Tarifbegünstigte unfallbedingte Entschädigungsleistungen als Ersatz für entgangenes Gehalt
BFH 11.10.2017, IX R 11/17Der Kläger ist schwerbehindert (80%) und bezog im Streitjahr 2012 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Er war im Jahr 1993 als Fahrradfahrer bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt worden. Seine Behinderung ist die Folge der erlittenen Verletzungen.
Im Jahr 2006 wurden durch die Versicherung des Schädigers Zahlungen i.H.v. 15.000 € und 10.000 € an den Kläger geleistet. Der wegen Schadenersatz geführte Rechtsstreit mit der Versicherung des Schädigers dauerte bis zum Jahr 2012. Am 9.7. 2012 wurde einen Vergleich geschlossen, wonach die Versicherung an den Kläger ab dem 1.9.2008 regelmäßige monatliche Zahlungen auf den Erwerbs- und Fortkommensschaden auf der Grundlage der Besoldungsgruppe A 13 zu leisten habe. Die Parteien waren sich einig, dass die Versicherung berechtigt sein sollte, im Wege der Verrechnung eine Überzahlung für den Zeitraum bis zum 31.8.2008 i.H.v. 5.500 € sowie eine am 1.2.2012 geleistete weitere Zahlung i.H.v. 10.000 € von den auszuzahlenden Beträgen in Abzug zu bringen.
Streitig war fortan, ob die dem Kläger in 2012 insgesamt zugeflossenen Versicherungsleistungen nach § 34 EStG ermäßigt besteuert werden konnten. Das FG gab der Klage nur zum Teil statt. So sei die am 1.2.2012 vor Abschluss des Vergleichs geleistete Zahlung der Versicherung i.H.v. 10.000 € nicht als ermäßigt zu besteuernde Entschädigungszahlung anzusehen, da es insoweit an der Zusammenballung fehle. Auf die Revision des Klägers hob der BFH das Urteil auf und gab der Klage insgesamt statt.
Gründe:
Das FG hat zu Unrecht die dem Kläger im Streitjahr 2012 zugeflossene Entschädigung i.H.v. 62.094 € nicht als tarifbegünstigt gem. § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. § 24 Nr. 1a EStG angesehen.
Die auf der neuen Rechtsgrundlage des gerichtlichen Vergleichs vom 9.7.2012 vereinnahmten Entschädigungszahlungen wurden für den Verdienstausfall des Klägers und damit als Ersatz für entgangene Einnahmen i.S.d. § 24 Nr. 1a EStG geleistet. Dies gilt auch für den bereits am 1.2. 2012 zur Existenzsicherung des Steuerpflichtigen gezahlten Vorschuss i.H.v. 10.000 €, da der Vergleich ausdrücklich dessen Anrechnung entsprechend seiner Zweckbestimmung auf die für den Verdienstausfall auszuzahlende Entschädigungsleistung vorsieht und damit den Vorschuss bei der Berechnung des Auszahlungsbetrags berücksichtigt. Dabei ist unerheblich, dass die Zuwendung von einem Dritten, hier der Versicherung des Unfallverursachers, geleistet wurde.
Die Entschädigungszahlungen sind außerordentliche Einkünfte i.S.d. § 34 Abs.1 u. 2 EStG, denn sie flossen im Veranlagungszeitraum 2012 zusammengeballt zu. Die Zahlung eines die außergewöhnliche Progressionsbelastung erhöhenden Vorschusses auf die in demselben Veranlagungszeitraum vereinnahmte Entschädigung stellt dabei lediglich eine die Abwicklung betreffende Zahlungsmodalität dar und ist daher für die Einbeziehung des Vorschusses in die außerordentlichen Einkünfte und die Zusammenballung unschädlich.
Außerdem lag hier hinsichtlich der Entschädigungszahlungen im Jahr 2006 einerseits und den Entschädigungszahlungen im Streitjahr andererseits keine einheitliche Gesamtentschädigung vor, deren ratenweise Auszahlung in verschiedenen Veranlagungszeiträumen einer tarifbegünstigten Besteuerung entgegenstünde. Denn die im Jahr 2006 geleisteten Zahlungen standen nicht mit der auf der Grundlage des Vergleichs vom 9.7. 2012 geleisteten Entschädigung im Zusammenhang. Es handelte sich vielmehr um zwei selbständig zu beurteilende Entschädigungen, die dem Steuerpflichtigen jeweils in einem Veranlagungszeitraum, 2006 und 2012, zusammengeballt zugeflossen sind. Im Übrigen fehlte bei einem zeitlichen Abstand zweier selbständiger Entschädigungszahlungen von sechs Jahren auch der für die Beurteilung der Einheitlichkeit einer Entschädigungsleistung erforderliche zeitliche Zusammenhang.
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