05.11.2020

Umsatzsteuerliche Behandlung von Einzweck- und Mehrzweck-Gutscheine

Mit BMF-Schreiben v. 2.11.2020 hat die Finanzverwaltung auf das Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 11.4.2018 reagiert und den Umsatzsteuer-Anwendungserlass entsprechend angepasst.

BMF-Schreiben
BMF-Schreiben v. 2.11.2020 - III C 2 -S 7100/19/10001 :002, DOK 2020/1051603

UStG § 3 Abs. 13 - 15

Der Europäische Rat hat am 27. Juni 2016 die Richtlinie (EU) 2016/1065 zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG (MwStSystRL) hinsichtlich der Behandlung von Gutscheinen verab-schiedet (ABl. L 177 vom 1. Juli 2016, S. 9). Mit der Gutschein-Richtlinie werden spezielle Vorschriften für die umsatzsteuerliche Behandlung von Gutscheinen in die MwStSystRL eingefügt.

Gutscheine nehmen im stationären Handel -wie im Online-Vertrieb - eine bedeutende Position ein. Mit den neuen Vorschriften soll zukünftig eine einheitliche steuerliche Behandlung von im Binnenmarkt gehandelten Gutscheinen gewährleistet werden. Die Gutschein-Richtlinie soll insbesondere der Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen sowie der Vermeidung der Doppel- oder Nichtbesteuerung dienen. Diese Vorschriften sollen aber nur Gutscheine betreffen, die zur Einlösung gegen Gegenstände oder Dienstleistungen verwendet werden können.

Bei Gutscheinen wurde bisher im Umsatzsteuerrecht zwischen Wertgutscheinen und Waren-oder Sachgutscheinen unterschieden. Während Wertgutscheine über einen bestimmten Nennbetrag bei dem ausstellenden Händler gegen eine beliebige Ware oder Dienstleistung einge-tauscht werden konnten, bezogen sich Waren-oder Sachgutscheine auf eine konkret bezeich-nete Ware oder Dienstleistung. Die Ausgabe eines Wertgutscheins wurde lediglich als Tausch von Zahlungsmitteln behandelt und stellte selbst keine Leistung im umsatzsteuerlichen Sinne dar. Die Umsatzsteuer entstand erst im Fall der Einlösung des Wertgutscheins und damit bei Ausführung des konkreten Umsatzes. Bei Waren- oder Sachgutscheinen ist der Bezug zu der im Gutschein bezeichneten Leistung bereits bei Ausgabe des Gutscheins gegeben. Daher stellte der bei Erwerb eines Warengutscheins gezahlte Betrag eine Anzahlung auf die bezeichnete Leistung dar, die der Anzahlungsbesteuerung nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a Satz 4 UStG unterlag.

Mit Gesetz vom 11. 4. 2018 (BGBl. I 2018, 2338) wurden die Artikel 30a, 30b sowie 73a MwStSyStRL durch die Einführung des § 3 Abs. 13 bis 15 UStG mit Wirkung zum 1. Januar 2019 in nationales Recht umgesetzt. Entscheidendes Abgrenzungsmerkmal ist, ob bei dem Gutschein die Verpflichtung besteht, ihn als Gegenleistung -ganz oder teilweise anstelle einer regulären Zahlung - für eine Lieferung von Gegenständen oder eine Erbringung von sonstigen Leistungen anzunehmen. Das Gesetz sieht ebenso wie die Gutschein-Richtlinie per Definition Einzweck- und Mehrzweck-Gutscheine vor.

Insbesondere die Gutscheine, die den Inhaber nur zu einem Preisnachlass oder einer Preiserstattung (vgl. Abschnitt 17.2 UStAE) berechtigen, aber nicht das Recht verleihen, solche Gegenstände oder Dienstleistungen zu erhalten, sind von den neuen Regelungen nicht betroffen. Briefmarken, Fahrscheine, Eintrittskarten für Kinos und Museen sowie vergleichbare Instrumente fallen ebenfalls nicht in den Anwendungsbereich des § 3 Abs. 14 und 15 UStG, da in diesen Fällen bereits über die bloße Annahmeverpflichtung hinausgehende Ansprüche bestehen und es sich hierbei vorrangig um Zahlungsnachweise handelt.

Der Umsatzsteuer - Anwendungserlass wurde an die neue Rechtslage angepasst, in dem Abschnitt 3.17 und Abschnitt 10.7 Abs.7 neu eingefügt und Abschnitt 14.5 Absatz 15 und Abschnitt 17.2 Abs. 4 entsprechend geändert wurden.

Die Grundsätze dieses Schreibens sind erstmals auf Gutscheine anzuwenden, die nach dem 31. Dezember 2018 ausgestellt werden. Dabei beanstandet es die Finanzverwaltung - auch für Zwecke des Vorsteuerabzugs - nicht, wenn ab dem 1. Januar 2019 und vor dem 2. Februar 2021 ausgestellte Gutscheine von den Beteiligten nicht entsprechend den Vorgaben dieses BMF-Schreibens behandelt worden sind.
BMF online
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