Vorsteuerabzug einer geschäftsleitenden Holding - Organschaft: GmbH & Co. KG als juristische Person i.S.d. § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 UStG
BFH 1.6.2016, XI R 17/11Die Klägerin ist eine GmbH & Co. KG. Sie war im Streitjahr 2005 als sog. "Dachfonds" an zwei - ebenfalls in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG betriebenen - Tochtergesellschaften als Kommanditistin beteiligt. Diese waren jeweils Eigentümerinnen eines von ihnen im internationalen Schiffsverkehr betriebenen Vollcontainerschiffes. Im März 2005 hatte die Klägerin mit ihren Tochtergesellschaften einen "Dienstleistungsvertrag" abgeschlossen, wonach sie "administrative Leistungen" (u.a. Organisation und Durchführung von Gesellschafterversammlungen) übernehmen und dafür im Streitjahr eine Pauschalvergütung erhalten sollte.
Die Klägerin hatte im Streitjahr 2005 mithilfe der A-GmbH Kapital eingeworben, um sich damit an Schifffahrtsgesellschaften zu beteiligen. Für ihre Aufwendungen im Zusammenhang mit der Einwerbung des Kapitals und für die Erstellung eines von der B-GmbH erstellten Prospektgutachtens fiel Umsatzsteuer an, die die Klägerin in ihrer Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2005 als Vorsteuer geltend machte. Das Finanzamt ließ davon nur 22,31 % zum Vorsteuerabzug zu, da das von der Klägerin eingeworbene Kapital i.H.v. 77,69 % ihrem nichtwirtschaftlichen Bereich (Halten von Anteilen an den Tochtergesellschaften), für den ein Vorsteuerabzug ausscheide.
Die Klägerin war der Ansicht, ihr stehe der volle Vorsteuerabzug zu. Zumindest stehe ihr der Vorsteuerabzug unter dem Gesichtspunkt einer mit ihren Tochtergesellschaften bestehenden Organschaft zu. Auf die Revision der Klägerin hat der BFH das Verfahren ausgesetzt und dem EuGH die Frage nach der Berechnungsmethode des anteiligen Vorsteuerabzugs vorgelegt. Zudem stand die Frage im Raum, ob eine Personengesellschaft Organgesellschaft sein kann bzw. ob die Beschränkung auf juristische Personen als Organgesellschaften mit dem Unionsrecht vereinbar ist.
Der EuGH hat entschieden (EuGH-Urt. v. 16.7.2015, C-108/14 u.a. - Larentia + Minerva), dass der bloße Erwerb und das reine Halten von Beteiligungen mit der Absicht, Beteiligungserträge zu erzielen, keine wirtschaftliche Tätigkeit darstellt. Dagegen wird durch das entgeltliche Eingreifen in die Verwaltung der Beteiligungsgesellschaften eine wirtschaftliche Tätigkeit begründet. Eine geschäftsleitende Holding ist damit grundsätzlich in voller Höhe vorsteuerabzugsberechtigt. Eine Aufteilung kommt nur in Betracht, wenn auch Beteiligungen gehalten werden, an die keine Dienstleistungen erbracht werden. Zudem sei eine Organschaft nicht auf juristische Personen beschränkt. Eine Begrenzung könne lediglich zur Verhinderung missbräuchlicher Praktiken gerechtfertigt sein.
Daraufhin hat der BFH das erstinstanzliche Urteil aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen.
Gründe:
Der Klägerin steht der begehrte Vorsteuerabzug für die bezogenen Eingangsleistungen zu. Allerdings kommt das Vorliegen einer Organschaft in Betracht, so dass ggf. die Umsätze der Tochtergesellschaften im angefochtenen Umsatzsteuerbescheid zu erfassen sind.
Im Anschluss an die EuGH-Entscheidung geht auch der BFH davon aus, dass eine GmbH u. Co.KG Organgesellschaft sein kann. Einer geschäftsleitenden Holding, die an der Verwaltung einer Tochtergesellschaft teilnimmt und insoweit eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, steht für Vorsteuerbeträge, die im Zusammenhang mit dem Erwerb von Beteiligungen an dieser Tochtergesellschaft stehen, grundsätzlich der volle Vorsteuerabzug zu. § 2 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 UStG kann in einer mit Art. 4 Abs. 4 Unterabs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG zu vereinbarenden Weise richtlinienkonform dahingehend ausgelegt werden, dass der Begriff "juristische Person" auch eine GmbH & Co. KG umfasst.
Die Klägerin ist nach Auffassung des FG, des Senats und des EuGH eine Unternehmerin, deren Tätigkeit darin besteht, dass sie an alle ihre Tochtergesellschaften gegen Entgelt administrative und kaufmännische Dienstleistungen erbringt. Soweit das Finanzamt sowie auch das FG und der Senat im Vorlagebeschluss gleichwohl eine nur teilweise Gewährung des Vorsteuerabzugs für möglich gehalten hatten, widersprach dies dem EuGH-Urteil Larentia + Minerva. Die Klägerin hatte keine Leistungen an andere Tochtergesellschaften erbracht, an deren Verwaltung sie nicht teilnimmt.
Zwar traf die Auffassung des Finanzamtes, der Vorsteuerabzug könne zur Vermeidung einer missbräuchlichen Praxis versagt werden, grundsätzlich zu. Allerdings waren keine Anhaltspunkte für eine missbräuchliche Praxis ersichtlich. Weder die Höhe des Entgelts der Klägerin für ihre Dienstleistungen noch der Umstand, dass das Finanzamt die Voraussetzungen des Abschn. 2.3 Abs. 4 UStAE verneint hatte, weil die Beteiligungen nicht als Hilfsumsatz für die wirtschaftliche Tätigkeit (Dienstleistungen) der Klägerin anzusehen seien, sprachen für das Vorliegen eines Missbrauchs. Abgesehen davon binden norminterpretierende Verwaltungsvorschriften wie Abschn. 2.3 Abs. 4 UStAE die Gerichte ohnehin nicht
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