Veräußerung eines Liebhabereibetriebs kann durchaus steuerpflichtig sein
BFH 11.5.2016, X R 15/15Die Klägerin und E. betrieben seit 1983 ein Hotel als GbR, an der sie jeweils zu 50 % beteiligt waren. Der E. verstarb im Streitjahr 2008. Die GbR erwirtschaftete von Beginn bis einschließlich 1999 einen Verlust von insgesamt rund 13,6 Mio. DM. Beide hatten den Betrieb nur fortgeführt, weil sie an die Stadt, der sie das Hotelgrundstück abgekauft hatten, eine Entschädigungszahlung von mehr als 2 Mio. DM hätten leisten müssen, wenn sie den Hotelbetrieb vorher eingestellt hätten.
Die Klägerin und E. waren 2001 mit dem Finanzamt im Wege einer tatsächlichen Verständigung übereingekommen, dass der Hotelbetrieb vom Veranlagungszeitraum 1994 an als Liebhabereibetrieb zu qualifizieren sei. Mit Bescheid gem. § 8 VO zu § 180 Abs. 2 AO über die gesonderte und einheitliche Feststellung der in einem Betrieb beim Übergang zur Liebhaberei ruhenden stillen Reserven stellte die Behörde entsprechend die stillen Reserven für die Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens insgesamt auf rund 2,9 Mio. DM fest. Ab 1994 wurden keine einheitlichen und gesonderten Feststellungen der Einkünfte aus dem Hotelbetrieb mehr vorgenommen. Im Jahre 1999, mithin während der Liebhabereiphase, errichtete die GbR noch einen Saalanbau.
Im August 2008 veräußerte die Klägerin das Hotel für rund 1,8 Mio. €. Nach Vortrag der Klägerin handelte es sich um einen Notverkauf wegen Überschuldung auf Veranlassung der Hausbank. In der Einkommensteuererklärung 2008 machte die Klägerin bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb einen Veräußerungsverlust i.H.v. 911.311 € geltend. Zur Berechnung ordnete sie den Veräußerungserlös zu einem Teilbetrag von 912.050 € der Altsubstanz (unter Ausschluss des Saalanbaus) zu und zog u.a. die dem Feststellungsbescheid aus Dezember 1993 zugrundeliegenden stillen Reserven von 7.539 € für geringwertige Wirtschaftsgüter ab.
Das Finanzamt korrigierte diesen Betrag durch Addition der festgestellten stillen Reserven für das Hotelgrundstück i.H.v. rund 1,4 Mio. €, kam so auf einen gewerblichen Veräußerungsgewinn von 581.186 € und setzte die Einkommensteuer 2008 unter Anwendung von § 34 Abs. 1 EStG auf 332.488 € fest. Die Klägerin war der Ansicht, dass die festgestellten stillen Reserven nur zu versteuern seien, wenn es tatsächlich zu einer Gewinnrealisierung komme, wenn also der Kaufpreis höher als der damalige Buchwert gewesen wäre, woran es allerdings gefehlt hätte.
Die Klage blieb vor dem FG und dem BFH erfolglos.
Gründe:
Die auf Ende 1993 bei Übergang vom Gewerbebetrieb zur Liebhaberei festgestellten stillen Reserven waren vorbehaltlich der Veräußerungskosten im Jahr 2008 als Veräußerungsgewinn nach § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG zu versteuern. Da das Finanzamt einen geringeren Gewinn der Besteuerung zugrunde gelegt hatte, hat das FG im Ergebnis zu Recht in Anwendung des Verböserungsverbots aus § 96 Abs. 1 S. 2 FGO i.V.m. Art. 19 Abs. 4 GG die Klage abgewiesen.
Allein der Übergang von einem Gewerbebetrieb zur einkommensteuerlich unbeachtlichen Liebhaberei stellt nach ständiger BFH-Rechtsprechung noch keine Betriebsaufgabe dar. Die Veräußerung oder Aufgabe eines Liebhabereibetriebs ist vielmehr eine Betriebsveräußerung oder -aufgabe nach § 16 Abs. 1, Abs. 3 EStG und der Veräußerungs- oder Aufgabegewinn hieraus ist steuerpflichtig, soweit er auf die einkommensteuerlich relevante Phase des Betriebs entfällt.
Der steuerpflichtige Teil des Gewinns ist im Jahr der Veräußerung oder Aufgabe zu versteuern. Er entspricht der Höhe nach im Grundsatz den nach § 8 der VO zu § 180 Abs. 2 AO auf den Zeitpunkt des Übergangs zur Liebhaberei gesondert festgestellten stillen Reserven. Eine negative Wertentwicklung während der Liebhabereiphase berührt die Steuerpflicht des auf die einkommensteuerlich relevante Phase entfallenden Gewinnanteils nicht. Die Veräußerung eines Liebhabereibetriebs kann daher auch dann zu einem steuerpflichtigen Gewinn führen, wenn der erzielte Erlös die festgestellten stillen Reserven nicht erreicht.
Infolgedessen löste auch im vorliegenden Fall der Übergang vom Gewerbebetrieb nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG zur einkommensteuerlich unbeachtlichen Liebhaberei zum Jahreswechsel 1993/1994 noch keinen steuerpflichtigen Veräußerungs- oder Aufgabegewinn aus. Folgerichtig hatte (erst) die Veräußerung des Hotelbetriebs im Jahr 2008 nach § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG zu einem dem Grunde nach bei der Klägerin als Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu erfassenden steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn geführt. Der steuerpflichtige Teil des Veräußerungsgewinns entsprach den auf Ende 1993 festgestellten stillen Reserven.
Linkhinweis:
- Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.
- Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.