07.04.2022

Unterhaltsaufwendungen an in Deutschland geduldete Angehörige

Unterhaltsleistungen an in Deutschland (lediglich) geduldete (= Aussetzung der Abschiebung), nicht unterhaltsberechtigte Angehörige sind weder nach § 33a EStG noch nach § 33 EStG als außergewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen. Dies gilt auch dann, wenn sich der Steuerpflichtige gemäß § 68 AufenthG gegenüber der Ausländerbehörde/Auslandsvertretung verpflichtet hat, die Kosten für den Lebensunterhalt seiner Angehörigen zu tragen.

Kurzbesprechung
BFH v. 2. 12. 2021 - VI R 40/19

EStG § 33, § 33a
AufenthG § 23, § 60a, § 68
GG Art 3 Abs 1


Streitig war, ob Unterhaltsaufwendungen an aus der Ukraine hinzugezogene und nach Ausländerrecht geduldete Angehörige nach den Regularien der §§ 33, 33a EStG steuermindernd geltend gemacht werden können.

Die von § 33a Abs. 1 Satz 1 EStG vorausgesetzte gesetzliche Unterhaltsberechtigung richtet sich nach dem Zivilrecht. Gesetzlich unterhaltsberechtigt sind damit diejenigen Personen, denen gegenüber der Steuerpflichtige nach dem BGB unterhaltsverpflichtet ist. Dies sind nach § 1601 BGB Verwandte in gerader Linie i.S. des § 1589 Satz 1 BGB, wie z.B. Kinder, Enkel, Eltern und Großeltern, nicht hingegen Verwandte in der Seitenlinie.

Der gesetzlich unterhaltsberechtigten Person gleichgestellt ist eine Person, wenn bei ihr zum Unterhalt bestimmte inländische öffentliche Mittel mit Rücksicht auf die Unterhaltsleistungen des Steuerpflichtigen gekürzt werden (§ 33a Abs. 1 Satz 3 EStG). Hierzu reicht eine Verpflichtungserklärung, die der Steuerpflichtige nach § 68 AufenthG abgegeben hatte, um der Schwester der Steuerpflichtigen sowie deren Ehemann und Tochter die Einreise nach Deutschland zu ermöglichen, nicht aus. Denn einen gesetzlichen (zivilrechtlichen) Unterhaltsanspruch der vorgenannten Personen gegenüber den Steuerpflichtigen vermag eine solche Verpflichtungserklärung nicht zu begründen.

Durch eine Verpflichtungserklärung nach § 68 AufenthG werden keine unmittelbaren Ansprüche des Ausländers gegen den Verpflichteten begründet. Der Anspruch nach § 68 AufenthG ist vielmehr als öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch der Ausländerbehörde ausgestaltet. Die Schwester der Steuerpflichtigen, ihr Ehemann und deren Tochter verfügten im Streitjahr nicht über eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 23 AufenthG (Aufenthaltsgewährung durch die obersten Landesbehörden; Aufnahme bei besonders gelagerten politischen Interessen; Neuansiedlung von Schutzsuchenden), sondern zu Beginn ihres Aufenthalts über ein Schengen-Visum und später (lediglich) über eine Duldung gemäß § 60a AufenthG (vorübergehende Aussetzung der Abschiebung).

Die am Aufenthaltsstatus ausgerichtete unterschiedliche steuerliche Behandlung von Unterhaltszahlungen durch die Finanzbehörden stellt keinen Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG) dar.

Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Er gilt für ungleiche Belastungen wie auch für ungleiche Begünstigungen. Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz ergeben sich je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengeren Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen.

Gemessen hieran ist die unterschiedliche Behandlung von Unterhaltszahlungen an Unterhaltsempfänger, die über eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 23 AufenthG und solche, die (lediglich) über eine Duldung gemäß § 60a AufenthG oder ein Schengen-Visum verfügen, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Denn es handelt sich insoweit um unterschiedliche Sachverhalte.

Eine Berücksichtigung der von den Steuerpflichtigen geltend gemachten Aufwendungen nach § 33 EStG kommt ebenfalls nicht in Betracht. Dies gilt auch bei Annahme einer sittlichen Verpflichtung der Steuerpflichtigen, die Schwester der Steuerpflichtigen sowie deren Ehemann und Tochter zu unterhalten. Denn für die Fallgruppe der ‑‑wie im Streitfall‑‑ typischen Unterhaltsaufwendungen (hier für Wohnung, Lebensmittel und Versicherungen) enthält § 33a Abs. 4 EStG eine abschließende Regelung, die einen Rückgriff auf § 33 EStG ausschließt.
Verlag Dr. Otto Schmidt
Zurück