13.11.2014

Strafbefreiende Erklärung bei fehlender Steuerhinterziehung unwirksam

Eine strafbefreiende Erklärung ist unwirksam, wenn ihr keine Steuerhinterziehung oder Steuerordnungswidrigkeit zugrunde liegt. Die durch die Abgabe der Erklärung bewirkte Steuerfestsetzung ist dann jedenfalls zur Beseitigung eines Rechtsscheins aufzuheben; das Gleiche gilt, wenn das Vorliegen einer Steuerhinterziehung oder Steuerordnungswidrigkeit nicht festgestellt werden kann.

BFH 1.10.2014, II R 6/13
Der Sachverhalt:
Mit "strafbefreiender Erklärung" vom 30.11.2004 nach dem StraBEG gab der Kläger gegenüber dem Finanzamt für die Jahre 1993 bis 2002 zu Unrecht nicht besteuerte Einnahmen i.S.d. § 1 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 5 StraBEG i.H.v. rd. 5,6 Mio. € und eine daraus mit einem Satz von 25 Prozent errechnete Abgabe i.H.v. rd. 1,4 Mio. € an. Der Kläger entrichtete diesen Betrag im Dezember 2004. Die "strafbefreiende Erklärung" betraf u.a. die Schenkungsteuer für die Übertragung des Vermögens der Stiftung X in Liechtenstein auf den Kläger, die Übertragung von Vermögen des Klägers auf die neu gegründeten Stiftungen Y und Z in Liechtenstein und die Rückübertragung dieses Vermögens auf den Kläger. Hierauf entfielen Einnahmen i.S.d. § 1 Abs. 5 StraBEG i.H.v. rd. 3,9 Mio. € und eine Abgabe nach § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 StraBEG i.H.v. rd. 965.000 €.

Nachdem der BFH durch Urteil vom 28.6.2007 (II R 21/05) entschieden hatte, dass die Übertragung von Vermögen auf eine liechtensteinische Stiftung nicht der Schenkungsteuer unterliegt, wenn die Stiftung nach den getroffenen Vereinbarungen und Regelungen über das Vermögen im Innenverhältnis zum Stifter nicht tatsächlich und rechtlich frei verfügen kann, beantragte der Kläger im Oktober 2008, die strafbefreiende Erklärung gem. § 173 AO bzw. § 10 Abs. 3 StraBEG zu ändern. Die Übertragung des Vermögens auf die Stiftungen sowie die Rückübertragung hätten nicht der Schenkungsteuer unterlegen. Das Finanzamt lehnte den Antrag mit Bescheid von Dezember 2008 ab.

Das FG gab der Klage, mit der der Kläger beantragt hatte, den Bescheid von Dezember 2008 aufzuheben und das Finanzamt zu verpflichten, die aufgrund der strafbefreienden Erklärung festgesetzte Abgabe um rd. 965.000 € herabzusetzen, teilweise - nämlich im Hinblick auf die Übertragung des Vermögens der Stiftung X auf den Kläger - statt und verpflichtete das Finanzamt, die Abgabe um rd. 316.000 € herabzusetzen. Hinsichtlich der Stiftungen Y und Z habe es sich zwar wahrscheinlich ebenso wie bei der Stiftung X verhalten. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit könne dies aber wegen des Fehlens zur abschließenden Prüfung erforderlicher Unterlagen nicht festgestellt werden. Dies gehe zulasten des Klägers.

Auf die Revision des Klägers hob der BFH das Urteil und gab der Klage vollumfänglich statt. Die Revision des Finanzamts hatte keinen Erfolg.

Die Gründe:
Der Ablehnungsbescheid des Finanzamts von Dezember 2008 wird aufgehoben und das Finanzamt verpflichtet, die aufgrund der strafbefreienden Erklärung von Dezember 2004 festgesetzte Abgabe um rd. 965.000 € herabzusetzen (§ 126 Abs. 3 S. 1 Nr. 1 FGO).

