02.09.2020

Unzulässigkeit der im Fall einer Zusammenveranlagung nur von einem Ehegatten erhobenen Klage

Aus Sicht des Senats ist höchstrichterlich nicht hinreichend geklärt, ob bei gezahlter Steuer (und begehrter Erstattung) die Klage nur eines Ehegatten mangels Klagebefugnis und/oder allgemeinem Rechtsschutzbedürfnis durch Prozessurteil als unzulässig abzuweisen ist. Infolgedessen wurde die Revision zum BFH zugelassen.

FG Köln v. 23.4.2020 - 15 K 1151/19
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Steuerberater und erzielte in den Streitjahren 2013 bis 2016 Einkünfte aus selbständiger Arbeit, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung sowie Renteneinkünfte. Die Ehefrau erzielte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Form von Versorgungsbezügen. Wegen Nichtabgabe der Einkommensteuererklärung 2013 wurden für den Kläger und seine Ehefrau mit Bescheid vom 1.9.2016 die Besteuerungsgrundlagen unter Anwendung des Splittingtarifs (Zusammenveranlagung) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (VdN; § 164 AO) geschätzt. Die festgesetzte Einkommensteuer betrug 26.235 €; die Zahllast nach der Anrechnung von Lohnsteuer und Abrechnung von Vorauszahlungen betrug 16.877 €. Mit Bescheid vom 23.3.2017 wurde der Vorbehalt der Nachprüfung aufgehoben. Ähnlich verhielt es sich mit den Einkommensteuererklärungen 2014 bis 2016.

Nach diverser Korrespondenz zu den Einsprüchen gegen die Einkommensteuerbescheide 2013 bis 2016 erließ das Finanzamt gegenüber dem Kläger und seiner Ehefrau (in der Einspruchsentscheidung beide als "Einspruchsführer" bezeichnet) als Inhaltsadressaten, bekanntgegeben an den Bevollmächtigten des Klägers und seiner Ehefrau als Bekanntgabeadressaten, unter dem 1.4.2019 eine Einspruchsentscheidung für alle Streitjahre, in der die Einsprüche als unbegründet zurückgewiesen wurden. In materieller Hinsicht wurde ein nicht hinreichender Nachweis darüber bemängelt, ob es sich bei den Zahlungen der schweizerischen Gesellschaft um eine Einlagenrückgewähr i.S.d. § 27 KStG handele. Die Einspruchsentscheidung wurde dem Bevollmächtigten (StB W) am 4.4.2019 mit Zustellungsurkunde zugestellt.

Am 6.5.2019 (Montag; letzter Tag der Klagefrist) ging eine fristgerechte Klage bei Gericht ein. Die Klageschrift beginnt mit "Klage des C (Kläger)" und führt im Fließtext aus, dass "Namens und in Vollmacht des Klägers" Klage gegen die Einspruchsentscheidung erhoben werde. Bescheide, die Einspruchsentscheidung oder eine Vollmacht waren der Klage nicht beigefügt. Auf telefonische Nachfrage der Zentralen Eingangsgeschäftsstelle (ZEG) des Gerichts wurde die Anschrift des Klägers vom Bevollmächtigtenbüro mitgeteilt und ferner angegeben, dass Streitgegenstand "Einkommensteuer" sei.

Mit Schreiben vom 5.6.2019 wies der Berichterstatter des Verfahrens darauf hin, dass im Rubrum derzeit nur eine Klage des Ehemannes erfasst worden sei und die Klageerhebung ausdrücklich nur unter Nennung des Namens des Ehemannes erhoben worden sei. Nunmehr würden beide Eheleute vom Bevollmächtigten als Kläger bezeichnet und eine nun vorgelegte Vollmacht sei von beiden unterschrieben. Es wurde Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben, auf Auswirkungen einer etwaigen eingetretenen Bestandskraft bei der Ehefrau auf das Klageverfahren des Klägers hingewiesen und angefragt, ob offene Steuerforderungen bestünden, Aussetzung der Vollziehung gewährt worden sei oder ein Aufteilungsbescheid beantragt oder erteilt worden sei. In der Folgezeit thematisierten die Beteiligten ein Ruhen des Verfahrens wegen eines anhängigen BFH-Verfahrens zu einer dem Streitfall vergleichbaren materiell-rechtlichen Frage. Mit Schreiben vom 4.7.2019 wies der Berichterstatter darauf hin, dass ein Ruhen des Verfahrens nachrangig zur vorrangig zu klärenden Frage der Auswirkung einer nur von einem Ehegatten erhobenen Klage sei.

