Tonnagegewinnermittlung: Unmittelbarer Zusammenhang eines Hilfsgeschäfts setzt konkrete Investitionsentscheidung voraus
BFH 7.6.2018, IV R 16/16Die Klägerin war im März 2006 zunächst als Vorratsgesellschaft gegründet worden. Kommanditist der Gesellschaft war zu diesem Zeitpunkt A, Komplementärin die A-GmbH. Als Gesellschaftszweck legte man den Betrieb und die Veräußerung von Seeschiffen, insbesondere den Betrieb eines Schiffs fest. In den Streitjahren 2006 bis 2009 erzielte die Klägerin keine Betriebseinnahmen. In dieser Zeit fielen lediglich allgemeine Verwaltungskosten an. Hierbei handelte es sich um Aufwendungen für Rechts- und Beratungskosten sowie für Abschluss- und Prüfungskosten.
Das Finanzamt berücksichtigte die Verluste zunächst in Bescheiden über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (Gewinnfeststellungsbescheide). Diese wiesen folgende Verluste aus: 285 € (2006), 626,95 € (2007), 305 € (2008) und 306,20 € (2009). (Nur) die Bescheide für 2008 und 2009 ergingen nach § 164 Abs. 1 AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Im Jahr 2010 schloss die Klägerin einen Vertrag über den Bau und die Lieferung eines Handelsschiffs. Das Schiff wurde 2012 an die Klägerin übergeben und wird seitdem im internationalen Schiffsverkehr betrieben. Im Jahr 2012 optierte die Klägerin zur Tonnagegewinnermittlung nach § 5a EStG. Daraufhin stellte das Finanzamt für sämtliche Streitjahre die Einkünfte jeweils mit 0 € fest. Zur Begründung verwies es auf § 5a Abs. 3 S. 2 EStG i.d.F. des HBeglG2004BestG, demzufolge auf Grund der Wahl der Gewinnermittlung nach § 5a EStG Verluste vor Indienststellung des Schiffs nicht zu berücksichtigen seien. Die Änderungsbescheide für 2006 und 2007 geben als Rechtsgrundlage für die Änderung jeweils § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO an, die Änderungsbescheide für 2008 und 2009 § 164 Abs. 2 AO.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hat der BFH das Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen.
Gründe:
Die bisherigen Feststellungen des FG reichen nicht aus, um beurteilen zu können, ob die Voraussetzungen für den Erlass der angegriffenen Änderungsbescheide gegeben sind.
Aus § 5a Abs. 3 EStG i.d.F. des HBeglG2004BestG lässt sich keine zeitliche Begrenzung der Änderungsmöglichkeit auf das Jahr der Indienststellung des Schiffs entnehmen. Vielmehr ergibt sich das Gegenteil insbesondere aus S. 4 dieser Norm. Wenn der Gesetzgeber dort anordnet, dass selbst unanfechtbare Steuerbescheide geändert werden können und die Festsetzungsfrist insoweit nicht endet, bevor die Festsetzungsfrist für den Veranlagungszeitraum abgelaufen ist, in dem der Gewinn erstmals nach § 5a Abs. 1 EStG ermittelt wird, ergibt sich daraus eindeutig, dass der Gesetzgeber insoweit die Änderung von Steuerbescheiden für Veranlagungszeiträume vor dem Jahr der Indienststellung ermöglichen wollte.
Ob Gewinne "durch den Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr erwirtschaftet" wurden, bestimmt sich nach § 5a Abs. 2 EStG. Nach dessen S. 2 gehören zum Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr u.a. auch die unmittelbar mit ihrem Einsatz oder ihrer Vercharterung zusammenhängenden Neben- und Hilfsgeschäfte. Hilfsgeschäfte gehören nach § 5a Abs. 2 S. 2 EStG aber nur dann zum Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr, wenn sie unmittelbar mit deren Einsatz oder ihrer Vercharterung zusammenhängen.
Dies setzt voraus, dass die konkrete Investitionsentscheidung für den Betrieb eines Handelsschiffs im internationalen Verkehr bereits getroffen wurde. Vor diesem Zeitpunkt vorgenommene Geschäfte erfüllen danach das Unmittelbarkeitserfordernis nicht. Das bedeutet andererseits jedoch nicht, dass jedes Geschäft, das nach diesem Zeitpunkt vorgenommen wird, das Unmittelbarkeitserfordernis erfüllt. Dementsprechend stellen z.B. Kapitalanlagen in der Investitionsphase eines Schiffsbetriebs grundsätzlich selbst dann keine Hilfsgeschäfte dar, die unmittelbar mit dem Einsatz oder der Vercharterung des Schiffs zusammenhängen, wenn zu diesem Zeitpunkt die konkrete Investitionsentscheidung schon getroffen ist.
Die Gründung einer Gesellschaft stellt daher noch kein Hilfsgeschäft dar, das in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Einsatz oder der Vercharterung eines Handelsschiffs steht. Denn erst nach der Gründung der Gesellschaft kann die Investitionsentscheidung für die Gesellschaft getroffen werden. Die konkrete Investitionsentscheidung zeigt sich spätestens im Abschluss des Bau- oder Kaufvertrags über das zu betreibende Schiff. Regelmäßig wird sie aber schon vor diesem Zeitpunkt getroffen sein. Der Bezeichnung des Unternehmensgegenstands kommt dabei für den Nachweis der Investitionsentscheidung regelmäßig nur geringe Bedeutung zu. Erforderlich sind vielmehr Maßnahmen, die darauf gerichtet sind, ein konkretes Schiff herzustellen bzw. zu erwerben, um es als Handelsschiff im internationalen Verkehr zu betreiben. Hierzu zählen auch Maßnahmen, die auf die Beschaffung der entsprechenden finanziellen Mittel für den Erwerb bzw. die Herstellung eines solchen Schiffs gerichtet sind.
Allein das Vorhalten einer Gesellschaft, um im Fall eines aussichtsreichen Geschäfts sofort tätig werden zu können, reicht danach regelmäßig nicht aus. In aller Regel wird die konkrete Investitionsentscheidung mit Kosten verbunden sein, die über die Kosten für das Vorhalten der Gesellschaft hinausgehen.
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