Das FG hat zu Recht angenommen, dass § 10 Abs. 3 S. 1 StraBEG auch dann anwendbar ist, wenn die in § 1 Abs. 1 S. 1 StraBEG genannten Voraussetzungen für eine strafbefreiende Erklärung nicht erfüllt sind, weil es an einer Steuerhinterziehung oder Steuerordnungswidrigkeit (§ 6 StraBEG) des Steuerpflichtigen fehlt. Die strafbefreiende Erklärung steht nach § 10 Abs. 2 S. 1 StraBEG einer Steuerfestsetzung ohne Vorbehalt der Nachprüfung gleich. Dies schließt jedoch nicht die Prüfung aus, ob der Steuerpflichtige eine der in § 1 Abs. 1 S. 1 StraBEG bezeichneten Taten oder eine Steuerordnungswidrigkeit i.S.d. § 6 StraBEG begangen hat. Ist dies nicht der Fall, ist die strafbefreiende Erklärung unwirksam und kann von der Finanzbehörde abgelehnt werden.

Ob die unwirksame strafbefreiende Erklärung in einem solchen Fall zu einer wirksamen Steuerfestsetzung gem. § 10 Abs. 2 S. 1 StraBEG führt, wie das FG angenommen hat, oder ob auch die Steuerfestsetzung unwirksam ist, hat der BFH noch nicht ausdrücklich entschieden und kann vorliegend auf sich beruhen. Ist die Steuerfestsetzung wirksam, ist sie nach § 10 Abs. 3 S. 1 StraBEG aufzuheben, soweit der Steuerpflichtige keine der in § 1 Abs. 1 S. 1 StraBEG bezeichneten Taten und auch keine Steuerordnungswidrigkeit i.S.d. § 6 StraBEG begangen hat. Ist die Steuerfestsetzung bei einer unwirksamen strafbefreienden Erklärung ebenfalls unwirksam, dient ihre Aufhebung gem. § 10 Abs. 3 S. 1 StraBEG der Beseitigung eines Rechtsscheins.

Unzutreffend ist die Annahme des FG, § 10 Abs. 3 S. 1 StraBEG sei nur anwendbar, soweit das Fehlen einer Steuerhinterziehung oder Steuerordnungswidrigkeit positiv festgestellt werden könne. Vielmehr ist die Vorschrift bereits dann anwendbar, wenn das Vorliegen einer Steuerhinterziehung oder Steuerordnungswidrigkeit des Steuerpflichtigen nicht festgestellt werden kann. Wie der BFH bereits zutreffend ausgeführt hat, ist der Grundsatz "in dubio pro reo" auch bei Anwendung des StraBEG beachtlich mit der Folge, dass bei bestehenden Zweifeln über eine Tatbegehung die Unschuldsvermutung gilt und das StraBEG keine Anwendung findet, weil dann nicht von einer begangenen Straftat (oder Steuerordnungswidrigkeit) ausgegangen werden kann. Da das FG seiner Entscheidung eine andere Ansicht zugrunde gelegt hat, war die Vorentscheidung aufzuheben.

Die durch die strafbefreiende Erklärung des Klägers bewirkte Steuerfestsetzung ist jedenfalls zur Beseitigung des Rechtsscheins ihrer vollständigen Wirksamkeit um den Betrag zu vermindern, der auf die in der Erklärung erfassten Zuwendungen in Bezug auf die Stiftungen entfällt, also um rd. 965.000 €; denn das FG hat in diesem Zusammenhang das Entstehen von Schenkungsteuer teilweise verneint und i.Ü. nicht positiv festgestellt, sondern ausgeführt, wahrscheinlich sei insgesamt keine Schenkungsteuer entstanden. Die Verletzung von Mitwirkungspflichten kann dem Kläger in diesem Zusammenhang nicht zum Vorwurf gemacht werden.

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