Vorsteuerabzug bei Freizeitbekleidung im Niedrigpreissegment
Hessisches FG 31.7.2016, 1 K 323/14Die Klägerin betrieb im Streitjahr 2010 einen An- und Verkauf von Textilien. Nachdem die Oberfinanzdirektion das Finanzamt darüber informiert hatte, dass die Klägerin in den Jahren 2010 und 2011 Vorsteuern aus Rechnungen eines Einzelunternehmens und einer GmbH geltend gemacht habe, obwohl Zweifel an der tatsächlichen Durchführung der Lieferungen bestünden, ordnete das Finanzamt bei der Klägerin eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung für 2010 an. Dabei stellte die Prüferin fest, dass die Klägerin in ihrer Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr u.a. Vorsteuern aus drei Rechnungen der GmbH geltend gemacht hatte.
Die Prüferin gelangte zu der Überzeugung, dass es sich bei den drei Rechnungen um sog. Abdeckrechnungen handele. Sie führte aus: "Nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Feststellungen fehlt es der GmbH an Handelswaren, die zur Ausführung der in Rechnung gestellten Umsätze benötigt werden. Es mangelt demnach an einem Leistungsaustausch. Der Vorsteuerabzug ist in voller Höhe zu versagen (§ 15 Abs. 1 S.1 Nr. 1 S. 1 UStG)." Das Finanzamt schloss sich dem an und kürzte die Vorsteuerbeträge.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Die Revision wurde nicht zugelassen.
Die Gründe:
Die zugrunde liegenden Eingangsrechnungen aus Textillieferungen erfüllten bereits nicht die formellen Voraussetzungen einer ordnungsgemäßen Rechnung i.S.d. § 14 Abs. 4 UStG.
Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt voraus, dass der Unternehmer eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Nach § 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 5 UStG muss eine Rechnung u. a. die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung enthalten. Nach BFH-Rechtsprechung dient das Abrechnungspapier für den Vorsteuerabzug als Belegnachweis. Deshalb müssen die Abrechnungspapiere Angaben tatsächlicher Art enthalten, welche die Identifizierung der Leistung ermöglichen, über die abgerechnet wurde. Zur Konkretisierung der erbrachten Lieferung oder Leistung kann in der Abrechnung zwar auf andere Geschäftsunterlagen verwiesen werden. Die den Leistungsgegenstand betreffenden Angaben müssen aber eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung der Leistung, über die abgerechnet wurde.
Für den Bereich des Handels von Kleidungsstücken, speziell von Freizeitbekleidung im Niedrigpreissegment, hat die finanzgerichtliche Rechtsprechung entschieden, dass die bloße Angabe einer Gattung (z. B. Hose, Bluse) für eine hinreichende Leistungsbeschreibung nicht genügt. Notwendig ist vielmehr eine Beschaffenheitsbeschreibung dergestalt, dass die zu einer Identifizierung notwendigen und erforderlichen Merkmale beschrieben werden. Eine solche weitergehende Umschreibung der Ware kann etwa über die Herstellerangaben bzw. die Angabe einer etwaigen Eigenmarke oder über Modelltyp, Farbe und Größe sowie unter Bezugnahme auf eine Artikel- oder Chargennummer erfolgen. In Betracht kommt auch die Benennung von Größe, Farbe, Material, gegebenenfalls Sommer- oder Winterware, Schnittform, z.B. langer oder kurzer Arm, lange oder kurze Hose, Jogginghose etc.
Nichts anderes kann für Großhändler gelten, da auch deren Waren mittelbar über weitere Händler in den Einzelhandel gelangen. Gemessen an diesen Grundsätzen enthielten die in Kopie vorgelegten streitigen Eingangsrechnungen keine hinreichenden Angaben, die eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung der Leistung ermöglichen, über die abgerechnet wurde. Die in den Rechnungen enthaltene bloße Angabe einer Gattung (z.B. Hose, Pulli, Oberteile, Jacke) stellte keine handelsübliche Bezeichnung dar und genügte nicht den Anforderungen des § 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 5 UStG.
Linkhinweis:
- Der Volltext ist auf der Homepage Hessenrecht Landesrechtsprechungsdatenbank veröffentlicht.
- Um direkt zum Volltext zu kommen, klicken Sie bitte hier.