13.10.2022

Vorsteuerabzug und Personalabbau

Bezieht der Unternehmer für einen von ihm angestrebten Personalabbau Leistungen von sog. Outplacement-Unternehmen, mit denen unkündbar und unbefristet Beschäftigte individuell insbesondere durch sog. Bewerbungstrainings bei der Begründung neuer Beschäftigungsverhältnisse unterstützt werden sollen, ist der Unternehmer aufgrund eines vorrangigen Unternehmensinteresses zum Vorsteuerabzug berechtigt.

Kurzbesprechung
BFH v. 30. 6. 2022 - V R 32/20

UStG § 1 Abs 1 Nr. 1 S 1, § 3 Abs 12 S 2, § 15 Abs 1 S 1 Nr. 1
EGRL 112/2006 Art 168 Buchst a, UStG § 3 Abs 9,


Nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG kann der Unternehmer die gesetzlich geschuldete Steuer für Leistungen, die von einem anderen Unternehmer für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuer abziehen. Ausgeschlossen ist der Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG für Leistungen, die der Unternehmer für steuerfreie Umsätze verwendet.

Der Unternehmer ist zum Vorsteuerabzug berechtigt, soweit er Leistungen für sein Unternehmen (§ 2 Abs. 1 UStG, Art. 9 MwStSystRL) und damit für seine wirtschaftlichen Tätigkeiten zur Erbringung entgeltlicher Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG, Art. 2 Abs. 1 Buchst. a und c MwStSystRL) zu verwenden beabsichtigt. Dabei muss der direkte und unmittelbare Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangsumsatz vorliegen, der z.B. zur wirtschaftlichen Gesamttätigkeit bestehen kann.

Beabsichtigt der Unternehmer bereits beim Leistungsbezug, die bezogene Leistung nicht für seine wirtschaftliche Tätigkeit, sondern ausschließlich und unmittelbar für eine unentgeltliche Entnahme i.S. von § 3 Abs. 9a UStG zu verwenden, ist er allerdings nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt.

Für die Feststellung des maßgeblichen direkten und unmittelbaren Zusammenhangs ist der "ausschließliche Entstehungsgrund des fraglichen Umsatzes" zu berücksichtigen. Stellt die Verfolgung der steuerpflichtigen Tätigkeit nicht den ausschließlichen Entstehungsgrund für die Tätigung bestimmter Kosten und Ausgaben dar, können diese nicht als in direktem und unmittelbarem Zusammenhang mit dieser Tätigkeit stehend angesehen werden.

Im Streitfall bestand für die Steuerpflichtige ein vorrangiges Unternehmensinteresse, hinter dem das Interesse des Beschäftigten an der Outplacementberatung zurücktrat. Dies ist für Zwecke des Vorsteuerabzugs nach den für die Entnahmebesteuerung maßgeblichen Kriterien zu beurteilen.

Danach liegt ein vorrangiges Unternehmensinteresse z.B. dann vor,
 
  • wenn die Übernahme der Beförderung des Arbeitnehmers zwischen Wohnung und Arbeitsstätte unter besonderen Umständen durch die Erfordernisse der wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmens bedingt ist und der durch den Arbeitnehmer erlangte persönliche Vorteil gegenüber dem Bedarf des Unternehmens als nebensächlich erscheint,
  • wenn bei der Abgabe von Mahlzeiten ausnahmsweise der persönliche Vorteil, den die Arbeitnehmer daraus ziehen, gegenüber den Bedürfnissen des Unternehmens als nur untergeordnet erscheint oder
  • wenn der private Bedarf der Arbeitnehmer bei der Übernahme von Maklerkosten hinter dem unternehmerischen Interesse zurücktritt, erfahrene Mitarbeiter des Konzerns unabhängig von deren bisherigem Arbeits- und Wohnort für den Aufbau eines Konzerndienstleisters umzusiedeln.


Im Streitfall hatte das FG zutreffend entschieden, dass die Steuerpflichtige zum Vorsteuerabzug berechtigt war. Das Interesse der Steuerpflichtigen am Personalabbau überwog den Vorteil, der sich für die dort Beschäftigten an der Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses ergab. So ist es jedenfalls dann, wenn es um die Begründung neuer Arbeitsverhältnisse für unkündbar und unbefristet Beschäftigte geht. Bei derartigen Beschäftigungsverhältnissen konnte das FG davon ausgehen, dass sich das Interesse an der Begründung neuer Arbeitsverhältnisse nicht aus dem Wunsch des Beschäftigten nach einem Arbeitgeberwechsel, sondern aus dem unternehmerischen Ziel erklärte, Beschäftigte, deren gegenwärtige Betätigung aus unternehmerischen Gründen beendet werden sollte, denen aber nicht gekündigt werden konnte, davon zu überzeugen, einer Auflösung des bestehenden Beschäftigungsverhältnisses zuzustimmen. Den Beschäftigten wurde ein von ihnen ursprünglich nicht gewünschter Vorteil aus unternehmerischen Gründen quasi aufgedrängt. Dass Beschäftigte von sich aus Arbeitsverhältnisse neu begründen wollten, hatte das FG nicht festgestellt und wurde seitens der Steuerpflichtigen auch nicht geltend gemacht.

Verlag Dr. Otto Schmidt
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