Vorsteuerberichtigung nach § 17 UStG im Dreipersonenverhältnis als Masseverbindlichkeit gemäß § 55 InsO
Kurzbesprechung
BFH v. 24.8.2023 - V R 29/21
UStG § 17 Abs 1 S 2, § 17 Abs 2 Nr. 1 S 1
InsO § 35 Abs 1, § 38, § 55 Abs 1 Nr. 1, § 134 Abs 1, § 144 Abs 1
Ändert sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG, hat der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. Ebenfalls ist gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG der Vorsteuerabzug bei dem Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt wurde, zu berichtigen. Dies gilt nicht, soweit er durch die Änderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich nicht begünstigt wird (§ 17 Abs. 1 Satz 3 UStG).
Nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG gilt Abs. 1 dieser Vorschrift sinngemäß, wenn das vereinbarte Entgelt für eine steuerpflichtige Lieferung, sonstige Leistung oder einen steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerb uneinbringlich geworden ist. Wird das Entgelt nachträglich vereinnahmt, sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG).
Im Streitfall war der Vorsteuerabzug bei der A GmbH infolge der Uneinbringlichkeit der vereinbarten Entgelte zu berichtigen. Die ursprünglichen Zahlungsansprüche der Leistungserbringer gegen die A GmbH waren aufgrund der ‑ auch bei Tilgung einer fremden Schuld möglichen ‑ Anfechtung im Sinne des § 134 Abs. 1 InsO und der Rückgewähr der geleisteten Entgelte wiederaufgelebt. Zugleich waren sie ‑ da zum Zeitpunkt des Wiederauflebens der Forderungen auch über das Vermögen der A GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet worden war ‑ als Insolvenzforderungen im Sinne von § 38 InsO und damit nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG als uneinbringlich zu behandeln.
Hierbei steht der Umstand, dass die leistenden Unternehmer jeweils das Entgelt bereits vereinnahmt hatten, der Annahme einer Uneinbringlichkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG nicht entgegen. Denn ein Entgelt kann auch nach seiner Vereinnahmung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG uneinbringlich werden, wenn es - wie im Streitfall - zu einer Rückgewähr des Entgelts kommt und der Unternehmer seinen Entgeltanspruch auch nicht anderweitig durchsetzen kann.
Die in § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 UStG angeordnete Berichtigung des Steuerbetrags im Fall der Uneinbringlichkeit hatte nach dem ebenfalls von der Rechtsfolgenverweisung des § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG umfassten § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG zwingend ("ist") die Berichtigung des Vorsteuerabzugs zur Folge, ohne dass es im Streitfall insoweit auf die Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG ankam.
Zugleich fand § 17 Abs. 1 Satz 3 UStG, wonach es nicht zur Vorsteuerberichtigung beim Leistungsempfänger kommt, soweit er durch die Änderung der Bemessungsgrundlage ‑ und damit im Streitfall im Rahmen von § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG durch die Uneinbringlichkeit ‑ wirtschaftlich nicht begünstigt wird, keine Anwendung, da eine wirtschaftliche Begünstigung des Leistungsempfängers (der A GmbH) durch die Uneinbringlichkeit eines vereinbarten und weiterhin in unveränderter Höhe geschuldeten Entgelts im Streitfall nicht ersichtlich war.
Der BFH entschied ferner, dass der Vorsteuerberichtigungsanspruch keine Masseverbindlichkeit im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO im Insolvenzverfahren der Leistungsempfängerin ist und daher nicht durch Steuerbescheid gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend gemacht werden darf. Denn die von einem Insolvenzverwalter eines Dritten vorgenommene Anfechtung, die zu einer Vorsteuerberichtigung beim Leistungsempfänger führt, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet ist, ist keine Handlung des Insolvenzverwalters im Verfahren des Leistungsempfängers und nicht durch die Verwaltung der Insolvenzmasse des Leistungsempfängers bedingt.
Sonstige Masseverbindlichkeiten sind nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO die Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 1 InsO) oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 InsO) begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören. Eine Steuerschuld entsteht als Masseverbindlichkeit kraft Gesetzes, soweit sie die Insolvenzmasse betrifft. Dies ist der Fall, wenn die Verbindlichkeit durch die Insolvenzverwaltung ausgelöst wird oder jedenfalls einen Bezug zur Insolvenzmasse aufweist.
Der als Masseverbindlichkeit anzusehende Teil des Umsatzsteueranspruchs, der für das Kalenderjahr festzusetzen ist, ist durch Steuerbescheid gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend zu machen. Die Steuerfestsetzung für die Masse erfordert dabei eine Steuerberechnung gemäß §§ 16 ff. UStG, bei der die Umsätze, abziehbaren Vorsteuerbeträge und Berichtigungen insoweit zu berücksichtigen sind, als diese der Masse zuzuordnen sind. Maßgeblich ist dabei, ob für diese Besteuerungsgrundlagen die Voraussetzungen des § 55 InsO vorliegen.
Im Streitfall war der in Rede stehende Vorsteuerberichtigungsanspruch nicht als Masseverbindlichkeit im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO anzusehen. Denn es fehlte sowohl an einer Handlung des Steuerpflichtigen als Insolvenzverwalter über das Vermögen der A GmbH als auch an einer Begründung durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse der A GmbH.
