Veräußerungsbegriff: Private Veräußerungsgeschäfte mit in- und ausländischen Investmentanteilen
BFH 10.11.2015, IX R 3/15Die Klägerin hatte im Streitjahr 1999 u.a. zahlreiche Anteile an in- und ausländischen Investmentfonds gekauft und verkauft. Die Haltedauer betrug jeweils weniger als ein Jahr. Daraus erzielte sie Einnahmenüberschüsse, die sie in ihrer Einkommensteuererklärung als private Veräußerungsgeschäfte deklarierte. Die Steuererklärung enthielt detaillierte Angaben zu jedem einzelnen Geschäft.
Das Finanzamt veranlagte die Klägerin erklärungsgemäß. Mit ihrem hiergegen gerichteten Einspruch machte die Klägerin u.a. geltend, die Gewinne aus dem Handel mit in- und ausländischen Investmentfondsanteilen dürften nicht nach § 23 EStG besteuert werden. Das EStG werde vollständig durch die spezielleren Vorschriften des KAGG und des AuslInvestmG verdrängt.
Das Finanzamt wies den Einspruch zurück. Das FG wies die dagegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BFH das Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.
Gründe:
Zwar schließen das KAGG und das AuslInvestmG im Streitjahr die Besteuerung nach § 23 EStG nicht aus. Die Rückgabe von Fondsanteilen erfüllt aber nicht den Begriff der Veräußerung. Das FG muss deshalb im zweiten Rechtsgang prüfen, ob die Klägerin die Fondsanteile veräußert oder zurückgegeben hatte.
Die Vorschriften des EStG wurden im Streitjahr 1999 durch das KAGG und das AuslInvestmG nicht vollständig verdrängt. Der Senat schließt sich insofern nicht der vom BFH in zwei Urteilen geäußerten Ansicht an (vgl. Urt. v. 11.10.2000, Az. I R 99/96 und v. 27.3.2001, Az. I R 120/98). Weder das KAGG noch das AuslInvestmG regelten im Streitjahr die Besteuerung der Beteiligung an Investmentfonds abschließend. Beide Gesetze enthielten u.a. keine Vorschriften über die Besteuerung des Anteilseigners bei Veräußerung oder Rückgabe von Fondsanteilen.
Der Senat hielt es auch nicht für geboten, den Anwendungsbereich des § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG teleologisch zu reduzieren. Denn die möglichen Wertungswidersprüche beim Anteilsinhaber werden dadurch abgemildert, dass der Steuerpflichtige den Zeitpunkt für die Veräußerung von Investmentanteilen in aller Regel selbst bestimmen und insofern der Besteuerung privater Veräußerungsgeschäfte ausweichen konnte. Vor diesem Hintergrund teilt der Senat nicht die von der Klägerin geäußerten verfassungs- und europarechtlichen Bedenken gegen die für das Jahr 1999 bestehende Rechtslage.
Nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 i.V.m. § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG unterliegen private Veräußerungsgeschäfte insbesondere bei Wertpapieren, als sonstige Einkünfte der Einkommensteuer, wenn der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt. Die durch das StEntlG 1999/2000/2002 auf ein Jahr verlängerte Frist ist erstmals anzuwenden auf Veräußerungsgeschäfte, bei denen die Veräußerung auf einem nach dem 31.12.1998 rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrag oder gleichstehenden Rechtsakt beruht. Eine Veräußerung liegt jedoch nicht vor, wenn der Anleger den Anteilsschein gem. § 11 Abs. 2 KAGG an die Kapitalanlagegesellschaft zurückgibt. Schon begrifflich stellt eine Rückgabe keine Veräußerung dar. Die Rückgabe eines Anteilsscheins ist auch nicht dessen Veräußerung gleichzustellen.
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