Mit Schriftsatz vom 11.9.2019 teilte der Bevollmächtigte mit, die Klage werde ausschließlich von Herrn C geführt. Die Streitsache betreffe nur seine Einkünfte, nicht die Einkünfte seiner Ehefrau. Die streitigen Steuern seien bezahlt, ein AdV-Antrag sei nicht gestellt. Nähere Ausführungen zur Zulässigkeit der Klage wurden nicht gemacht. In der Sache begehrte der Kläger eine Verminderung der Einkünfte aus Kapitalvermögen um Auszahlungsbeträge, die nach seiner Auffassung Rückzahlungen aus einer Kapitalrücklage darstellen.

Das FG wies die Klage als unzulässig ab. Allerdings wurde die Revision zum BFH zugelassen.

Die Gründe:
Dem Kläger fehlt die Klagebefugnis (als spezieller Ausprägung des Rechtsschutzbedürfnisses) für eine auf eine Verminderung der Einkommensteuer gerichteten Klage.

Gegenüber dem Kläger und seiner Ehefrau sind wirksame Einkommensteuerfestsetzungen 2013 bis 2016 ergangen; die festgesetzten Steuern schulden beide als Gesamtschuldner. Der Kläger und seine Ehefrau haben sodann - unstreitig - beide die jeweiligen Einkommensteuerfestsetzungen angefochten. Die (nach Teilabhilfe wegen anderer Punkte verbleibenden) Einsprüche wurden mit Einspruchsentscheidung vom 1.4.2018 als unbegründet zurückgewiesen. Da gegen diese Einspruchsentscheidung jedoch nur der Ehemann Klage erhoben hat, ist bezüglich der Ehefrau Bestandskraft eingetreten.

Die mangels einer fristgerechten, von der Ehefrau erhobenen Klage, bei der Ehefrau eingetretene Bestandskraft der Einkommensteuerfestsetzungen 2013 bis 2016 (jeweils in Gestalt der zuletzt erlassenen Änderungsbescheide) führt dazu, dass der Kläger die festgesetzte Steuer als Gesamtschuldner (mit-)schuldet und selbst bei einer Veränderung der Besteuerungsgrundlagen zu seinen Gunsten kein (weiteres) Guthaben (zur Auszahlung, Verrechnung o.ä.) mehr erlangen kann. Die Gesamtschuldnerschaft folgt dabei aus § 44 Abs. 1 AO i.V.m. den Vorschriften zur einkommensteuerlichen Zusammenveranlagung. Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten ist es unerheblich, dass es sich bei den streitigen Einkünften um solche des Klägers handelt.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Regelung in § 26b EStG, wonach die Eheleute "sodann gemeinsam als Steuerpflichtiger" behandelt werden. Die Regelung dient nach Überzeugung des Senats nach ihrer systematischen Stellung dazu, die Eheleute für einkommensteuerliche (d.h. materiell-rechtliche) Zwecke als einen Steuerpflichtigen zu behandeln und auf ein ermitteltes Gesamteinkommen den Einkommensteuertarif (dort als Splittingtarif) anzuwenden. Verfahrensrechtlich sind und bleiben die Eheleute aber eigenständige Beteiligte mit getrennten Handlungsmöglichkeiten. Dies zeigt sich verfahrensrechtlich insbesondere daran, dass die Abgabenordnung in §§ 268 ff. AO ein (aus verfassungsrechtlichen Gründen gebotenes) Verfahren zur Aufteilung einer Gesamtschuld vorsieht und in diesem Verfahren die Gesamtschuldner (hier: Eheleute) gerade eigenständige Antragsmöglichkeiten haben. Der Anwendungsbereich des § 26b EStG ist dadurch nach Überzeugung des Senats auf eine notwendige materiell-rechtliche (einkommensteuerrechtliche) Zusammenfassung der Eheleute zwecks Gewährung des "Splittingvorteils" begrenzt, verändert aber nicht die verfahrensrechtliche Situation.

Die fehlende Möglichkeit einer Erstattung der festgesetzten angefochtenen Steuer nimmt dem Kläger die Klagebefugnis und führt zur Unzulässigkeit der Klage. Allerdings ist aus Sicht des Senats höchstrichterlich nicht hinreichend geklärt, ob bei gezahlter Steuer (und begehrter Erstattung) die Klage nur eines Ehegatten mangels Klagebefugnis und/oder allgemeinem Rechtsschutzbedürfnis durch Prozessurteil als unzulässig abzuweisen ist. Infolgedessen wurde die Revision zum BFH zugelassen.
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