01.03.2013

Vorlageentscheidung: Reichensteuer teilweise verfassungswidrig

Der seit Anfang 2007 erhobene Spitzensteuersatz von 45% bei der Einkommensteuer (sog. "Reichensteuer") stellt eine teilweise verfassungswidrige Ungleichbehandlung dar. Diese Ansicht vertritt das FG Düsseldorf und hat infolgedessen dem BVerfG die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 5 EStG i.V.m. § 32c EStG - in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 2007 und des Jahressteuergesetzes 2007 - mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist.

FG Düsseldorf 14.12.2012, 1 K 2309/09 E
Der Sachverhalt:
Der Kläger war ist Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH. Aus dieser Geschäftsführertätigkeit erzielte er im Streitjahr 2007 Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit i.H.v. 1,5 Mio. €. Das Finanzamt unterwarf diese Einkünfte dem für Einkommen über 250.000 € bei Ledigen und über 500.000 € bei Verheirateten geltenden Spitzensteuersatz von 45% gem. § 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 5 EStG in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 2007.

Dagegen wandte sich der Kläger und berief sich auf eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung. Schließlich würden im Jahr 2007 sehr gut verdienende Angestellte wie er dem Spitzensteuersatz unterworfen. Selbständige Unternehmer und Freiberufler, die gleich hohe Einkünfte erzielten, unterlägen hingegen nur einem Höchststeuersatz von 42%. Dem hielt die Finanzbehörde entgegen, der Steuergesetzgeber sei nicht daran gehindert, nichtfiskalische Förderungs- und Lenkungsziele aus Gründen des Gemeinwohls zu verfolgen. Ihm sei hinsichtlich der wirtschaftspolitischen Diagnose und Prognose sowie bei der Wahl sachgerechter Mittel - insbesondere auch bei der sachgerechten Abgrenzung des Kreises der Begünstigten - ein weiter Beurteilungs- und Gestaltungsspielraum eingeräumt.

Das FG hat das Verfahren ausgesetzt und dem BVerfG die Frage zur Entscheidung vorgelegt, ob § 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 5 EStG i.V.m. § 32c EStG - in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 2007 und des Jahressteuergesetzes 2007 - mit Art. 3 Abs. 1 GG insoweit vereinbar ist, als der Gesetzgeber im Zusammenhang mit der Anhebung des Spitzensteuersatzes von 42 % auf 45 % gleichzeitig eine auf Gewinneinkünfte i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 EStG beschränkte Tarifbegrenzung (Entlastungsbetrag nach § 32c EStG) eingeführt hat.

Die Gründe:
Der Senat ist davon überzeugt, dass § 32a Abs. 1 S. 2 Nr. 5 EStG 2007 i.V.m. § 32c EStG 2007 insoweit gegen Art. 3 Abs. 1 GG verstößt, als der Gesetzgeber im Zusammenhang mit der Anhebung des Spitzensteuersatzes von 42 % auf  45 % gleichzeitig eine auf Gewinneinkünfte i.S.d. § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 EStG beschränkte Tarifbegrenzung (Entlastungsbetrag nach § 32c EStG 2007) eingeführt hat. Gem. Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG i.V.m. § 80 BVerfGG ist das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des BVerfG einzuholen.

Die Tatsache, dass im Jahr 2007 Arbeitnehmer mit Lohn- und Gehaltseinkünften sowie Steuerpflichtige mit Miet- oder Zinseinkünften einem Steuersatz von 45% unterworfen wurden, andere Steuerpflichtige hingegen maximal 42% zahlen mussten, stellt nach Ansicht des Senats eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung dar. Ein erkennbarer Rechtfertigungsgrund, gerade sehr gut verdienende Arbeitnehmer steuerlich besonders stark zu belasten, ist vom Gesetzgeber nicht angeführt worden. Diese Auffassung steht in Einklang mit einer Vielzahl von Stimmen im steuerlichen Schrifttum.

Zwar darf man den Spitzensteuersatz oder gar den Einkommensteuertarif nicht insgesamt für verfassungswidrig halten. Denn bei der Ausgestaltung des Steuersatzes kommt dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Vor dem Gleichheitsgebot des Grundgesetzes lässt es sich aber nicht rechtfertigen, dass nur eine bestimmte Gruppe von Steuerpflichtigen in 2007 der sog. "Reichensteuer" unterworfen werden, andere Steuerpflichtige wie Unternehmer und Freiberufler hingegen nicht. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich die Entscheidung des Gerichts und damit die verfassungsrechtlichen Zweifel nur auf das Jahr 2007 beziehen. Schließlich unterfallen seit dem Inkrafttreten der Unternehmenssteuerreform im Jahr 2008 alle Steuerpflichtigen, egal welche Einkünfte sie erzielen, bei hohem Einkommen dem Steuersatz von 45%.

Linkhinweis:

FG Düsseldorf PM v. 28.2.2013
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