Verfassungsmäßigkeit des § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG
Kurzbesprechung
BFH-Beschluss v. 22. 9. 2022 - III R 21/21
EStG § 31, § 66 Abs 3, § 70 Abs 1 S 2
GG Art 1, Art 6 Abs 1, Art 20 Abs 1
Die Vorschrift des § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG ist nach § 52 Abs. 50 EStG auf nach dem 18.07.2019 eingehende Anträge auf Kindergeld anzuwenden. Sie regelt, dass festgesetztes Kindergeld rückwirkend nur für sechs Monate vor Beginn des Monats ausgezahlt wird, in dem der Antrag eingegangen ist.
Der BFH hat nun entschieden, dass § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG nicht verfassungswidrig ist. Die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift ist ebenso zu bejahen wie die Verfassungsmäßigkeit des durch ihn ersetzten § 66 Abs. 3 EStG a.F.
§ 70 Abs. 1 Satz 2 EStG beschränkt die rückwirkende Auszahlung von festgesetztem Kindergeld auf die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist; die Festsetzung des Kindergelds bleibt durch die Ausschlussfrist unberührt. 70 Abs. 1 Satz 2 EStG bewirkt ebenso wie die außer Kraft gesetzte Vorschrift des § 66 Abs. 3 EStG a.F., dass Steuerpflichtige nur Kindergeld erhalten, das sie innerhalb von sechs Monaten nach Entstehung des Anspruchs beantragt haben. Insoweit ist unerheblich, dass § 66 Abs. 3 EStG a.F. nach zutreffender Auslegung bereits der Festsetzung zuvor entstandener Kindergeldansprüche entgegenstand, während § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG dem Erhebungsverfahren zuzuordnen ist und lediglich ein spezialgesetzliches Auszahlungshindernis begründet.
Soweit das Kindergeld der Förderung der Familie dient (§ 31 Satz 2 EStG), ist die dem Steuerpflichtigen vom Gesetzgeber durch § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG auferlegte Obliegenheit, Kindergeld innerhalb von sechs Monaten nach Entstehung des Anspruchs zu beantragen, ebenso wenig zu beanstanden wie die sich zuvor aus § 66 Abs. 3 EStG a.F. ergebende Obliegenheit.
Der BFH hat darauf hingewiesen, dass sich im Übrigen auch durch das Zusammenspiel von § 70 Abs. 1 Satz 2 und § 31 EStG bei der Einkommensteuerveranlagung kein Verstoß gegen das Gebot der Steuerfreistellung des Existenzminimums des Kindes ergeben kann. Denn insoweit war nach früherer Rechtslage § 31 Satz 4 EStG verfassungskonform dahin auszulegen, dass wegen § 66 Abs. 3 EStG a.F. nicht festgesetztes oder nicht gezahltes Kindergeld bei der Günstigerprüfung nur in Höhe von 0 € berücksichtigt wird. Das gilt entsprechend auch für Kindergeld, das wegen § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG nicht ausgezahlt wird.
Soweit ein festgesetzter und aufgrund des § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG nicht ausgezahlter Anspruch auf Kindergeld nach der erstmals im Veranlagungszeitraum 2019 anzuwendenden Regelung des § 31 Satz 5 EStG bei der Prüfung der Steuerfreistellung und der Hinzurechnung nach § 31 Satz 4 EStG unberücksichtigt bleibt, ist diese klare und ausdrückliche gesetzliche Regelung für die Kindergeldberechtigten noch rechtssicherer und damit günstiger als die nach ansonsten erforderliche verfassungskonforme Auslegung des § 31 Satz 4 EStG.
Verlag Dr. Otto Schmidt
EStG § 31, § 66 Abs 3, § 70 Abs 1 S 2
GG Art 1, Art 6 Abs 1, Art 20 Abs 1
Die Vorschrift des § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG ist nach § 52 Abs. 50 EStG auf nach dem 18.07.2019 eingehende Anträge auf Kindergeld anzuwenden. Sie regelt, dass festgesetztes Kindergeld rückwirkend nur für sechs Monate vor Beginn des Monats ausgezahlt wird, in dem der Antrag eingegangen ist.
Der BFH hat nun entschieden, dass § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG nicht verfassungswidrig ist. Die Verfassungsmäßigkeit der Vorschrift ist ebenso zu bejahen wie die Verfassungsmäßigkeit des durch ihn ersetzten § 66 Abs. 3 EStG a.F.
§ 70 Abs. 1 Satz 2 EStG beschränkt die rückwirkende Auszahlung von festgesetztem Kindergeld auf die letzten sechs Monate vor Beginn des Monats, in dem der Antrag auf Kindergeld eingegangen ist; die Festsetzung des Kindergelds bleibt durch die Ausschlussfrist unberührt. 70 Abs. 1 Satz 2 EStG bewirkt ebenso wie die außer Kraft gesetzte Vorschrift des § 66 Abs. 3 EStG a.F., dass Steuerpflichtige nur Kindergeld erhalten, das sie innerhalb von sechs Monaten nach Entstehung des Anspruchs beantragt haben. Insoweit ist unerheblich, dass § 66 Abs. 3 EStG a.F. nach zutreffender Auslegung bereits der Festsetzung zuvor entstandener Kindergeldansprüche entgegenstand, während § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG dem Erhebungsverfahren zuzuordnen ist und lediglich ein spezialgesetzliches Auszahlungshindernis begründet.
Soweit das Kindergeld der Förderung der Familie dient (§ 31 Satz 2 EStG), ist die dem Steuerpflichtigen vom Gesetzgeber durch § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG auferlegte Obliegenheit, Kindergeld innerhalb von sechs Monaten nach Entstehung des Anspruchs zu beantragen, ebenso wenig zu beanstanden wie die sich zuvor aus § 66 Abs. 3 EStG a.F. ergebende Obliegenheit.
Der BFH hat darauf hingewiesen, dass sich im Übrigen auch durch das Zusammenspiel von § 70 Abs. 1 Satz 2 und § 31 EStG bei der Einkommensteuerveranlagung kein Verstoß gegen das Gebot der Steuerfreistellung des Existenzminimums des Kindes ergeben kann. Denn insoweit war nach früherer Rechtslage § 31 Satz 4 EStG verfassungskonform dahin auszulegen, dass wegen § 66 Abs. 3 EStG a.F. nicht festgesetztes oder nicht gezahltes Kindergeld bei der Günstigerprüfung nur in Höhe von 0 € berücksichtigt wird. Das gilt entsprechend auch für Kindergeld, das wegen § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG nicht ausgezahlt wird.
Soweit ein festgesetzter und aufgrund des § 70 Abs. 1 Satz 2 EStG nicht ausgezahlter Anspruch auf Kindergeld nach der erstmals im Veranlagungszeitraum 2019 anzuwendenden Regelung des § 31 Satz 5 EStG bei der Prüfung der Steuerfreistellung und der Hinzurechnung nach § 31 Satz 4 EStG unberücksichtigt bleibt, ist diese klare und ausdrückliche gesetzliche Regelung für die Kindergeldberechtigten noch rechtssicherer und damit günstiger als die nach ansonsten erforderliche verfassungskonforme Auslegung des § 31 Satz 4 EStG.