkeit des aus Grundstücks- und Bauvertrag bestehenden Vertragswerks - etwa aufgrund des Tätigwerdens des von ihm beauftragten Maklers - objektiv nicht erkennbar war.
Eine Aufteilung der Grunderwerbsteuer auf der Veräußererseite auf den bisherigen Eigentümer und den Dritten, der zur Bebauung des Grundstücks verpflichtet ist, scheidet aus. Denn ein solcher Dritter ist nicht am Erwerbsvorgang als Vertragsteil beteiligt i.S.d. § 13 Nr. 1 GrEStG, und zwar auch dann nicht, wenn aufgrund objektiv sachlichen Zusammenhangs zwischen dem Grundstückskaufvertrag und dem Abschluss des Gebäudeerrichtungsvertrags als Gegenstand des Erwerbs das bebaute Grundstück anzusehen ist.
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