Unentgeltliche Wärmelieferungen aus unternehmerischen Gründen an andere Unternehmer für deren unternehmerische Tätigkeit
Kurzbesprechung
BFH v. 4.9.2024 - XI R 15/24 (XI R 17/20)
EGRL 112/2006 Art 16 S 1, 112/2006 Art 74
UStG § 3 Abs 1b S 1, § 3 Abs 1b S 2, § 10 Abs 4, § 15 Abs 4,
AO § 162
Nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG, der auf Art. 16 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) beruht, werden einer Lieferung gegen Entgelt unter anderem gleichgestellt die unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands. Voraussetzung ist, dass der Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben (§ 3 Abs. 1b Satz 2 UStG).
Wird ‑ wie im Streitfall ‑ Wärme unentgeltlich an andere Unternehmer für deren Unternehmen (wirtschaftliche Tätigkeit) abgegeben, handelt es sich nach Auffassung des EuGH um eine unentgeltliche Zuwendung im Sinne dieser Vorschriften beziehungsweise Bestimmungen. Als Bemessungsgrundlage dieser Umsätze sind die Selbstkosten anzusetzen, da kein Einkaufspreis existiert.
Gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG wird der Umsatz bei Lieferungen im Sinne des § 3 Abs. 1b UStG nach dem Einkaufspreis zuzüglich der Nebenkosten für den Gegenstand oder für einen gleichartigen Gegenstand oder mangels eines Einkaufspreises nach den Selbstkosten, jeweils zum Zeitpunkt des Umsatzes, bemessen. Unionsrechtlich beruht § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG auf Art. 74 MwStSystRL. Bemessungsgrundlage ist danach der Einkaufspreis für den entnommenen oder einen gleichartigen Gegenstand, hilfsweise der Selbstkostenpreis.
Sowohl der EuGH als auch der BFH setzen auch bei selbst hergestellten Wirtschaftsgütern den Einkaufspreis, gegebenenfalls einen fiktiven Einkaufspreis an, sofern ein solcher am Markt zu ermitteln ist. Die Selbstkosten sind daher nur dann als Bemessungsgrundlage anzusetzen, wenn ein Einkaufspreis für den entnommenen oder für einen gleichartigen Gegenstand am Markt nicht zu ermitteln ist.
Im Streitfall war die Entscheidung des FG, dass kein Einkaufspreis am Markt für einen gleichartigen Gegenstand ermittelt werden könne, weil die Steuerpflichtige nicht an ein Fernwärmenetz angeschlossen ist, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden; denn von einem Fernwärmeversorger produzierte und angebotene Fernwärme kann nur dann als "gleichartiger Gegenstand" im Sinne der Vorschrift angesehen werden, wenn sie für den jeweiligen Verbraucher (im Streitfall: die Steuerpflichtige) zum Zeitpunkt des Umsatzes grundsätzlich ebenso erreichbar und einsetzbar ist wie die selbst erzeugte Wärme. Eine Anbindung an ein Fernwärmenetz ist Voraussetzung für den Ansatz eines (fiktiven) Einkaufspreises.
Existiert kein (fiktiver) Einkaufspreis, sind Bemessungsgrundlage für die unentgeltlichen Wärmeumsätze die darauf entfallenden Selbstkosten für die Errichtung und den Betrieb des BHKW.
Die Aufteilung der Selbstkosten auf Strom und Wärme ist nach der Marktwertmethode vorzunehmen. § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG enthält keine ausdrückliche Aufteilungsregelung für Selbstkosten, die gleichermaßen für die entgeltliche Lieferung (von Strom) und die unentgeltliche Zuwendung (von Wärme) anfallen. Für die gleichwohl erforderliche Aufteilung kann der Rechtsgedanke des § 15 Abs. 4 UStG heranzuziehen sein. Dies hat die Rechtsprechung später dahingehend weiter präzisiert, dass sie die von der Finanzverwaltung angewendete, ausschließlich energetische Methode als nicht sachgerecht verworfen hat und stattdessen eine zweistufige, ausschließlich umsatzbezogene Schätzung (ohne Berücksichtigung der nicht genutzten Wärme) als sachgerecht angesehen hat. Auf der Grundlage dieser Schätzungsmethode war die Schätzung des FG revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Auch die Berechnung der Selbstkosten erfolgte zutreffend. Das FG hatte als Selbstkosten auch nicht unmittelbar mit der Herstellung oder Erzeugung zusammenhängende Kosten berücksichtigt, die nicht mit Vorsteuer belastet sind (zum Beispiel Finanzierungskosten).Dies hat der EuGH als unionsrechtlich zutreffend bestätigt.
