05.09.2019

Umsatzsteuerpflicht für Gutachtertätigkeit im Auftrag des MDK zweifelhaft

Es ist zweifelhaft, ob die nach nationalem Recht bestehende Umsatzsteuerpflicht für Gutachten, die eine Krankenschwester zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit im Auftrag des Medizinischen Diensts der Krankenversicherung (MDK) erbringt, mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112/EG definiert nicht, was unter den Begriff "eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit" verbundenen Umsätzen zu fassen ist.

BFH v. 10.4.2019 - XI R 11/17
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine Krankenschwester mit medizinischer Grundausbildung und akademischer Ausbildung im Bereich der Pflegewissenschaft sowie einer Weiterbildung in Pflege-Qualitätsmanagement. Zu ihrem Unternehmen gehörte auch eine steuerpflichtige Unterrichtstätigkeit als Lehrerin für Pflege. In den Streitjahren 2012 bis 2014 hatte sie für den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) Niedersachsen (Auftraggeber) Gutachten zur Pflegebedürftigkeit von Patienten erstellt. Die Leistungen rechnete der MDK monatlich ab, wobei er keine Umsatzsteuer auswies. Die Umsätze aus der Gutachtertätigkeit erklärte die Klägerin als steuerfrei, nahm jedoch den Vorsteuerabzug aus allen Eingangsleistungen ungekürzt in Anspruch.

Nach Auffassung des Finanzamts war diese Tätigkeit weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht umsatzsteuerfrei. Das FG gab der Klage zum überwiegenden Teil statt. Es führte im Wesentlichen aus, die Erstellung von Pflegegutachten sei als "eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Leistung" unter unmittelbarer Berufung auf das Unionsrecht steuerfrei. Auf die Revision des Finanzamtes hat der BFH das Verfahren ausgesetzt und den EuGH um Klärung gebeten, ob die Tätigkeit der Klägerin dem Anwendungsbereich des Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (Richtlinie 2006/112/EG) unterfällt?

Gründe:
Der Senat hat Zweifel, ob die nach nationalem Recht bestehende Umsatzsteuerpflicht für Gutachten, die eine Krankenschwester zur Feststellung der Pflegebedürftigkeit im Auftrag des MDK erbringt, mit dem Unionsrecht vereinbar ist.

Nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. g der Richtlinie 2006/112/EG sind eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundene Dienstleistungen und Lieferungen von Gegenständen, einschließlich derjenigen, die durch Altenheime, Einrichtungen des öffentlichen Rechts oder andere von dem betreffenden Mitgliedstaat als Einrichtungen mit sozialem Charakter anerkannte Einrichtungen bewirkt werden, steuerfrei. Die Vorschrift definiert allerdings nicht, was unter den Begriff "eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit" verbundenen Umsätzen zu fassen ist.

Da die Leistungsgewährung der Pflegekasse zur Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit gehört und die Leistung der Klägerin der Vorbereitung dieser Leistungsgewährung dient, soll mit dem Vorabentscheidungsersuchen zunächst geklärt werden, ob die Gutachtertätigkeit ein eng mit der Sozialfürsorge und der sozialen Sicherheit verbundener Umsatz ist, auch wenn sie nicht gegenüber dem Hilfsbedürftigen, sondern an eine Person erbracht wird, die sie benötigt, um seine eigene Leistung an den Patienten oder Hilfsbedürftigen zu erbringen. Ist dies zu bejahen, wird weiter zu klären sein, welche Anforderungen an die unternehmerbezogene Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter zu stellen sind, die der Senat nach der Richtlinie als für die Steuerfreiheit erforderlich ansieht. Diese könnte aus der Stellung als Subunternehmer, aus einer pauschalen Übernahme der Kosten durch Kranken- und Pflegekassen oder aus Vertragsbeziehungen abzuleiten sein.

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BFH PM Nr. 56 vom 5.9.2019
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