Stückzahlmaßstab der früheren Bremischen und Saarländischen Vergnügungsteuergesetze nur bis zum 31.12.2005 anwendbar
BVerfG 12.2.2014, 1 BvL 11/10 u.a.Beteiligte des Ausgangsverfahrens zur Vorlage 1 BvL 11/10 sind eine bremische Spielhallenbetreiberin und das Finanzamt. Diese streiten um die Vergnügungsteuerfestsetzung für die Monate Dezember 2007 bis Februar 2009. Nach dem im maßgeblichen Zeitraum geltenden Bremischen Vergnügungsteuergesetz unterlag unter anderem der Betrieb von Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeit der Vergnügungsteuer. Die Besteuerung richtete sich nach der Anzahl der aufgestellten Automaten. Seit dem 1.1.2010 ist das Gesetz geändert; die Steuer wird anhand eines Prozentsatzes des Einspielergebnisses bemessen.
Beteiligte des Ausgangsverfahrens zur Vorlage 1 BvL 14/10 sind ein saarländischer Spielhallenbetreiber und der Bürgermeister der Gemeinde, in der die Spielhalle liegt. Diese streiten über die Vergnügungsteuerfestsetzung für die Monate Januar bis Dezember 2007. Das im hier maßgeblichen Zeitraum geltende Saarländische Vergnügungsteuergesetz ermächtigte die Gemeinden u.a. zur Erhebung einer Vergnügungsteuer für das Halten von Spielapparaten in Spielhallen. Die Höhe der Steuer konnte durch gemeindliche Satzung bis zu gesetzlich festgelegten Maximaltarifen festgelegt werden. Seit dem 1.3.2013 wird die Vergnügungsteuer für Apparate mit Gewinnmöglichkeit anhand eines Prozentsatzes des Einspielergebnisses bemessen.
Die vorlegenden Gerichte - FG Bremen und Saarländisches VG - setzten unter Berufung auf Art. 100 Abs. 1 GG i.V.m. § 80 BVerfGG das jeweilige Verfahren aus und legten dem BVerfG die Frage zur Entscheidung vor, ob § 3 Abs. 1 des Bremischen Vergnügungsteuergesetzes a.F. bzw. § 14 Abs. 1 Saarländischen Vergnügungsteuergesetzes a.F. - soweit sie sich auf Geldspielgeräte mit Gewinnmöglichkeit beziehen - mit dem GG unvereinbar und deshalb nichtig sind. Sie sind jeweils davon überzeugt, dass die vorgelegten Vorschriften mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar sind, weil die Anwendung des Stückzahlmaßstabs als Bemessungsgrundlage für die Vergnügungsteuer bei Spielautomaten mit Gewinnmöglichkeit den allgemeinen Gleichheitssatz verletzt. Zur Begründung beziehen sich beide Gerichte auf die Entscheidung des BVerfG vom 4.2.2009 zur hamburgischen Spielgerätesteuer.
Die Gründe:
§ 3 Abs. 1 des Bremischen Vergnügungsteuergesetzes a.F. und § 14 Abs. 1 des Saarländischen Vergnügungsteuergesetzes a.F. verletzen - soweit sie Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeit betreffen - den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG).
Das BVerfG hat die Maßstäbe für die Anwendung des Gleichheitssatzes auf die Spielgerätesteuer bereits geklärt. Es ist kein Gesichtspunkt ersichtlich, der zu einer abweichenden Bewertung Anlass gäbe. Die vorgelegten Vorschriften halten einer Prüfung anhand dieser verfassungsrechtlichen Maßstäbe nicht stand. Es besteht keine tragfähige Rechtfertigung dafür, statt des auf den Vergnügungsaufwand der einzelnen Spieler bezogenen Wirklichkeitsmaßstabs einen an der Automatenstückzahl orientierten pauschalierenden Ersatzmaßstab für die Besteuerung zu verwenden. Die vorgelegten Vorschriften können nur bis zum 31.12.2005 angewendet werden.
In Fällen einer Verletzung von Art. 3 Abs. 1 GG erklärt das BVerfG die Vorschrift grundsätzlich für unvereinbar mit dem GG, weil der Gesetzgeber verschiedene Möglichkeiten hat, den Verfassungsverstoß zu beseitigen. Das BVerfG kann die zeitweilige Fortgeltung der für unvereinbar mit dem GG erklärten Norm anordnen, wenn die hierfür sprechenden verfassungsrechtlichen Belange überwiegen. Für die befristete Fortgeltung der vorgelegten Normen bis zum 31.12.2005 sprechen zum einen Erfordernisse einer verlässlichen Finanz- und Haushaltsplanung der Freien Hansestadt Bremen und des Saarlands. Zum anderen erscheint die Belastung der Automatenhalter durch die Anwendung des Stückzahlmaßstabs relativ gering.
Die Normgeber in den Ausgangsverfahren durften sich jedoch nur bis zur Rechtsprechungsänderung des BVerwG durch die Urteile vom 13.4.2005 bei der Verwendung des Stückzahlmaßstabs im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung sehen. Danach bestand Anlass zu überprüfen, ob die vom BVerwG aufgestellten Voraussetzungen für die Beibehaltung des Stückzahlmaßstabs in ihrem Zuständigkeitsgebiet vorlagen. Das BVerwG hatte ausdrücklich klargestellt, dass ein Stückzahlmaßstab für Spielgeräte nur noch mit der Verfassung zu vereinbaren ist, wenn bestimmte Toleranzgrenzen eingehalten werden; eine Neuregelung der Spielgerätesteuer dürfe aber nicht nur auf die Stückzahl abheben.
Ob diese Toleranzgrenzen eingehalten sind, haben die Freie Hansestadt Bremen und das Saarland jedoch nicht geprüft und auch nicht sonst dargelegt, warum sie am Stückzahlmaßstab festhielten. Der Freien Hansestadt Bremen und dem Saarland war es auch möglich und zumutbar, binnen etwa sechs Monaten nach der Rechtsprechungsänderung des BVerwG, also bis Ende des Jahres 2005, zu reagieren; ein Zuwarten bis zur Veröffentlichung der Entscheidung des BVerwG zum Hamburgischen Vergnügungsteuergesetz aus dem Jahr 2009 ist hingegen nicht gerechtfertigt.
Linkhinweis:
Der Volltext ist auf der Homepage des BVerfG veröffentlicht. http://www.BVerfG.de
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