22.03.2018

Veräußerung eines unentgeltlich bestellten Erbbaurechts kein privates Veräußerungsgeschäft

Erbbauzinsen sind keine Anschaffungskosten i.S.d. § 255 Abs. 1 HGB für den Erwerb des Erbbaurechts, sondern Entgelt für die Nutzung des erbbaurechtsbelasteten Grundstücks. Zwischen einem unbebauten Grundstück und einem nachfolgend für dieses Grundstück unentgeltlich bestellten Erbbaurecht besteht keine - auch keine partielle - Identität i.S.d. Rechtsprechung zum Erfordernis der Nämlichkeit von angeschafftem und innerhalb der Haltefrist veräußertem Wirtschaftsgut.

BFH 8.11.2017, IX R 25/15
Der Sachverhalt:
Streitig ist, ob die Klägerin mit der Veräußerung eines Erbbaurechts - einschließlich eines von ihr als Erbbauberechtigte errichteten Gebäudes - den Tatbestand eines privaten Veräußerungsgeschäftes i.S.d. §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG erfüllt hat.

Die Klägerin wurde im Streitjahr 2005 mit ihrem Ehemann, dem Insolvenzschuldner, zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Im April 1999 erwarb die A-GbR, deren Gesellschafter der Insolvenzschuldner und X waren, ein unbebautes Grundstück, welches vormals dem X zu Alleineigentum gehörte. Mit Erbbaurechtsvertrag gleichen Datums bestellte die A-GbR der Klägerin an einer Teilfläche des Grundstücks ein Erbbaurecht mit einer Laufzeit von 20 Jahren, beginnend ab Grundbucheintrag. Besitz, Nutzen und Lasten an der Teilfläche gingen am 1.6.1999 auf die Klägerin über. Nach den vertraglichen Regelungen schuldete die Klägerin einen mtl. Erbbauzins i.H.v. 3.000 DM; außerdem hatte sie u.a. die Vertragskosten, die Kosten des Vollzugs der Urkunde und die Grunderwerbsteuer zu tragen. Noch im Jahr 1999 errichtete die Klägerin auf der mit dem Erbbaurecht belasteten Teilfläche des Grundstücks ein Gebäude zum Betrieb eines Restaurants. Anschließend vermietete sie das Objekt an eine GmbH.

Im Februar 2005 veräußerten der Insolvenzschuldner, der Gesellschafter X und die Klägerin den gesamten Grundbesitz zum Kaufpreis von rd. 1,8 Mio. €, wovon rd. 1,5 Mio. € auf das Erbbaurecht mit dem aufstehenden Gebäude und 300.000 € auf das Grundstück entfielen. Das Erbbaurecht der Klägerin wurde im Zuge der Abwicklung des Kaufvertrages gelöscht. Das Finanzamt vertrat die Auffassung, mit dem Abschluss des Vertrages über den Verkauf des Erbbaurechts habe die Klägerin den Tatbestand eines privaten Veräußerungsgeschäfts i.S.d. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG erfüllt; das Erbbaurecht sei im Jahr 1999 entgeltlich angeschafft und innerhalb der maßgeblichen Haltefrist 2005 wieder veräußert worden. Da hinsichtlich des Erbbaurechts ein privates Veräußerungsgeschäft anzunehmen sei, sei das auf dem erbbaurechtsbelasteten Grundstück errichtete Gebäude in die Ermittlung des Veräußerungsgewinns mit einzubeziehen.

Das FG gab der Klage teilweise statt. Es vertrat die Auffassung, der Vorgang sei nach § 23 Abs. 1 S. 3 EStG steuerbar; das Gebäude sei nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 2 Halbs. 1 EStG in die Ermittlung des Veräußerungsgewinns mit einzubeziehen. Das FG ging insoweit davon aus, dass die Bestellung des Erbbaurechts zu Gunsten der Steuerpflichtigen unter Begründung lediglich einer Erbbauzinsverpflichtung kein entgeltliches Anschaffungsgeschäft i.S.d. § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 S. 1 EStG darstelle. Die Steuerpflichtige müsse sich jedoch nach § 23 Abs. 1 S. 3 EStG die Anschaffung des unbebauten Grundstücks - welches "teilidentisch" mit dem später begründeten Erbbaurecht sei - durch den Rechtsvorgänger (die A-GbR) zurechnen lassen. Auf die Revision der Klägerin hob der BFH das Urteil auf und gab der Klage statt.

Die Gründe:
Mit der Veräußerung des Erbbaurechts - einschließlich des im Zuge der Erbbauberechtigung errichteten Gebäudes - ist der Tatbestand eines privaten Veräußerungsgeschäfts i.S.d. §§ 22 Nr. 2, 23 Abs. 1 S. 3 EStG nicht erfüllt worden.

