27.04.2011

Verzicht auf mündliche Verhandlung bezieht sich nur auf nächste Sachentscheidung durch den Spruchkörper

Ein vom Kläger erklärter Verzicht auf mündliche Verhandlung wird wirkungslos, wenn das FG gleichwohl eine mündliche Verhandlung anberaumt. Das FG darf danach nur dann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, wenn die Beteiligten erneut darauf verzichten.

BFH 10.3.2011, VI B 147/10
Der Sachverhalt:
Das Verfahren betrifft eine Klage, mit der die Kläger den Abzug von Unterhaltszahlungen i.H.v. 1.100 € nach § 33a Abs. 1 EStG begehren. Die anwaltlich vertretenen Kläger und das Finanzamt verzichteten mit Schriftsätzen von Mai und Juni 2010 auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Gleichwohl beraumte das FG einen Termin zur mündlichen Verhandlung an.

Der Prozessbevollmächtigte der Kläger beantragte wegen seines länger geplanten Jahresurlaubs die Verlegung der mündlichen Verhandlung. Daraufhin teilte das FG den Beteiligten mit, dass der Termin aufgehoben worden und die Ladung zu dem aufgehobenen Termin damit gegenstandlos sei.

Das FG wies die Klage schließlich ohne mündliche Verhandlung ab. Mit ihrer Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision machen die Kläger im Wesentlichen geltend, dass das FG ohne mündliche Verhandlung entschieden habe. Die Voraussetzungen des § 90 Abs. 1 und Abs. 2 FGO hätten nicht vorgelegen, so dass das FG den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör verletzt habe. Der BFH hob das Urteil auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.

Die Gründe:
Die angegriffene Entscheidung verletzt den Anspruch der Kläger auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) und stellt eine Rechtsverletzung i.S.v. § 119 Nr. 3 und Nr. 4 FGO dar.

Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist ein Verfahrensmangel i.S.d. vorgenannten Vorschrift u.a. dann anzunehmen, wenn die Voraussetzungen für eine Entscheidung des FG ohne mündliche Verhandlung nach § 90 Abs. 1 und Abs. 2 FGO nicht gegeben sind. Das Fehlen dieser Voraussetzungen haben die Kläger im Streitfall zu Recht geltend gemacht. Denn das FG konnte im Zeitpunkt seiner Entscheidung nicht mehr von einem Verzicht der Kläger auf mündliche Verhandlung auf der Grundlage ihres vorbehaltlos erklärten Einverständnisses ausgehen.

Dieses Einverständnis hatte nämlich durch die Anberaumung der mündlichen Verhandlung seine prozessrechtliche Wirkung verloren. Eine Verzichtserklärung wird wirkungslos, wenn das Gericht selbst den Beteiligten gegenüber zum Ausdruck bringt, dass es eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung allein durch den früher erklärten Verzicht nicht mehr für hinreichend legitimiert ansieht. So verbraucht sich der erklärte Verzicht durch eine erneute Anfrage des Gerichts und deren Ablehnung durch die Beteiligten ebenso wie durch einen sich an einen früheren Verzicht anschließenden Auflagebeschluss oder durch die Anberaumung eines Erörterungstermins unter Anordnung des persönlichen Erscheinens der Beteiligten.

Diese einschränkende Auslegung der Verzichtserklärung und die Beschränkung ihrer Wirkung bis zur nächsten eine Sachentscheidung vorbereitenden Entscheidung des FG - wie hier der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung - ist aufgrund der besonderen Interessenlage der Beteiligten geboten. Denn der Verzicht hat für die Beteiligten weitreichende Folgen, weil er als Prozesshandlung nach der Rechtsprechung des BFH nicht wegen Irrtums anfechtbar und auch nicht frei widerrufbar ist. Danach ist die Einverständnis- oder Verzichtserklärung nur auf die nächste Sachentscheidung durch den Spruchkörper zu beziehen.

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