Verlag Dr. Otto Schmidt
EGRL 112/2006 Art 16 S 1, 112/2006 Art 74
UStG § 3 Abs 1b S 1, § 3 Abs 1b S 2, § 10 Abs 4, § 15 Abs 4,
AO § 162
Nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 3 UStG, der auf Art. 16 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) beruht, werden einer Lieferung gegen Entgelt unter anderem gleichgestellt die unentgeltliche Zuwendung eines Gegenstands. Voraussetzung ist, dass der Gegenstand oder seine Bestandteile zum vollen oder teilweisen Vorsteuerabzug berechtigt haben (§ 3 Abs. 1b Satz 2 UStG).
Wird ‑ wie im Streitfall ‑ Wärme unentgeltlich an andere Unternehmer für deren Unternehmen (wirtschaftliche Tätigkeit) abgegeben, handelt es sich nach Auffassung des EuGH um eine unentgeltliche Zuwendung im Sinne dieser Vorschriften beziehungsweise Bestimmungen. Als Bemessungsgrundlage dieser Umsätze sind die Selbstkosten anzusetzen, da kein Einkaufspreis existiert.
Gemäß § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG wird der Umsatz bei Lieferungen im Sinne des § 3 Abs. 1b UStG nach dem Einkaufspreis zuzüglich der Nebenkosten für den Gegenstand oder für einen gleichartigen Gegenstand oder mangels eines Einkaufspreises nach den Selbstkosten, jeweils zum Zeitpunkt des Umsatzes, bemessen. Unionsrechtlich beruht § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG auf Art. 74 MwStSystRL. Bemessungsgrundlage ist danach der Einkaufspreis für den entnommenen oder einen gleichartigen Gegenstand, hilfsweise der Selbstkostenpreis.
Sowohl der EuGH als auch der BFH setzen auch bei selbst hergestellten Wirtschaftsgütern den Einkaufspreis, gegebenenfalls einen fiktiven Einkaufspreis an, sofern ein solcher am Markt zu ermitteln ist. Die Selbstkosten sind daher nur dann als Bemessungsgrundlage anzusetzen, wenn ein Einkaufspreis für den entnommenen oder für einen gleichartigen Gegenstand am Markt nicht zu ermitteln ist.
Im Streitfall war die Entscheidung des FG, dass kein Einkaufspreis am Markt für einen gleichartigen Gegenstand ermittelt werden könne, weil die Steuerpflichtige nicht an ein Fernwärmenetz angeschlossen ist, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden; denn von einem Fernwärmeversorger produzierte und angebotene Fernwärme kann nur dann als "gleichartiger Gegenstand" im Sinne der Vorschrift angesehen werden, wenn sie für den jeweiligen Verbraucher (im Streitfall: die Steuerpflichtige) zum Zeitpunkt des Umsatzes grundsätzlich ebenso erreichbar und einsetzbar ist wie die selbst erzeugte Wärme. Eine Anbindung an ein Fernwärmenetz ist Voraussetzung für den Ansatz eines (fiktiven) Einkaufspreises.
Existiert kein (fiktiver) Einkaufspreis, sind Bemessungsgrundlage für die unentgeltlichen Wärmeumsätze die darauf entfallenden Selbstkosten für die Errichtung und den Betrieb des BHKW.
Die Aufteilung der Selbstkosten auf Strom und Wärme ist nach der Marktwertmethode vorzunehmen. § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG enthält keine ausdrückliche Aufteilungsregelung für Selbstkosten, die gleichermaßen für die entgeltliche Lieferung (von Strom) und die unentgeltliche Zuwendung (von Wärme) anfallen. Für die gleichwohl erforderliche Aufteilung kann der Rechtsgedanke des § 15 Abs. 4 UStG heranzuziehen sein. Dies hat die Rechtsprechung später dahingehend weiter präzisiert, dass sie die von der Finanzverwaltung angewendete, ausschließlich energetische Methode als nicht sachgerecht verworfen hat und stattdessen eine zweistufige, ausschließlich umsatzbezogene Schätzung (ohne Berücksichtigung der nicht genutzten Wärme) als sachgerecht angesehen hat. Auf der Grundlage dieser Schätzungsmethode war die Schätzung des FG revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Auch die Berechnung der Selbstkosten erfolgte zutreffend. Das FG hatte als Selbstkosten auch nicht unmittelbar mit der Herstellung oder Erzeugung zusammenhängende Kosten berücksichtigt, die nicht mit Vorsteuer belastet sind (zum Beispiel Finanzierungskosten).Dies hat der EuGH als unionsrechtlich zutreffend bestätigt.