27.10.2022

Verkauf von Gutscheinen für Freizeiterlebnisse (vor Inkrafttreten von § 3 Abs. 13 bis 15 UStG n.F.)

1. Verkauft ein Steuerpflichtiger über sein Internetportal Gutscheine für bestimmte Freizeiterlebnisse, erbringt er die durch den Gutschein versprochene Leistung entweder selbst oder ist hinsichtlich dieser Leistung als Vermittler tätig. Seine Leistung besteht demgegenüber nicht im Betrieb eines Internetportals.
2. Ist der Gutschein nur über einen bestimmten Geldbetrag ausgestellt (sog. Wertgutschein), fehlt es zum Zeitpunkt der Ausstellung des Gutscheins an einem unmittelbaren Zusammenhang der Zahlung der Gutscheinerwerber mit einer bestimmbaren Leistung.

Kurzbesprechung
BFH v. 15. 3. 2022 - V R 35/20

UStG § 1 Abs 1 Nr. 1 S 1
EGRL 112/2006 Art 2 Abs 1 Buchst c
BGB § 164 Abs 2, § 305 Abs 2


Streitig war, ob Einnahmen aus dem Verkauf von Gutscheinen in den Jahren 2013 und 2014 (Streitjahre) als Entgelt für eine steuerbare Leistung des Steuerpflichtigen der Umsatzbesteuerung unterliegen.

Verkauft ein Steuerpflichtiger über sein Internetportal in eigenem Namen und auf eigene Rechnung Gutscheine für Freizeiterlebnisse, die die tatsächlichen Veranstalter aufgrund ihrer Vereinbarungen mit dem Steuerpflichtigen als Gegenleistung für die Erbringung der Erlebnisse anzunehmen haben, besteht die Leistung des Steuerpflichtigen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit den Zahlungen der Gutscheinerwerber für den Erwerb der Gutscheine steht, jedenfalls nicht in dem Betrieb seines Internetportals.

Unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen und geschäftlichen Realität ist das Interesse der Gutscheinerwerber ‑ aus Sicht des Durchschnittsverbrauchers ‑ in dem Vertragsverhältnis zum Steuerpflichtigen darauf gerichtet, im Fall eines Erlebnisgutscheins ein künftiges, bestimmbares Erlebnis in Anspruch zu nehmen und im Fall eines Wertgutscheins den Wert dieses Gutscheins auf den Preis eines künftigen Erlebnisses anzurechnen. Für beide Fälle ist es notwendig, von dem Steuerpflichtigen die Kontaktdaten des Veranstalters des konkreten Erlebnisses zu erhalten.

Das Internetportal des Steuerpflichtigen ist lediglich das Mittel, um einen Gutschein zu erhalten, der nach Übermittlung der Kontaktdaten des Veranstalters durch den Steuerpflichtigen bei einem Veranstalter eingelöst werden kann. Es bildet nur eine technische Plattform, um letztlich eine Zahlung des Gutscheinerwerbers an den Veranstalter eines Erlebnisses zu ermöglichen, falls ein Erlebnis in Anspruch genommen wird. Es dient zunächst ‑ wie ein "digitaler Katalog" ‑ der Information über die möglichen Erlebnisse und nach dem Entschluss, einen Gutschein zu erwerben, zur Abwicklung des Erwerbs des Gutscheins sowie ‑ falls der Gutschein eingelöst wird ‑ des Zahlungsverkehrs zwischen Steuerpflichtigen und Veranstalter. Der Betrieb des Internetportals allein verschafft den Kunden des Steuerpflichtigen keinen verbrauchsfähigen Vorteil.

Im Streitfall konnte der BFH nicht in der Sache selbst entscheiden, da hinreichende Feststellungen des FG zu den Leistungsbeziehungen fehlten. Zur Bestimmung der maßgebenden Leistungsbeziehungen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG ist festzustellen, ob der Steuerpflichtige gegenüber den Gutscheinerwerbern für die Erbringung der Erlebnisse in eigenem oder ‑ als Vermittler ‑ in fremdem Namen aufgetreten ist. Das FG hatte die Maßstäbe für die Abgrenzung von Vermittlungsleistungen und Eigengeschäft rechtsfehlerhaft angewandt. Die Feststellungen des FG reichten weder aus, ein Handeln des Steuerpflichtigen hinsichtlich der Erbringung der Erlebnisse in eigenem Namen zu begründen noch führten sie zu einem diesbezüglichen Handeln in fremdem Namen.

Die vom FG zur Zurechnung herangezogenen Organisationsleistungen des Steuerpflichtigen beschränkten sich im Zusammenhang mit den konkret ausgeführten Erlebnissen nur darauf, demjenigen, der die Gutscheine einlösen möchte, die Kontaktdaten des jeweiligen Veranstalters bekanntzugeben. Derartige "Organisationsleistungen" sprechen allerdings eher für eine Vermittlung. Ob der Steuerpflichtige hierbei demgegenüber für die Erbringung der Erlebnisse im eigenen Namen auftrat, ließ sich den Feststellungen des FG nicht entnehmen.

Zudem hatte das FG nicht geprüft, ob die AGB, nach denen der Steuerpflichtige lediglich als Vermittler tätig geworden ist, bereits in den Streitjahren verwendet wurden und gemäß § 305 Abs. 2 BGB wirksam zum Bestandteil der mit den Käufern geschlossenen Verträge geworden sind.

Rechtsfehlerhaft hatte das FG zudem zur Bestimmung des Leistenden darauf abgestellt, dass der Zahlungsverkehr über das Internetportal des Steuerpflichtigen abgewickelt wurde, er die Zahlungen der Gutscheinerwerber vereinnahmte, seinerseits Zahlungen an die Veranstalter leistete und die Zahlungen in voller Höhe behielt, wenn die Gutscheine nicht eingelöst wurden. Der Zahlungsfluss ist hierfür nicht entscheidend.

Das FG wird nun im zweiten Rechtsgang festzustellen haben, ob der Steuerpflichtige gegenüber den Erwerbern von Erlebnisgutscheinen hinsichtlich der Erbringung der Erlebnisse in eigenem oder in fremdem Namen aufgetreten ist.
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