Über einen Betriebsfonds gezahlte Zuschüsse der EU zur Anschaffung von Investitionsgütern im Bereich der Landwirtschaft
BFH v. 22.1.2019 - XI R 26/19
Der Sachverhalt:
Die Klägerin, eine eingetragene Genossenschaft (eG), war in den Streitjahren 2002 und 2003 als Großhändlerin für Obst, Gemüse und Kartoffeln tätig, indem sie die von ihren Mitgliedern produzierten und an sie gelieferten Produkte vermarktete. Sie war außerdem eine anerkannte Erzeugerorganisation i.S.d. Verordnung (EG) Nr. 2200/96 des Rates vom 28.10.1996 über die gemeinsame Marktorganisation für Obst und Gemüse.
Nach Art. 15 der VO Nr. 2200/96 können derartige Erzeugerorganisationen einen sog. Betriebsfonds einrichten. Dieser Fonds ist ein Zweckvermögen des privaten Rechts i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG, das sich je zur Hälfte aus Beiträgen der in der Erzeugerorganisation zusammengeschlossenen Erzeuger und der finanziellen Beihilfe i.S.d. Art. 15 Abs. 1 der VO Nr. 2200/96 (finanzielle Beihilfe) finanziert. Mit den Mitteln des Betriebsfonds können sog. operationelle Programme, die den zuständigen innerstaatlichen Behörden vorgelegt und von diesen genehmigt werden müssen, ausgeführt werden. Inhalt von operationellen Programmen können u.a. Investitionen in Einzelbetrieben von Mitgliedern der Erzeugerorganisation sein. Die Beiträge der Erzeuger wurden in den Streitjahren in der Weise erbracht, dass alle Mitglieder der Steuerpflichtigen 3 % ihrer Umsatzerlöse in den Betriebsfonds einzahlten. Diesen Betrag behielt die Klägerin bei jeder Anlieferung ein.
Die Klägerin machte in ihren Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre aus den Lieferungen der Vorlieferanten den vollen Vorsteuerabzug geltend. Die vom Betriebsfonds gezahlten Beträge sah sie nicht als Entgelt für Lieferungen an die Erzeuger an. Das Finanzamt vertrat die Ansicht, die Klägerin habe den jeweiligen Erzeugern von vornherein die Verfügungsmacht an dem gesamten Vertragsgegenstand (und nicht nur hinsichtlich des hälftigen Anteils) verschafft und damit eine Lieferung ausgeführt; denn die Lieferung und Inbetriebnahme des Vertragsgegenstands erfolge unmittelbar an bzw. durch den Erzeuger. Es handele sich zwar bei den finanziellen Beihilfen an den Betriebsfonds um einen nicht steuerbaren Zuschuss. Auf die Ausgangsumsätze der Klägerin an die jeweiligen Erzeuger sei jedoch die Mindestbemessungsgrundlage des § 10 Abs. 5 Nr. 1 i.V.m. Abs. 4 UStG anzuwenden. Einkaufspreis der Klägerin seien die an die Vorlieferanten gezahlten (Netto-)Beträge.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Betrag, den der Betriebsfonds an die Klägerin für die Lieferung der Gegenstände an die Erzeuger gezahlt hat, zur Gegenleistung für diese Lieferung zählt.
Nach § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG gehören zum Entgelt für die Lieferungen nicht nur die den Erzeugern in Rechnung gestellten Beträge, sondern auch die Zahlungen aus dem Betriebsfonds. Bei diesen Zahlungen handelte es sich um Zahlungen eines Dritten und nicht um die Umschichtung eigener Finanzmittel, da der Betriebsfonds nach nationalem Recht (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG, § 2 UStG) als Zweckvermögen körperschaftsteuerpflichtig ist und auch umsatzsteuerrechtlich rechtsfähig sein kann. Es handelt sich um ein zweckgebundenes Vermögen, über das die Klägerin nicht frei verfügen konnte, sondern das nur zu den in Art. 15 Abs. 2 der VO Nr. 2200/96, Art. 3 der VO Nr. 609/2001, Art. 5 der VO Nr. 1433/2003 genannten Zwecken eingesetzt werden durfte. Dass die Zahlungen der EU an den Betriebsfonds der Förderung der Allgemeinheit dienen, ändert an der unmittelbaren Verknüpfung der Zahlung aus dem Betriebsfonds nichts.
Unionsrechtliche Zweifel an dieser Beurteilung bestehen nach dem EuGH-Urteil v. 9.10.2019 (C 573/18 und C 574/18) nicht. Der EuGH hat angenommen, dass die Zahlungen aus den Betriebsfonds an die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Erzeugerorganisationen für die Lieferung von Investitionsgütern geleistet wurden und den betroffenen Erzeugern zugute kamen. Es bestehe ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Lieferung dieser Gegenstände und der tatsächlich erhaltenen Gegenleistung. Die Zahlungen aus den Betriebsfonds seien "Subventionen" von "einem Dritten" i.S. von Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG, denn die Betriebsfonds seien rechtsfähig und die betreffende Erzeugerorganisation dürfe das Vermögen dieser Fonds nicht zu persönlichen Zwecken nutzen. Diese Auslegung gewährleiste außerdem die Wahrung der steuerlichen Neutralität.