Verlag Dr. Otto Schmidt
UStG § 17 Abs 1 S 2, § 17 Abs 2 Nr. 1 S 1
InsO § 35 Abs 1, § 38, § 55 Abs 1 Nr. 1, § 134 Abs 1, § 144 Abs 1
Ändert sich die Bemessungsgrundlage für einen steuerpflichtigen Umsatz im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG, hat der Unternehmer, der diesen Umsatz ausgeführt hat, nach § 17 Abs. 1 Satz 1 UStG den dafür geschuldeten Steuerbetrag zu berichtigen. Ebenfalls ist gemäß § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG der Vorsteuerabzug bei dem Unternehmer, an den dieser Umsatz ausgeführt wurde, zu berichtigen. Dies gilt nicht, soweit er durch die Änderung der Bemessungsgrundlage wirtschaftlich nicht begünstigt wird (§ 17 Abs. 1 Satz 3 UStG).
Nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG gilt Abs. 1 dieser Vorschrift sinngemäß, wenn das vereinbarte Entgelt für eine steuerpflichtige Lieferung, sonstige Leistung oder einen steuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Erwerb uneinbringlich geworden ist. Wird das Entgelt nachträglich vereinnahmt, sind Steuerbetrag und Vorsteuerabzug erneut zu berichtigen (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG).
Im Streitfall war der Vorsteuerabzug bei der A GmbH infolge der Uneinbringlichkeit der vereinbarten Entgelte zu berichtigen. Die ursprünglichen Zahlungsansprüche der Leistungserbringer gegen die A GmbH waren aufgrund der ‑ auch bei Tilgung einer fremden Schuld möglichen ‑ Anfechtung im Sinne des § 134 Abs. 1 InsO und der Rückgewähr der geleisteten Entgelte wiederaufgelebt. Zugleich waren sie ‑ da zum Zeitpunkt des Wiederauflebens der Forderungen auch über das Vermögen der A GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet worden war ‑ als Insolvenzforderungen im Sinne von § 38 InsO und damit nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG als uneinbringlich zu behandeln.
Hierbei steht der Umstand, dass die leistenden Unternehmer jeweils das Entgelt bereits vereinnahmt hatten, der Annahme einer Uneinbringlichkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG nicht entgegen. Denn ein Entgelt kann auch nach seiner Vereinnahmung nach § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG uneinbringlich werden, wenn es - wie im Streitfall - zu einer Rückgewähr des Entgelts kommt und der Unternehmer seinen Entgeltanspruch auch nicht anderweitig durchsetzen kann.
Die in § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 UStG angeordnete Berichtigung des Steuerbetrags im Fall der Uneinbringlichkeit hatte nach dem ebenfalls von der Rechtsfolgenverweisung des § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 UStG umfassten § 17 Abs. 1 Satz 2 UStG zwingend ("ist") die Berichtigung des Vorsteuerabzugs zur Folge, ohne dass es im Streitfall insoweit auf die Voraussetzungen des § 17 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 UStG ankam.
Zugleich fand § 17 Abs. 1 Satz 3 UStG, wonach es nicht zur Vorsteuerberichtigung beim Leistungsempfänger kommt, soweit er durch die Änderung der Bemessungsgrundlage ‑ und damit im Streitfall im Rahmen von § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG durch die Uneinbringlichkeit ‑ wirtschaftlich nicht begünstigt wird, keine Anwendung, da eine wirtschaftliche Begünstigung des Leistungsempfängers (der A GmbH) durch die Uneinbringlichkeit eines vereinbarten und weiterhin in unveränderter Höhe geschuldeten Entgelts im Streitfall nicht ersichtlich war.
Der BFH entschied ferner, dass der Vorsteuerberichtigungsanspruch keine Masseverbindlichkeit im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO im Insolvenzverfahren der Leistungsempfängerin ist und daher nicht durch Steuerbescheid gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend gemacht werden darf. Denn die von einem Insolvenzverwalter eines Dritten vorgenommene Anfechtung, die zu einer Vorsteuerberichtigung beim Leistungsempfänger führt, über dessen Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet ist, ist keine Handlung des Insolvenzverwalters im Verfahren des Leistungsempfängers und nicht durch die Verwaltung der Insolvenzmasse des Leistungsempfängers bedingt.
Sonstige Masseverbindlichkeiten sind nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO die Verbindlichkeiten, die durch Handlungen des Insolvenzverwalters (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 1 InsO) oder in anderer Weise durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 Halbsatz 2 InsO) begründet werden, ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören. Eine Steuerschuld entsteht als Masseverbindlichkeit kraft Gesetzes, soweit sie die Insolvenzmasse betrifft. Dies ist der Fall, wenn die Verbindlichkeit durch die Insolvenzverwaltung ausgelöst wird oder jedenfalls einen Bezug zur Insolvenzmasse aufweist.
Der als Masseverbindlichkeit anzusehende Teil des Umsatzsteueranspruchs, der für das Kalenderjahr festzusetzen ist, ist durch Steuerbescheid gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend zu machen. Die Steuerfestsetzung für die Masse erfordert dabei eine Steuerberechnung gemäß §§ 16 ff. UStG, bei der die Umsätze, abziehbaren Vorsteuerbeträge und Berichtigungen insoweit zu berücksichtigen sind, als diese der Masse zuzuordnen sind. Maßgeblich ist dabei, ob für diese Besteuerungsgrundlagen die Voraussetzungen des § 55 InsO vorliegen.
Im Streitfall war der in Rede stehende Vorsteuerberichtigungsanspruch nicht als Masseverbindlichkeit im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO anzusehen. Denn es fehlte sowohl an einer Handlung des Steuerpflichtigen als Insolvenzverwalter über das Vermögen der A GmbH als auch an einer Begründung durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse der A GmbH.