Umsatzsteuer-Erleichterung für Gebrauchtwarenhändler
FG Köln 13.4.2016, 9 K 667/14Streitig ist, ob der Kläger, ein Gebrauchtwagenhändler, für das Streitjahr 2010 die Kleinunternehmerregelung nach § 19 Abs. 1 UStG in Anspruch nehmen kann. Der Kläger erzielte in den Jahren 2009 und 2010 jeweils Umsätze i.H.v. rd. 25.000 €. Da er seine Fahrzeuge von Privatpersonen ohne Umsatzsteuer ankaufte, hätte er ohnehin nur die Differenz zwischen Ein- und Verkaufspreisen der Umsatzsteuer unterwerfen müssen (Differenzbesteuerung nach § 25a UStG).
Da diese Differenzbeträge aber in beiden Jahren unter der Kleinunternehmergrenze von 17.500 € lag, wollte er gar keine Umsatzsteuer abführen. Nach § 19 UStG wird von Kleinunternehmern, deren Gesamtumsatz im Vorjahr nicht über 17.500 € lag und im laufenden Jahr 50.000 € voraussichtlich nicht übersteigen wird, keine Umsatzsteuer erhoben. Das Finanzamt setzte jedoch für 2010 Umsatzsteuer fest, da es die Kleinunternehmergrenze aufgrund des Gesamtumsatzes von 25.000 € als überschritten ansah.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision zum BFH wurde wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Die Gründe:
Das Finanzamt hat zu Unrecht die Anwendung der Kleinunternehmerregelung des § 19 UStG versagt.
Nach dieser Vorschrift wird die für Umsätze i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG geschuldete Umsatzsteuer von inländischen Unternehmern nicht erhoben, wenn der nach vereinnahmten Entgelten bemessene Gesamtumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr 17.500 € nicht überstiegen hat und im laufenden Kalenderjahr 50.000 € voraussichtlich nicht übersteigen wird. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Da die Steuerbemessungsgrundlage für Umsätze, die der Differenzbesteuerung nach § 25a UStG/Art. 315 MwStSystRL unterliegen, auf die Differenz (Handelsspanne) begrenzt ist, ist das über die Differenz hinausgehende Entgelt bei der Ermittlung des Gesamtumsatzes nach § 19 Abs. 1 S. 1 UStG unberücksichtigt zu lassen.
Das ergibt sich allerdings nicht unmittelbar aus § 19 Abs. 1 UStG. Insoweit ist dem Finanzamt beizupflichten, dass § 19 Abs. 1 UStG für die Ermittlung der Umsatzgrenze auf den Gesamtumsatz und nicht auf die Handelsspanne abzielt. Nach rein nationalem Recht wäre die Klage daher unbegründet, weil der Gesamtumsatz des Jahres 2009 die Grenze von 17.500 € überstiegen hat. § 19 Abs. 1 UStG ist hier jedoch nicht anwendbar, weil er mit Artikel 288 Nr. 1 MwStSystRL nicht in Einklang steht. Nach dieser Vorschrift setzt sich der Umsatz, der bei der Anwendung der Kleinunternehmerregelung nach der Richtlinie zu Grunde zu legen ist, aus dem Betrag der Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen zusammen, soweit diese besteuert werden.
Da nach Art. 315 MwStSystRL bei der Differenzbesteuerung nur die Handelsspanne besteuert wird, kann nur diese für die Bemessung der Umsatzgrenze herangezogen werden. Das entspricht nach Rechtsauffassung des Senats dem insoweit eindeutigen Wortlaut von Art. 288 Nr. 1 MwStSystRL, so dass kein Raum für eine andere Auslegung besteht. Da § 19 UStG diese Einschränkung nicht enthält, steht er im Widerspruch zu Art. 288 Nr. 1 MwStSystRL. In einem solchen Fall kann sich der Kläger auf die für ihn günstigere Bestimmung des Art. 288 MwStSystRL berufen.
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