09.11.2017

Umsatzsteuerfreiheit eines Hausnotrufsystems in einem Altenheim

Ob Betreuungs- oder Pflegekosten in mindestens 40 % der Fälle i.S.v. § 4 Nr. 16k UStG von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder der Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil vergütet wurden, entscheidet sich nach Maßgabe sozialversicherungsrechtlicher Regelungen. Die für die Umsatzsteuerfreiheit von Betreuungsleistungen erforderliche Kostentragung durch die Pflegekasse kann sich beim Betrieb eines Hausnotrufsystems aus der Zuerkennung einer Pflegestufe ergeben.

BFH 3.8.2017, V R 52/16
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine GbR, die seit 2007 eine sog. Seniorenresidenz mit insgesamt 153 Wohnungen betreibt. Diese Wohnungen vermietete die Klägerin an die Bewohner. Die Klägerin war gegenüber den Bewohnern nicht zur Erbringung von Pflegeleistungen verpflichtet. Ein Pflegedienst erbrachte diese Leistungen in eigener Verantwortung gegenüber den Bewohnern. Daneben erbrachte die Klägerin an die Bewohner eine Vielzahl von Serviceleistungen in Bereichen wie Beratung und Information und Freizeitgestaltung im Haus. Leistungen des Hausnotrufsystems und die Betreuungspauschale rechnete die Klägerin unmittelbar gegenüber den Bewohnern ab. Beide Leistungen behandelte sie in den Streitjahren 2009 und 2010 als umsatzsteuerfrei nach § 4 Nr. 16 UStG.

Das Finanzamt war der Ansicht, die Leistungen der Klägerin in den Bereichen Hausnotruf und Betreuung seien steuerpflichtig. Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Voraussetzungen für eine Steuerfreiheit nach § 4 Nr. 16k UStG lägen nicht vor, da die Klägerin keine Aufzeichnungen vorgelegt habe, aus denen sich die volle oder überwiegende Erstattung der Pflege- und Betreuungskosten bei mindestens 40 % der Fälle durch die genannten Kostenträger ergebe. Auf die Revision der Klägerin hob der BFH das Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.

Gründe:
Das FG hatte § 4 Nr. 16k UStG unzutreffend angewandt. Steht fest, dass die Empfänger der durch den Unternehmer erbrachten Leistungen aufgrund der Zuerkennung einer Pflegestufe nach § 15 SGB XI wie beim Betrieb eines Hausnotrufsystems zum Leistungsbezug nach §§ 36 ff. SGB XI berechtigt sind, kann für diese Leistungsempfänger eine Kostentragung durch die Pflegekassen als Sozialversicherungsträger i.S.v. § 4 Nr. 16k UStG unterstellt werden.

Ob Betreuungs- oder Pflegekosten in mindestens 40 % der Fälle i.S.v. § 4 Nr. 16k UStG von den gesetzlichen Trägern der Sozialversicherung oder der Sozialhilfe ganz oder zum überwiegenden Teil vergütet wurden, entscheidet sich nach Maßgabe sozialversicherungsrechtlicher Regelungen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass diese Vorschrift dem leistenden Unternehmer die Anwendung der Steuerfreiheit ermöglichen will und daher unter praktikablen Bedingungen anwendbar sein muss. Dies gilt umso mehr, als die Inanspruchnahme der Steuerfreiheit gerade in den Fällen ermöglicht werden soll, in denen es an unmittelbaren Vertragsbeziehungen zu z.B. Sozialversicherungsträgern, wie nach § 4 Nr. 16b ff. UStG vorausgesetzt, fehlt.

Danach ist - wie das FG zutreffend entschieden hat - § 4 Nr. 16k UStG insbesondere dann anzuwenden, wenn der Unternehmer die Erstattung der Kosten, die seinen Leistungsempfängern aufgrund seiner Leistung entstanden sind, durch Sozialversicherungsträger konkret nachweisen kann. Entgegen dem Urteil des FG kann die in § 4 Nr. 16k UStG vorgesehene Vergütungsbedingung aber auch in anderer Weise nachgewiesen werden. Denn steht z.B. fest, dass die Empfänger der durch den Unternehmer erbrachten Leistungen aufgrund der Zuerkennung einer Pflegestufe nach § 15 SGB XI zum Leistungsbezug nach §§ 36 ff. SGB XI berechtigt sind, kann für diese Leistungsempfänger eine Kostentragung durch die Pflegekassen als Sozialversicherungsträger unterstellt werden, zumal für § 4 Nr. 16k UStG keine ausschließliche Vergütung durch den Sozialversicherungsträger erforderlich ist.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.
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