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Die Klägerin, eine eingetragene Genossenschaft (eG), war in den Streitjahren 2002 und 2003 als Großhändlerin für Obst, Gemüse und Kartoffeln tätig, indem sie die von ihren Mitgliedern produzierten und an sie gelieferten Produkte vermarktete. Sie war außerdem eine anerkannte Erzeugerorganisation i.S.d. Verordnung (EG) Nr. 2200/96 des Rates vom 28.10.1996 über die gemeinsame Marktorganisation für Obst und Gemüse.
Nach Art. 15 der VO Nr. 2200/96 können derartige Erzeugerorganisationen einen sog. Betriebsfonds einrichten. Dieser Fonds ist ein Zweckvermögen des privaten Rechts i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG, das sich je zur Hälfte aus Beiträgen der in der Erzeugerorganisation zusammengeschlossenen Erzeuger und der finanziellen Beihilfe i.S.d. Art. 15 Abs. 1 der VO Nr. 2200/96 (finanzielle Beihilfe) finanziert. Mit den Mitteln des Betriebsfonds können sog. operationelle Programme, die den zuständigen innerstaatlichen Behörden vorgelegt und von diesen genehmigt werden müssen, ausgeführt werden. Inhalt von operationellen Programmen können u.a. Investitionen in Einzelbetrieben von Mitgliedern der Erzeugerorganisation sein. Die Beiträge der Erzeuger wurden in den Streitjahren in der Weise erbracht, dass alle Mitglieder der Steuerpflichtigen 3 % ihrer Umsatzerlöse in den Betriebsfonds einzahlten. Diesen Betrag behielt die Klägerin bei jeder Anlieferung ein.
Die Klägerin machte in ihren Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre aus den Lieferungen der Vorlieferanten den vollen Vorsteuerabzug geltend. Die vom Betriebsfonds gezahlten Beträge sah sie nicht als Entgelt für Lieferungen an die Erzeuger an. Das Finanzamt vertrat die Ansicht, die Klägerin habe den jeweiligen Erzeugern von vornherein die Verfügungsmacht an dem gesamten Vertragsgegenstand (und nicht nur hinsichtlich des hälftigen Anteils) verschafft und damit eine Lieferung ausgeführt; denn die Lieferung und Inbetriebnahme des Vertragsgegenstands erfolge unmittelbar an bzw. durch den Erzeuger. Es handele sich zwar bei den finanziellen Beihilfen an den Betriebsfonds um einen nicht steuerbaren Zuschuss. Auf die Ausgangsumsätze der Klägerin an die jeweiligen Erzeuger sei jedoch die Mindestbemessungsgrundlage des § 10 Abs. 5 Nr. 1 i.V.m. Abs. 4 UStG anzuwenden. Einkaufspreis der Klägerin seien die an die Vorlieferanten gezahlten (Netto-)Beträge.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Betrag, den der Betriebsfonds an die Klägerin für die Lieferung der Gegenstände an die Erzeuger gezahlt hat, zur Gegenleistung für diese Lieferung zählt.
Nach § 10 Abs. 1 Satz 3 UStG gehören zum Entgelt für die Lieferungen nicht nur die den Erzeugern in Rechnung gestellten Beträge, sondern auch die Zahlungen aus dem Betriebsfonds. Bei diesen Zahlungen handelte es sich um Zahlungen eines Dritten und nicht um die Umschichtung eigener Finanzmittel, da der Betriebsfonds nach nationalem Recht (§ 1 Abs. 1 Nr. 5 KStG, § 2 UStG) als Zweckvermögen körperschaftsteuerpflichtig ist und auch umsatzsteuerrechtlich rechtsfähig sein kann. Es handelt sich um ein zweckgebundenes Vermögen, über das die Klägerin nicht frei verfügen konnte, sondern das nur zu den in Art. 15 Abs. 2 der VO Nr. 2200/96, Art. 3 der VO Nr. 609/2001, Art. 5 der VO Nr. 1433/2003 genannten Zwecken eingesetzt werden durfte. Dass die Zahlungen der EU an den Betriebsfonds der Förderung der Allgemeinheit dienen, ändert an der unmittelbaren Verknüpfung der Zahlung aus dem Betriebsfonds nichts.
Unionsrechtliche Zweifel an dieser Beurteilung bestehen nach dem EuGH-Urteil v. 9.10.2019 (C 573/18 und C 574/18) nicht. Der EuGH hat angenommen, dass die Zahlungen aus den Betriebsfonds an die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Erzeugerorganisationen für die Lieferung von Investitionsgütern geleistet wurden und den betroffenen Erzeugern zugute kamen. Es bestehe ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Lieferung dieser Gegenstände und der tatsächlich erhaltenen Gegenleistung. Die Zahlungen aus den Betriebsfonds seien "Subventionen" von "einem Dritten" i.S. von Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG, denn die Betriebsfonds seien rechtsfähig und die betreffende Erzeugerorganisation dürfe das Vermögen dieser Fonds nicht zu persönlichen Zwecken nutzen. Diese Auslegung gewährleiste außerdem die Wahrung der steuerlichen Neutralität.