21.09.2016

Vermutung des Vermögensverfalls bei Eröffnung eines Insolvenzverfahrens nach englischem Recht

Der Eintritt eines Vermögensverfalls ist nach § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG auch dann zu vermuten, wenn das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerberaters oder Steuerbevollmächtigten nicht in Deutschland, sondern in einem anderen Mitgliedstaat der EU nach dessen Recht eröffnet worden ist. Dem Wortlaut der Vorschrift ist nicht zu entnehmen, dass die Vorschrift lediglich auf nach den Bestimmungen der InsO eröffnete Insolvenzverfahren Anwendung finden soll; Ziel und Zweck der Regelung gebieten vielmehr eine Erstreckung ihres Anwendungsbereichs auch auf Insolvenzverfahren, die in einem anderen Mitgliedstaat der EU eröffnet worden sind.

BFH 17.8.2016, VII B 59/16
Der Sachverhalt:
Nach Vorlage eines Vermögensverzeichnisses durch die Klägerin, das Verbindlichkeiten i.H.v. rd. 870.000 € aufwies, denen mehrere Immobilien mit geschätzten Verkehrswerten von 585.000 € gegenüberstanden, hat die beklagte Steuerberaterkammer nach § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG die Bestellung der Klägerin als Steuerberaterin widerrufen. Dabei wurde darauf hingewiesen, dass aufgrund einer Anzeige seit Juli 2015 gegen die Klägerin in England ein Insolvenzverfahren (Bankruptcy) geführt werde.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Beschwerde der Klägerin wegen Nichtzulassung der Revision hatte vor dem BFH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das FG hat zu Recht entschieden, dass allein der Umstand, dass das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin in England eröffnet wurde, für die Anwendung des § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG unbeachtlich ist.

Nach § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG ist die Bestellung zu widerrufen, wenn der Steuerberater in Vermögensverfall geraten ist, es sei denn, dass dadurch die Interessen der Auftraggeber nicht gefährdet sind. Ein Vermögensverfall wird u.a. vermutet, wenn ein Insolvenzverfahren über das Vermögen des Steuerberaters eröffnet ist. Nach den Feststellungen des FG ist über das Vermögen der Klägerin in England ein Insolvenzverfahren (Bankruptcy) nach Part IX Insolvency Act 1986 eröffnet worden. Bei diesem Verfahren handelt es sich um ein Insolvenzverfahren eines anderen Mitgliedstaats, das in Anhang A VO Nr. 2015/848 aufgeführt ist. Nach Art. 19 Abs. 1 VO Nr. 2015/848 sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens durch ein zuständiges Gericht eines Mitgliedstaats anzuerkennen, sobald die Entscheidung im Staat der Verfahrenseröffnung wirksam ist.

Vor dem Hintergrund, dass die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens regelmäßig die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners voraussetzt, hat der Gesetzgeber in § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG zum Schutz der Mandanteninteressen eine Regelung getroffen, die im Fall der im Rahmen eines Insolvenzverfahrens festgestellten Zahlungsunfähigkeit widerlegbar einen Vermögensverfall unterstellt. Dem Wortlaut des § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG ist nicht zu entnehmen, dass die Vorschrift lediglich auf nach den Bestimmungen der InsO eröffnete Insolvenzverfahren Anwendung finden soll. Vielmehr gebieten Ziel und Zweck der Regelung eine Erstreckung ihres Anwendungsbereichs auch auf Insolvenzverfahren, die in einem anderen Mitgliedstaat der EU eröffnet worden sind.

Dies umso mehr, als die Mitgliedstaaten mit der Verabschiedung der VO Nr. 2015/848 deutlich zum Ausdruck gebracht haben, dass sie den in anderen Mitgliedstaaten eröffneten Insolvenzverfahren gleiche Wirkungen beimessen, weshalb eine gegenseitige Anerkennung für notwendig erachtet wurde. Es ist kein Grund ersichtlich, warum ein nach englischem Recht eröffnetes Insolvenzverfahren, das ebenso wie ein nach deutschem Recht eröffnetes Insolvenzverfahren die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners belegt, bei der Anwendung des § 46 Abs. 2 Nr. 4 StBerG keine Berücksichtigung finden sollte.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.
  • Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.
BFH online
Zurück