08.11.2017

Umsatzsteuer: Steuerfreiheit von Liegerechten in Begräbniswäldern

Das Einräumen von Liegerechten zur Einbringung von Urnen unter Begräbnisbäumen kann als Grundstücksvermietung umsatzsteuerfrei sein. Erforderlich ist hierfür, dass räumlich abgrenzbare, individualisierte Parzellen überlassen werden, so dass Dritte von einer Nutzung der Parzelle ausgeschlossen sind.

BFH 21.6.2017, V R 4/17 u.a.
Der Sachverhalt:

+++ V R 3/17 +++
In der Sache V R 3/17 hatte der Kläger als Betreiber eines Urnenbegräbniswaldes, der einer gemeindlichen Friedhofssatzung unterlag, Interessenten sog. Liegerechte (Nutzungsrechte zur Beisetzung der Asche) an Familien- oder Gruppenbäumen für Zeiträume von 20 bis 99 Jahren eingeräumt. Im Zusammenhang mit dieser Leistung nahm der Kläger Beratungsleistungen über freie Grabstätten und Bestattungsorte vor; Details zur Bestattung (z.B. Urnenauswahl etc.) waren nicht Gegenstand der Beratung. Zudem erhielt der Kläger den Wald und die Wege, hielt Parkplätze vor und stellte auf dem Gelände einige Bänke zum Zwecke der Andacht auf. In Erfüllung einer gegenüber der Gemeinde bestehenden Verpflichtung führte der Kläger zudem eine Ruhestättendatenbank.

Im Anschluss an eine Außenprüfung ging das Finanzamt davon aus, dass es sich bei der Vergabe von Liegerechten und der Durchführung von Bestattungsleistungen um eine einheitliche umsatzsteuerpflichtige Leistung handele und änderte die Umsatzsteuerbescheide für die Streitjahre 2009 und 2010 entsprechend. Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision des Finanzamtes blieb vor dem BFH erfolglos.

+++ V R 4/17 +++
Auch im Verfahren V R 4/17 stritten die Parteien über die Steuerbarkeit und Steuerpflicht der Einräumung von Nutzungsrechten an Baumgrabstätten. Mit den Umsatzsteuererklärungen für die Streitjahre 2007 bis 2010 behandelte der Kläger diese Umsätze als nach § 4 Nr. 12a UStG steuerfreie Umsätze. Das Finanzamt sah darin eine einheitliche steuerpflichtige Leistung, rechnete die Umsätze dem Kläger im Wege einer umsatzsteuerlichen Organschaft zu und änderte die Umsatzsteuerbescheide entsprechend.

Das FG gab der Klage hinsichtlich der im Revisionsverfahren nur noch streitigen Einräumung von Nutzungsrechten an Baumgrabstätten statt. Auf die Revision des Finanzamtes hob der BFH das Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.

Gründe:

+++ V R 3/17 +++
Das FG hat zu Recht entschieden, dass es sich bei der Einräumung von Liegerechten um steuerfreie Vermietungsleistungen i.S.d. § 4 Nr. 12a UStG gehandelt hat. Der Kläger hatte geographisch eingemessene, räumlich abgrenzbare und mit einer Nummerierung individualisierte Parzellen überlassen. Dass die Kunden mit der Anmietung z.B. möglicherweise weiter gehende religiöse Zwecke verbunden hatten, stand dem nicht entgegen. Weitere Leistungsbestandteile wie die Information über freie Grabstätten, die Instandhaltung des Waldes und der Wege und die Bereitstellung von Bänken waren nur als Nebenleistungen zur steuerfreien Vermietung anzusehen.

+++ V R 4/17 +++
Die Feststellungen des FG zum Inhalt der übertragenen Nutzungsrechte waren widersprüchlich und ermöglichten es dem Senat nicht, über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 4 Nr. 12a UStG zu entscheiden. Die Einräumung von Liegerechten zur Einbringung von Urnen ist keine nach § 4 Nr. 12a UStG steuerfreie Grundstücksvermietung, wenn dabei nicht räumlich abgrenzbare, individualisierte Parzellen zur Nutzung unter Ausschluss Dritter überlassen werden. Es ist allerdings unklar geblieben, ob den Kunden räumlich abgegrenzte Teile der Erdoberfläche überlassen worden waren oder ob sie lediglich das Recht zur Beisetzung einer Urne im Wurzelbereich eines bestimmten Baums erlangt hatten.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.
  • Um direkt zum Volltext von AZ.: V R 4/17 zu kommen, klicken Sie bitte hier.
  • Um direkt zum Volltext von Az.: V R 3/17 zu kommen, klicken Sie bitte hier.
BFH PM Nr. 71 vom 8.11.2017
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