Nach dem Wortlaut sowie dem Sinn und Zweck des § 23 EStG sollen innerhalb der Veräußerungsfrist realisierte Wertänderungen eines bestimmten Wirtschaftsguts im Privatvermögen des Steuerpflichtigen der Einkommensteuer unterworfen werden. Daraus ergibt sich das Erfordernis der Nämlichkeit von angeschafftem und innerhalb der Haltefristen veräußertem Wirtschaftsgut, wobei Nämlichkeit Identität im wirtschaftlichen Sinn bedeutet. Wirtschaftliche Teilidentität ist grundsätzlich ausreichend, begründet ein privates Veräußerungsgeschäft aber nur für diesen Teil des betreffenden Wirtschaftsguts. Ob und in welchem Umfang Nämlichkeit gegeben ist oder ein anderes Wirtschaftsgut ("aliud") vorliegt, richtet sich nach einem wertenden Vergleich von angeschafftem und veräußertem Wirtschaftsgut unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls. Maßgebliche Kriterien sind die Gleichartigkeit, Funktionsgleichheit und Gleichwertigkeit von angeschafftem und veräußertem Wirtschaftsgut.

Das Erbbaurecht ist in zivilrechtlicher Hinsicht seinem Wesensgehalt nach ein befristetes Nutzungsrecht. Es umfasst zum einen die "verdinglichte" Befugnis des Erbbauberechtigten, das Grundstück fortwährend in bestimmter Weise zu nutzen, und zum anderen die damit korrespondierende "verdinglichte" Verpflichtung des Grundstückseigentümers, diese Nutzung fortwährend zu dulden. Damit steht das Erbbaurechtsverhältnis seinem Leistungsinhalt nach einem entgeltlichen, rein schuldrechtlichen Nutzungsverhältnis wie Miete oder Pacht nahe. Erbbauzinsen sind mithin - auch wenn sie in einem Einmalbetrag geleistet werden - keine Anschaffungskosten i.S.d. § 255 Abs. 1 HGB für den Erwerb eines Wirtschaftsguts "Erbbaurecht", sondern allein Entgelt für die Nutzung des Grundstücks. Vor diesem Hintergrund setzt die "Anschaffung" eines Erbbaurechts tatbestandlich nicht nur voraus, dass das Recht im Zeitpunkt der Übertragung bereits vorhanden - d.h. "bestellt" - war und der Inhaber des bestehenden Rechts dieses auf den Erwerber überträgt, sondern auch, dass der Erwerber - der spätere Erbbauberechtigte - hierfür - ggf. neben einem laufenden oder in einem Einmalbetrag vorausbezahlten Erbbauzins - ein zusätzliches Entgelt leistet.

Vorliegend hat die Klägerin das mit Erbbaurechtsvertrag von April 1999 zu ihren Gunsten bestellte Erbbaurecht nicht - i.S. eines "abgeleiteten Erwerbs" - nach § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG "angeschafft", da sie kein bestehendes Recht entgeltlich erworben hatte. Vielmehr wurde ihr seitens der A-GbR ein Erbbaurecht an dem unbebauten Grundstück unentgeltlich eingeräumt. Auch die von der Klägerin getragenen Kosten stellen keine Gegenleistung für dessen Einräumung dar, sondern lediglich Anschaffungsnebenkosten des Erbbaurechts dar. Eine andere rechtliche Bewertung folgt auch nicht aus der Regelung des § 23 Abs. 1 S. 3 EStG. Zwar ist im Falle des unentgeltlichen Erwerbs dem Einzelrechtsnachfolger die Anschaffung des Wirtschaftsguts durch den Rechtsvorgänger zuzurechnen. Im Streitfall hatte jedoch auch die A-GbR als Rechtsvorgänger das von der Klägerin veräußerte Erbbaurecht nicht i.S.d. § 23 EStG "angeschafft", sondern durch Bestellung erst "geschaffen" und mithin "hergestellt". In der Herstellung eines Wirtschaftsguts kann aber keine Anschaffung gesehen werden.

Auch der Umstand, dass die A-GbR zwar nicht das später von der Klägerin veräußerte Erbbaurecht, wohl aber jene Teilfläche des Grundstücks, auf dem das Erbbaurecht bestellt wurde, entgeltlich angeschafft hatte, führte nicht zur Anwendung der Regelung des § 23 Abs. 1 S. 3 EStG. Denn das Erbbaurecht hat eine Doppelnatur: Einerseits ist es ein dingliches (Nutzungs-)Recht an einem fremden Grundstück, andererseits aber auch ein grundstücksgleiches Recht, das zivilrechtlich "wie" ein Grundstück behandelt wird. Daraus folgt jedoch nicht, dass das Erbbaurecht auch als ein Teil des Grundeigentums - gewissermaßen als Eigentums-"Splitter" - anzusehen ist. Vielmehr stellt das Erbbaurecht ein gegenüber dem Grundeigentum eigenständiges Wirtschaftsgut dar, das weder der Art noch der Funktion nach mit dem Eigentum vergleichbar ist. Dieser zivilrechtlichen Einordnung folgt in steuerrechtlicher Hinsicht die Regelung in § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG, die explizit zwischen Grundstücken auf der einen Seite und Rechten, die, wie das Erbbaurecht, den Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke unterliegen, auf der anderen Seite unterscheidet. Sind indes die Kriterien "Gleichartigkeit" und "Funktionsgleichheit" schon nicht erfüllt, kann zwischen einem unbebauten Grundstück und einem nachfolgend für dieses Grundstück bestellten Erbbaurecht keine - auch keine partielle - Identität i.S. der Rechtsprechung zum Erfordernis der Nämlichkeit von angeschafftem und innerhalb der Haltefristen veräußertem Wirtschaftsgut bestehen.

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