Vorabentscheidungsersuchen zum Antidumpingzoll auf Schuhe
FG Düsseldorf 20.4.2016, 4 K 1099/14 ZDie Kommission stellte im Jahr 2005 fest, dass Schuhe aus China und Vietnam zu unangemessen niedrigen Preisen in die EU eingeführt werden. Im Rahmen einer Dumpinguntersuchung ermittelte sie den angemessenen Preis aufgrund der Inlandsverkaufspreise Brasiliens. Auf dieser Basis setzte der Rat der EU einen Antidumpingzoll fest, der bis zum 31.3.2011 galt. Bereits 2005 hatten chinesische und vietnamesische Schuhproduzenten bei der Kommission beantragt, wie Hersteller in Marktwirtschaftsländern behandelt zu werden und individuelle Antidumpingzollsätze zahlen zu dürfen. Diese Anträge bearbeitete die Kommission jedoch nicht.
Dagegen klagten einige Hersteller und erhielten mit Urteilen des EuGH vom 2.2.2012 (C-249/10 P) und vom 15.12.2012 (C-247/10 P) Recht. Die den Antidumpingzoll einführenden Verordnungen seien aufgrund der Nichtberücksichtigung ihrer Anträge ungültig. Die Urteile wirkten allerdings nur zwischen den Parteien der beiden Klageverfahren. In der Folgezeit klagten Einführer von Schuhen auf Erstattung gezahlten Antidumpingzolls. Mit Urteil vom 4.2.2016 (C-659/13 und C-34/14), das gegenüber jedermann wirkt, wiederholte der EuGH seine Rechtsauffassung. Grundsätzlich sei der Antidumpingzoll auf Schuhe zu Recht eingeführt worden. Das gelte jedoch nicht in Bezug auf Hersteller, deren Anträge auf Marktwirtschaftsbehandlung unberücksichtigt geblieben sind.
Die Kommission beabsichtigt nun, nachträglich individuelle Antidumpingzollsätze zu bestimmen. Dazu forderte sie die Zollbehörden mit der Verordnung vom 17.2.2016 auf, ihr sämtliche Erstattungsanträge vorzulegen, um sie selbst prüfen und über die unbearbeiteten Anträge der ausführenden Hersteller entscheiden zu können. Zugleich untersagte sie den Zollbehörden, Erstattungen vorzunehmen.
Das Finanzamt setzte mit am 10.5.2010 erstelltem Einfuhrabgabenbescheid u.a. für sechs Einfuhren von Schuhen aus China und Vietnam, die die Klägerin im April 2010 zur Überführung in den zollrechtlich freien Verkehr angemeldet hatte, insgesamt rd. 11.000 € Antidumpingzoll fest. Lieferanten und Hersteller der aus China eingeführten Schuhe war die A Ltd. und der aus Vietnam eingeführten Schuhe die B Inc. Beide Firmen hatten im Juli 2005 unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen Marktwirtschaftsbehandlung beantragt, wurden aber von der EU-Kommission (Kommission) nicht in die Stichprobe einbezogen. Am 12.6.2012 beantragte die Klägerin im Hinblick auf die neuere EuGH-Rechtsprechung die Erstattung des Antidumpingzolls, da die VO 1472/2006 wegen bestimmter Rechtsfehler nichtig sei. Diesen Antrag lehnte das Finanzamt ab.
Das FG setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH die Frage zur Vorabentscheidung vor.
Die Gründe:
Es bestehen Zweifel am Vorliegen einer Rechtsgrundlage für die Verordnung, insbesondere vor dem Hintergrund, dass mit der Verordnung eine Maßnahme mit echter Rückwirkung vorbereitet werden soll.
Denn der Antidumpingzoll soll - anders als im Ausgangsfall des EuGH-Urteils vom 28.1.2016, C-283/14 und C-284/14 - rückwirkend für abgeschlossene Sachverhalte wieder eingeführt werden. Im Einzelnen sollen die Zollsätze ab dem Tag wirksam werden, an dem die für nichtig erklärte Verordnung in Kraft getreten ist, obwohl die Maßnahme zum 31.3.2011 ausgelaufen ist. Gründe, die ausnahmsweise eine derartige Rückwirkung erfordern, sind weder in der Durchführungsverordnung vorgetragen noch sonst ersichtlich geworden.
Im Übrigen besitzt die Kommission keine Kompetenz zur Durchführung von Erstattungsverfahren. Die einfach zu beantwortende Frage, ob Erstattungsanträge form- und fristgerecht gestellt worden sind, obliegt den zuständigen nationalen Zollbehörden, nicht der Kommission. Gleiches gilt für die Frage, welche von den Erstattungsanträgen umfasste Einfuhr von einem Hersteller stammt, dessen Antrag auf Marktwirtschafts- und Individualbehandlung unbearbeitet geblieben ist. Das Klageverfahren war demnach auszusetzen und die Frage dem EuGH zur Vorabentscheidung vorzulegen.
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