20.09.2018

Umsatzsteuerbefreiung von Subunternehmerleistungen im Bereich der ambulanten Eingliederungshilfe möglich

Leistungen im Bereich der ambulanten Eingliederungshilfe, die eine selbständig tätige Psychologische Beraterin als "sonstige qualifizierte Person" gegenüber zugelassenen Anbietern für hilfsbedürftige Personen erbringt, waren im Jahr 2010 nach § 4 Nr. 16 S. 1k (jetzt: Buchst. l) UStG steuerfrei, wenn diese Leistungen aufgrund eines Hilfeplans vom Träger der Sozialhilfe bewilligt und mittelbar vergütet wurden.

BFH 13.6.2018, XI R 20/16
Der Sachverhalt:

Die Klägerin ist eine ausgebildete Psychologische Beraterin mit Fortbildungen insbesondere im Bereich "systemischer Beratung" und "analytischer Psychologie". Sie war - wie schon in den Vorjahren - im Streitjahr 2010 als Subunternehmerin in der ambulanten Eingliederungshilfe i.S.v. § 53 SGB XII tätig. Sie betreute volljährige Klienten mit einer Behinderung i.S.v. § 2 Abs. 1 S. 1 SGB IX im Alltag. Hierzu zählte u.a. die Sicherstellung von Wohnung, Unterhalt und hauswirtschaftlicher Versorgung, die Hilfestellung bei behördlichen Antragstellungen, die gesundheitliche Stabilisierung sowie die Bewältigung von Krisen. Ein unmittelbares Vertrags-, Abrechnungs- und Vergütungsverhältnis mit dem zuständigen gesetzlichen Sozialhilfeträger bestand dabei nicht. Die Klägerin wurde nicht als "Fachkraft", sondern als "sonstige qualifizierte Person" eingestuft.

In ihrer Umsatzsteuer-Jahreserklärung für das Streitjahr meldete die Klägerin steuerfreie Umsätze aus ihrer Tätigkeit im Rahmen der ambulanten Eingliederungshilfe an. Die Umsätze aus den Beratungsleistungen behandelte sie als der Kleinunternehmerregelung i.S.v. § 19 UStG unterfallend. Nach einer Außenprüfung gelangte der Prüfer zu der Ansicht, dass die betreffenden Umsätze steuerpflichtig seien, weil nach § 4 Nr. 16 S. 1k UStG 2009 und dem BFH-Urteil vom 8.11.2007 (Az.:  V R 2/06) eine Subunternehmertätigkeit für eine Steuerbefreiung nicht ausreiche. Dementsprechend setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer fest. Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt und setzte die Umsatzsteuer für das Streitjahr auf 0 € fest. Die Revision der Finanzbehörde blieb vor dem BFH erfolglos.

Gründe:

Die im Rahmen der ambulanten Eingliederungshilfe erbrachten Leistungen der Steuerpflichtigen waren zwar nicht nach § 4 Nr. 16 S. 1h UStG 2009 steuerfrei, da es für den streitigen Zeitraum an Vereinbarungen i.S.v. § 75 SGB XII fehlte. Das FG ist aber zu Recht davon ausgegangen, dass die Steuerfreiheit aus einer richtlinienkonformen Auslegung von § 4 Nr. 16 S. 1k UStG 2009 folgt.

Die Vorschrift § 4 Nr. 16 S. 1k UStG 2009 ist mit Ausnahme der Mindestvergütungsquote, die nunmehr mindestens 25 % beträgt, identisch mit § 4 Nr. 16 S. 1 l UStG in der derzeit geltenden Fassung. Auch § 4 Nr. 16 S. 2 UStG 2009 entspricht inhaltlich § 4 Nr. 16 S. 2 UStG der aktuellen Fassung. Der Gesetzgeber war auch grundsätzlich berechtigt, die Steuerbefreiung nach Maßgabe des für das Streitjahr geltenden § 4 Nr. 16 S. 1k UStG 2009 im Einklang mit dem Unionsrecht davon abhängig zu machen, ob bei der betreffenden Einrichtung  im (vorangegangenen) Kalenderjahr die Betreuungskosten in mindestens 40 % der Fälle von den gesetzlichen Trägern der Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil vergütet worden sind.

Die Klägerin war zudem als eine nach § 4 Nr. 16 S. 1k UStG 2009 anerkannte Einrichtung anzusehen. Denn der Begriff "Einrichtung" i.S.d. Vorschrift umfasst auch natürliche Personen. Die sachbezogenen Voraussetzungen des § 4 Nr. 16 S. 1k UStG 2009 waren erfüllt. Die Klägerin hatte im Streitjahr Leistungen erbracht, die mit dem Betrieb von Einrichtungen zur Betreuung körperlich, geistig oder seelisch hilfsbedürftiger Personen eng verbunden waren. Zwar sind die Befreiungsvorschriften grundsätzlich eng auszulegen, hinsichtlich § 4 Nr. 16 S. 1k UStG 2009 würde eine enge Auslegung aber dazu führen, dass die Befreiungsnorm nur dann eingriffe, wenn bezogen auf den Streitfall der Träger der Sozialhilfe die von der Klägerin im Rahmen der ambulanten Eingliederungshilfe erbrachten Leistungen unmittelbar, d.h. direkt an diese bezahlen würde. In diesem Falle wäre die Norm jedoch unionsrechtswidrig, da sich aus Art. 132 Abs. 1g MwStSystRL eine Steuerbefreiung für die betreffenden Leistungen auch bei mittelbarer Kostentragung ergibt.

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