07.02.2019

Vorsteuerabzug: Zum Rechnungsmerkmal "vollständige Anschrift"

Für die Ausübung des Rechts auf Vorsteuerabzug ist erforderlich, dass der Leistungsempfänger eine Rechnung besitzt, in der eine Anschrift des Leistenden genannt ist, unter der jener postalisch erreichbar ist. Dabei ist für die Prüfung des Rechnungsmerkmals "vollständige Anschrift" der Zeitpunkt der Rechnungsausstellung maßgeblich. Die Feststellungslast für die postalische Erreichbarkeit zu diesem Zeitpunkt trifft den Vorsteuerabzug begehrenden Leistungsempfänger.

BFH v. 5.12.2018 - XI R 22/14
Der Sachverhalt:

Der Kläger betrieb eine Gebäudereinigung und ein Internetcafé. In seiner Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 2007 hatte er Vorsteuerbeträge i.H.v. 38.994 € erklärt. Aufgrund einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung gelangte das Finanzamt u.a. zu dem Ergebnis, dass Vorsteuern hinsichtlich der Rechnungen zweier Unternehmen wegen falscher Rechnungsangaben bzw. fehlender Unternehmereigenschaft i.H.v. 11.923 € nicht abzugsfähig seien. Infolgedessen erkannte die Behörde die Vorsteuern aus diesen Rechnungen nicht an.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Revision des Klägers hob der BFH das Urteil auf und wies die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.

Gründe:

Die Feststellungen des FG lassen keine abschließende Beurteilung zu der Frage zu, ob die Rechnungsaussteller unter der von ihnen in ihren Rechnungen angegebenen Anschrift postalisch erreichbar gewesen waren.

Nach § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG muss eine Rechnung die Angabe des vollständigen Namens und der vollständigen Anschrift des leistenden Unternehmers und des Leistungsempfängers enthalten. Nach BFH-Rechtsprechung sind § 15 Abs. 1 Nr. 1, § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG richtlinienkonform dahingehend auszulegen, dass eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung nicht voraussetzt, dass die wirtschaftliche Tätigkeit des leistenden Unternehmers unter der Anschrift ausgeübt wird, die in der von ihm ausgestellten Rechnung angegeben ist. Vielmehr reicht jede Art von Anschrift, einschließlich einer Briefkastenanschrift, aus, sofern der Unternehmer unter dieser Anschrift erreichbar ist.

Infolgedessen reichten die Feststellungen des FG im vorliegenden Fall nicht aus, um zu entscheiden, ob der Steuerpflichtige ein Recht zum Abzug der aus den in Frage stehenden Rechnungen geltend gemachten Vorsteuerbeträge hat. Das FG hatte nämlich vor Ergehen des EuGH-Urteils Geissel und Butin (UR 2017, 970) zu Recht keine Feststellungen zur postalischen Erreichbarkeit im Zeitpunkt der Rechnungserstellung getroffen.

Das FG muss daher im zweiten Rechtsgang ermitteln, ob die Rechnungsaussteller unter den angegebenen Adressen jedenfalls erreichbar waren. Maßgeblich hierfür ist der Zeitpunkt der Rechnungsausstellung. Denn der EuGH hat Art. 226 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28.11.2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (MwStSystRL) in der Weise teleologisch ausgelegt, dass die Angaben, die eine Rechnung enthalten muss, es den Steuerverwaltungen ermöglichen, die Entrichtung der geschuldeten Steuer und gegebenenfalls das Bestehen des Vorsteuerabzugsrechts zu kontrollieren. Die Angaben sollen es ermöglichen, eine Verbindung zwischen einer bestimmten wirtschaftlichen Transaktion und einem konkreten Wirtschaftsteilnehmer, dem Rechnungsaussteller, herzustellen. Diese Kontrollmöglichkeit besteht für die Steuerbehörde erst mit der Erstellung der Rechnung sowie deren Kenntnisnahme und nicht im Zeitpunkt der Leistungserbringung.

Lässt sich eine Erreichbarkeit zu diesem Zeitpunkt nicht ermitteln, trifft die Feststellungslast den Leistungsempfänger. Der Unternehmer, der den Vorsteuerabzug geltend macht, hat die Darlegungs- und Feststellungslast für alle Tatsachen, die den Vorsteuerabzug begründen.

Linkhinweis:

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