Verpflichtung zur Weitergabe der Erbschaft als Nachlassverbindlichkeit
BFH v. 11.7.2019 - II R 4/17
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Pfarrer in der Kirchengemeinde X. Mit notariell beurkundetem Testament setzte der Erblasser (E) den Kläger sowie eine weitere Person (A) zu seinen Erben ein. E verstarb im Jahr 2012. Da A das Erbe wirksam ausschlug, wurde der Kläger Alleinerbe. Der Kläger zeigte dem zuständigen Landeskirchenamt seine Erbeinsetzung mit dem Hinweis an, dass er das Erbe für die Kirchengemeinde X annehmen und es dieser vollumfänglich zur Verfügung stellen wolle. Das Landeskirchenamt genehmigte die Annahme der Erbschaft nach § 32 Abs. 3 des Kirchengesetzes zur Regelung der Dienstverhältnisse der Pfarrerinnen und Pfarrer in der Evangelischen Kirche in Deutschland (Pfarrdienstgesetz der EKD - PfDG EKD) aufgrund der beabsichtigten Weiterleitung der Erbschaft an die Kirchengemeinde X.
Im Jahr 2013 übertrug der Kläger die ihm angefallene Erbschaft auf die Kirchengemeinde X. In § 3 der notariellen Urkunde heißt es, die Übertragung erfolge frei im Wege der Schenkung. Ferner vereinbarten die Vertragsparteien, dass die Kirchengemeinde X den Kläger von etwaiger Erbschaftsteuer freistelle. Aufgrund der vom Kläger eingereichten Erbschaftsteuererklärung setzte das Finanzamt Erbschaftsteuer fest.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Kläger Erbe des verstorbenen E geworden und der Erbschaftsteuerbescheid rechtmäßig ist.
Ein Rechtsgeschäft unter Lebenden, durch das eine andere Person, die nicht unmittelbar mit dem Erbanfall von Todes wegen eine Vermögensposition erwirbt, an die Stelle des Erben rückt, hat grundsätzlich keine Auswirkung auf die kraft Gesetzes eintretende Steuerpflicht. Der Erbe, der seine Erbschaft veräußert oder verschenkt, wird durch die rechtsgeschäftliche Übertragung seines Erwerbs von Todes wegen nicht von der Erbschaftsteuerpflicht frei. Er bleibt weiterhin Schuldner der Erbschaftsteuer. Die Verpflichtung zur Weiterleitung des Nachlasses an die Kirchengemeinde stellt ferner auch keine nach § 10 Abs. 5 ErbStG abzugsfähige Verbindlichkeit dar. Gem. § 1922 i.V.m. § 1942 Abs. 1 BGB geht das vererbbare Vermögen (Erbschaft) im Wege der Gesamtrechtsnachfolge als Ganzes auf den Erben über. Der Erbe tritt kraft Gesetzes unmittelbar und von selbst umfassend in die Rechtsposition des Erblassers ein. Maßgebend für die erbschaftsteuerrechtliche Bestimmung, welche Rechtspositionen am Stichtag dem Erblasser zuzuordnen sind und auf den Erben im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergehen, ist das Zivilrecht. Das ErbStG regelt zwar die Bewertung des Nachlasses, legt seinen Umfang jedoch nicht fest.
Von diesem Erwerb sind als Nachlassverbindlichkeiten die in § 10 Abs. 5 ErbStG aufgeführten Schulden und Lasten abzuziehen, soweit sich nicht aus den Absätzen 6 bis 9 etwas anderes ergibt. Die vom Erblasser herrührenden Schulden sind nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig; das sind die aus Rechtsgründen bestehenden Erblasserschulden. Darunter fallen alle vertraglichen, außervertraglichen und gesetzlichen Verpflichtungen, die in der Person des Erblassers begründet worden und mit seinem Tod nicht erloschen sind bzw. kraft § 10 Abs. 3 ErbStG als nicht erloschen gelten. Öffentlich-rechtliche Pflichten, z.B. zur Beseitigung von Mängeln an geerbten Gebäuden, stellen nur dann Erblasserschulden dar, wenn bereits eine entsprechende rechtsverbindliche, behördliche Anordnung gegen den Erblasser erlassen worden war. Gem. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG sind ferner Verbindlichkeiten aus Vermächtnissen, Auflagen und geltend gemachten Pflichtteilen und Erbersatzansprüchen vom Erwerb als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig. Nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG sind als Nachlassverbindlichkeiten zudem u.a. die Kosten, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen, abzugsfähig.
