Verfahrensrechtliche Voraussetzungen für die Berücksichtigung der Nichterfüllung eines Benennungsverlangens
Niedersächsisches FG 22.7.2014, 4 K 150/14Streitig sind Gewinnänderungen aufgrund einer Außenprüfung. Der Kläger erzielte aus einem Schrotthandel Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die er für die Streitjahre durch Einnahmen-Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelte. Die Steuererklärungen gab er jeweils in dem auf den Veranlagungszeitraum folgenden Kalenderjahr ab. Bei einer im Jahr 2011 durchgeführten Außenprüfung stellte sich heraus, dass für die in den Gewinnermittlungen der Streitjahre als Betriebsausgaben erfassten Wareneinkäufe keine Belege vorhanden waren.
Nach einem Telefonvermerk des Prüfers forderte er die seinerzeitige steuerliche Beraterin des Klägers unter ausdrücklichem Hinweis auf § 160 AO dazu auf, die Empfänger der entsprechenden Betriebsausgaben zu benennen. Diesem Benennungsverlangen kam der Kläger nicht nach. Nach einem weiteren Vermerk des Prüfers über die Schlussbesprechung wurden der Kläger und sein jetziger Prozessbevollmächtigter darauf hingewiesen, dass wegen der Nichterfüllung des Benennungsverlangens die Absicht bestehe, die Aufwendungen für den Wareneinkauf nach § 160 AO vom Betriebsausgabenabzug auszuschließen.
Die Betriebseinnahmen aus dem Schrotthandel schätzte der Prüfer; die in den Gewinnermittlungen abgezogenen Aufwendungen für den Wareneinkauf ließ der Prüfer nicht zum Betriebsausgabenabzug zu. Aufgrund dieser Prüfungsfeststellungen änderte das Finanzamt die Einkommensteuerfestsetzungen für die Streitjahre durch Bescheide vom 1.8.2011 nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO.
Das FG gab der Klage teilweise statt. Die Revision zum BFH wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen.
Die Gründe:
Das Finanzamt hat die Gewinne der Jahre 2006 und 2007 zu Recht geschätzt. Die Schätzung der Betriebseinnahmen aus dem Schrotthandel ist auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Das Finanzamt war jedoch nicht berechtigt, die von dem Kläger für die Streitjahre geltend gemachten Aufwendungen für Wareneinkauf gem. § 160 Abs. 1 S. 1 AO vom Betriebsausgabenabzug auszuschließen.
Nach dieser Vorschrift sind Betriebsausgaben regelmäßig nicht zu berücksichtigen, wenn der Steuerpflichtige dem Verlangen der Finanzbehörde nicht nachkommt, die Empfänger zu benennen. Bei Anwendung dieser Vorschrift kommt der Finanzbehörde ein Ermessen zu. Dabei entscheidet sie zunächst, ob sie ein Benennungsverlangen an den Steuerpflichtigen richten soll und trifft dann eine Entscheidung darüber, ob und inwieweit sie Ausgaben, bei denen der Empfänger nicht benannt ist, zum Abzug zulässt. Auch wenn danach die Voraussetzungen für die Versagung des Betriebsausgabenabzugs vorliegen, kann diese Rechtsfolge in Fällen, in denen bereits ein Steuerbescheid ergangen ist, aber nur dann eingreifen, wenn zusätzlich die verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für die Berücksichtigung der Nichterfüllung des Benennungsverlangens vorliegen.
Diese Bedingung ist im Streitfall nicht erfüllt. Die erstmaligen Steuerbescheide waren nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangen und daher nur nach Maßgabe der §§ 172 ff. AO änderbar. Die Voraussetzungen für eine Änderung nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO liegen insoweit nicht vor. Nach dieser Vorschrift sind Steuerbescheide aufzuheben oder zu ändern, soweit nachträglich Tatsachen bekannt werden, die zu einer höheren Steuer führen. Tatsachen i.S.d. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO sind alle Sachverhaltsbestandteile, die Merkmal oder Teilstück eines gesetzlichen Steuertatbestands sein können, also Zustände, Vorgänge, Beziehungen und Eigenschaften materieller oder immaterieller Art. In den Fällen der Versagung des Betriebsausgabenabzugs nach § 160 Abs. 1 S. 1 AO sind dies die Stellung eines - rechtmäßigen - Benennungsverlangens durch die Finanzbehörde und dessen Nichterfüllung durch den Steuerpflichtigen.
Diese Tatsachen sind im Streitfall aber nicht nachträglich bekannt geworden. Nachträglich bekannt werden können Tatsachen dem Finanzamt nur, wenn sie ihm bereits bei Erlass des zu ändernden Verwaltungsakts hätten bekannt sein können, weil sie zu diesem Zeitpunkt bereits vorhanden waren. Sowohl bei dem Benennungsverlangen des Finanzamts als auch bei seiner Nichterfüllung durch den Kläger handelt es sich jedoch um Tatsachen, die erst nach Erteilung der ursprünglichen Einkommensteuerbescheide eingetreten sind. Dass die Einkaufsbelege, deren Nichtvorlage dem Prüfer zu dem Benennungsverlangen Anlass gegeben hat, mutmaßlich schon bei Durchführung der Erstveranlagungen nicht vorhanden waren, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Das Fehlen dieser Belege hätte das Finanzamt zwar zu einer abweichenden Schätzung des Wareneinsatzes berechtigt, nicht aber dazu, den Betriebsausgabenabzugs insoweit vollständig zu versagen. Auch die Voraussetzungen für eine Änderung der Steuerbescheide nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO sind nicht erfüllt.
Da der Kläger die Aufwendungen für den Wareneinkauf nicht belegen kann, waren diese von dem Senat zu schätzen (§ 162 AO i.V.m. § 96 Abs. 1 S. 1, 2. Halbs. FGO). In Ermangelung besserer Erkenntnismöglichkeit hält der Senat einen Ansatz mit 50 Prozent der von dem Finanzamt geschätzten Betriebseinnahmen (netto) des Klägers für angemessen, so dass die von dem Finanzamt ermittelten Gewinne entsprechend um weitere Betriebsausgaben zu verringern sind.
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