03.01.2017

Vollprüfung der Aussetzung der Vollziehung im gerichtlichen Eilverfahren

Hat die Finanzbehörde Aussetzung der Vollziehung (AdV) gegen Sicherheitsleistung gewährt, sind im finanzgerichtlichen Verfahren die Voraussetzungen einer AdV - also grundsätzlich das Vorliegen ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit des auszusetzenden Verwaltungsaktes - zu prüfen. Die interne Aufzeichnung der Nutzungsdaten in einem Geldspielgerät ist im Anwendungsbereich des § 10 HmbSpVStG eine aufbewahrungspflichtige Unterlage i.S.v. § 146 Abs. 4 AO.

FG Hamburg 15.8.2016, 1 V 41/16
Der Sachverhalt:
Der Antragsteller, ein Spielhallenbetreiber, wehrte sich in der Hauptsache gegen die Festsetzung von Spielvergnügungsteuer auf der Grundlage von Schätzungen. Die Beteiligten streiten insbesondere darüber, ob die interne Aufzeichnung der Nutzungsdaten in einem Geldspielgerät im Anwendungsbereich des § 10 HmbSpVStG eine aufbewahrungspflichtige Unterlage i.S.v. § 146 Abs. 4 AO ist und das Finanzamt bei ihrem Fehlen schätzen darf, auch wenn der Steuerpflichtige die Geräte elektronisch ausgelesen hat.

Das Finanzamt gewährte dem Antragsteller Aussetzung der Vollziehung (AdV) unter der aufschiebenden Bedingung einer Sicherheitsleistung bis zum 31.12.2015. Der Antragsteller leistete keine Sicherheit, sondern wandte sich an das FG. Das Finanzamt beantragte in dem gerichtlichen Verfahren, AdV nur gegen Sicherheitsleistung zu gewähren.

Das FG lehnte den Antrag ab. Der Beschluss ist nicht rechtskräftig. Wegen Divergenz zu einem BFH-Beschluss (7.5.2008, IX S 26/07) ließ der Senat die Beschwerde zu. Diese wird beim BFH unter dem Az. II B 75/16 geführt.

Die Gründe:
Der Antragstellerin ist keine AdV zu gewähren. Da der Antragsgegner eine uneingeschränkt beantragte Aussetzung der Vollziehung nur gegen Sicherheitsleistung bewilligt hat, liegt eine (teilweise) Ablehnung durch die Finanzbehörde i.S.v. § 69 Abs. 4 S. 1 FGO vor und ist mithin die besondere Zugangsvoraussetzung nach dieser Norm erfüllt.

Obwohl die Voraussetzungen für das Anfordern einer Sicherheitsleistung nicht erfüllt sind, weil das Finanzamt die Gefährdung des Steueranspruchs nicht schlüssig dargelegt hat, war der Antrag des Antragstellers abzulehnen. AdV ist schon deswegen nicht zu gewähren, weil an der Rechtmäßigkeit des Schätzungsbescheids keine ernstlichen Zweifel bestehen. Das Finanzamt war befugt, die Spieleinsätze gem. § 162 AO zu schätzen. Die Aufzeichnungen der Antragstellerin waren der Besteuerung nicht zugrunde zu legen, weil sie wegen des vorzeitigen Löschens der Geldspielgeräte-internen Speicherung der Nutzungsdaten nicht hinreichend den Vorschriften der §§ 140 bis 148 AO entsprechen und weil Anhaltspunkte für die Unvollständigkeit der von der Antragstellerin in ihren Steueranmeldungen gemachten Angaben bestehen.

Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung des Großen Senats des BFH ist i.Ü. herauszustellen, dass das FG nicht die im finanzbehördlichen Aussetzungsverfahren getroffene Entscheidung zu überprüfen, sondern nach Maßgabe des § 69 FGO eigenständig zu entscheiden hat. Eine Bindung des FG an von der Finanzbehörde eingeräumten ernstlichen Zweifel bestehen daher nicht. Wegen Divergenz zu einem BFH-Beschluss (7.5.2008, IX S 26/07) war die Beschwerde zum BFH zuzulassen.

Linkhinweis:

FG Hamburg NL vom 2.1.2017
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