Ein Abzug von Erwerbskosten als Nachlassverbindlichkeiten setzt einen unmittelbaren Zusammenhang mit der Erlangung des Erwerbs voraus. Ein solcher liegt vor, wenn die Kosten - i.S. einer synallagmatischen Verknüpfung - dafür aufgewendet werden, dass der Erwerber seine Rechtsstellung erlangt. Ausreichend ist dabei ein Entstehen der Kosten nach dem Erbfall, wenn ein enger zeitlicher Zusammenhang mit der Erlangung oder Sicherung der Erbenstellung vorliegt. Vor diesem rechtlichen Hintergrund konnte die Weiterleitung des Erbes an die Kirchengemeinde nicht als Nachlassverbindlichkeit von der Bemessungsgrundlage abgezogen werden. Die Weiterleitungsverpflichtung, die der Dienstherr des Klägers ausgesprochen hatte, führte nicht zu einem Abzug nach § 10 Abs. 5 ErbStG.
Im Streitfall war die Belastung, die den Kläger traf, keine der in § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG aufgeführten Lasten. Es lag keine Auflage, auch keine einer Auflage entsprechende Verpflichtung, vor. Denn die Weiterleitungspflicht hat ihre Ursache nicht in der Person des Erblassers. Sie hängt auch nicht mit dem vererbten Vermögen zusammen, sondern ist ausschließlich in der Person des Erben, nämlich seinem Dienstverhältnis, begründet. Folglich fehlt es bei der den Steuerpflichtigen in der Weiterleitungsverpflichtung treffenden Verbindlichkeit an einem Rückbezug auf den Erblasser. Die Verpflichtung entspringt ausschließlich der klägerischen Sphäre. Ferner kam auch § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG nicht zum Tragen. Das Erbe wurde durch den Kläger an die Kirchengemeinde weitergeleitet, um seine Verpflichtung aus dem Dienstverhältnis zu erfüllen, nicht um eine Erbenstellung zu erlangen oder zu sichern. Der Kläger wurde unabhängig von diesem Vorgang Alleinerbe. Die Belastung aus der Weiterleitungsverpflichtung mindert daher nicht die Bereicherung.
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Der Kläger ist Pfarrer in der Kirchengemeinde X. Mit notariell beurkundetem Testament setzte der Erblasser (E) den Kläger sowie eine weitere Person (A) zu seinen Erben ein. E verstarb im Jahr 2012. Da A das Erbe wirksam ausschlug, wurde der Kläger Alleinerbe. Der Kläger zeigte dem zuständigen Landeskirchenamt seine Erbeinsetzung mit dem Hinweis an, dass er das Erbe für die Kirchengemeinde X annehmen und es dieser vollumfänglich zur Verfügung stellen wolle. Das Landeskirchenamt genehmigte die Annahme der Erbschaft nach § 32 Abs. 3 des Kirchengesetzes zur Regelung der Dienstverhältnisse der Pfarrerinnen und Pfarrer in der Evangelischen Kirche in Deutschland (Pfarrdienstgesetz der EKD - PfDG EKD) aufgrund der beabsichtigten Weiterleitung der Erbschaft an die Kirchengemeinde X.
Im Jahr 2013 übertrug der Kläger die ihm angefallene Erbschaft auf die Kirchengemeinde X. In § 3 der notariellen Urkunde heißt es, die Übertragung erfolge frei im Wege der Schenkung. Ferner vereinbarten die Vertragsparteien, dass die Kirchengemeinde X den Kläger von etwaiger Erbschaftsteuer freistelle. Aufgrund der vom Kläger eingereichten Erbschaftsteuererklärung setzte das Finanzamt Erbschaftsteuer fest.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BFH keinen Erfolg.
Die Gründe:
Das FG hat zu Recht entschieden, dass der Kläger Erbe des verstorbenen E geworden und der Erbschaftsteuerbescheid rechtmäßig ist.
Ein Rechtsgeschäft unter Lebenden, durch das eine andere Person, die nicht unmittelbar mit dem Erbanfall von Todes wegen eine Vermögensposition erwirbt, an die Stelle des Erben rückt, hat grundsätzlich keine Auswirkung auf die kraft Gesetzes eintretende Steuerpflicht. Der Erbe, der seine Erbschaft veräußert oder verschenkt, wird durch die rechtsgeschäftliche Übertragung seines Erwerbs von Todes wegen nicht von der Erbschaftsteuerpflicht frei. Er bleibt weiterhin Schuldner der Erbschaftsteuer. Die Verpflichtung zur Weiterleitung des Nachlasses an die Kirchengemeinde stellt ferner auch keine nach § 10 Abs. 5 ErbStG abzugsfähige Verbindlichkeit dar. Gem. § 1922 i.V.m. § 1942 Abs. 1 BGB geht das vererbbare Vermögen (Erbschaft) im Wege der Gesamtrechtsnachfolge als Ganzes auf den Erben über. Der Erbe tritt kraft Gesetzes unmittelbar und von selbst umfassend in die Rechtsposition des Erblassers ein. Maßgebend für die erbschaftsteuerrechtliche Bestimmung, welche Rechtspositionen am Stichtag dem Erblasser zuzuordnen sind und auf den Erben im Wege der Gesamtrechtsnachfolge übergehen, ist das Zivilrecht. Das ErbStG regelt zwar die Bewertung des Nachlasses, legt seinen Umfang jedoch nicht fest.
Von diesem Erwerb sind als Nachlassverbindlichkeiten die in § 10 Abs. 5 ErbStG aufgeführten Schulden und Lasten abzuziehen, soweit sich nicht aus den Absätzen 6 bis 9 etwas anderes ergibt. Die vom Erblasser herrührenden Schulden sind nach § 10 Abs. 5 Nr. 1 ErbStG als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig; das sind die aus Rechtsgründen bestehenden Erblasserschulden. Darunter fallen alle vertraglichen, außervertraglichen und gesetzlichen Verpflichtungen, die in der Person des Erblassers begründet worden und mit seinem Tod nicht erloschen sind bzw. kraft § 10 Abs. 3 ErbStG als nicht erloschen gelten. Öffentlich-rechtliche Pflichten, z.B. zur Beseitigung von Mängeln an geerbten Gebäuden, stellen nur dann Erblasserschulden dar, wenn bereits eine entsprechende rechtsverbindliche, behördliche Anordnung gegen den Erblasser erlassen worden war. Gem. § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG sind ferner Verbindlichkeiten aus Vermächtnissen, Auflagen und geltend gemachten Pflichtteilen und Erbersatzansprüchen vom Erwerb als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig. Nach § 10 Abs. 5 Nr. 3 ErbStG sind als Nachlassverbindlichkeiten zudem u.a. die Kosten, die dem Erwerber unmittelbar im Zusammenhang mit der Abwicklung, Regelung oder Verteilung des Nachlasses oder mit der Erlangung des Erwerbs entstehen, abzugsfähig.
Ein Abzug von Erwerbskosten als Nachlassverbindlichkeiten setzt einen unmittelbaren Zusammenhang mit der Erlangung des Erwerbs voraus. Ein solcher liegt vor, wenn die Kosten - i.S. einer synallagmatischen Verknüpfung - dafür aufgewendet werden, dass der Erwerber seine Rechtsstellung erlangt. Ausreichend ist dabei ein Entstehen der Kosten nach dem Erbfall, wenn ein enger zeitlicher Zusammenhang mit der Erlangung oder Sicherung der Erbenstellung vorliegt. Vor diesem rechtlichen Hintergrund konnte die Weiterleitung des Erbes an die Kirchengemeinde nicht als Nachlassverbindlichkeit von der Bemessungsgrundlage abgezogen werden. Die Weiterleitungsverpflichtung, die der Dienstherr des Klägers ausgesprochen hatte, führte nicht zu einem Abzug nach § 10 Abs. 5 ErbStG.
Im Streitfall war die Belastung, die den Kläger traf, keine der in § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG aufgeführten Lasten. Es lag keine Auflage, auch keine einer Auflage entsprechende Verpflichtung, vor. Denn die Weiterleitungspflicht hat ihre Ursache nicht in der Person des Erblassers. Sie hängt auch nicht mit dem vererbten Vermögen zusammen, sondern ist ausschließlich in der Person des Erben, nämlich seinem Dienstverhältnis, begründet. Folglich fehlt es bei der den Steuerpflichtigen in der Weiterleitungsverpflichtung treffenden Verbindlichkeit an einem Rückbezug auf den Erblasser. Die Verpflichtung entspringt ausschließlich der klägerischen Sphäre. Ferner kam auch § 10 Abs. 5 Nr. 3 Satz 1 ErbStG nicht zum Tragen. Das Erbe wurde durch den Kläger an die Kirchengemeinde weitergeleitet, um seine Verpflichtung aus dem Dienstverhältnis zu erfüllen, nicht um eine Erbenstellung zu erlangen oder zu sichern. Der Kläger wurde unabhängig von diesem Vorgang Alleinerbe. Die Belastung aus der Weiterleitungsverpflichtung mindert daher nicht die Bereicherung.