20.03.2017

Vorsteuerüberhänge aus der vorläufigen Insolvenzverwaltung können nicht mit später entstandenen Steuerschulden verrechnet werden

Umsatzsteuerschulden, die im Rahmen des Insolvenzverfahrens entstehen, können nicht mit Erstattungsansprüchen aus Vorsteuerüberhängen verrechnet werden, die im Rahmen der vorläufigen Insolvenzverwaltung entstanden sind. Eine Verrechnung kommt deshalb nicht in Betracht, weil das Unternehmen bedingt durch die Erfordernisse des Insolvenzrechts aus mehreren Unternehmensteilen (vorinsolvenzrechtlicher Unternehmensteil, Insolvenzmasse und insolvenzfreies Vermögen) besteht.

FG Münster 26.1.2017, 5 K 3730/14 U
Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist Insolvenzverwalterin über das Vermögen einer GmbH & Co. KG. Das AG hatte die Klägerin zunächst zur vorläufigen Insolvenzverwalterin ohne Verwaltungs- und Verfügungsbefugnis (sog. schwache vorläufige Insolvenzverwalterin) bestellt. Sowohl während des Eröffnungsverfahrens als auch nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens führte die GmbH & Co. KG ihr Bauunternehmen mit Zustimmung der Klägerin fort.

Das Finanzamt teilte die Umsätze des Streitjahres bezogen auf den Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung auf. Auf den Zeitraum nach diesem Stichtag entfiel danach eine Umsatzsteuerschuld, die das Finanzamt gegenüber der Klägerin als Insolvenzverwalterin festsetzte. Die Klägerin begehrte die Verrechnung mit zuvor entstandenen Vorsteuererstattungsansprüchen.

Das FG wies die Klage ab. Die Revision zum BFH wurde zur Fortbildung des Rechts zugelassen.

Die Gründe:
Das Finanzamt hat zu Recht eine Aufteilung des Unternehmens der GmbH & Co KG in mehrere Unternehmensteile ab dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung vorgenommen und dabei eine Verrechnung der vor dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung begründeten Vorsteueransprüche mit den Umsatzsteuerschulden, die nach dem Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung entstanden sind, unterlassen.
 
Das Finanzamt hat demnach zutreffend nur die auf nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens entfallenden Umsatzsteuerschulden gegenüber der Klägerin festgesetzt. Eine Verrechnung mit zuvor entstandenen Vorsteuererstattungsansprüchen, die nicht gegenüber der Klägerin festzusetzen sind, kommt deshalb nicht in Betracht, weil das Unternehmen bedingt durch die Erfordernisse des Insolvenzrechts aus mehreren Unternehmensteilen (vorinsolvenzrechtlicher Unternehmensteil, Insolvenzmasse und insolvenzfreies Vermögen) besteht. Diese Aufteilung lässt das Recht des Unternehmers auf Vorsteuerabzug unberührt, denn dieser kommt dem vorinsolvenzrechtlichen Unternehmensteil zugute.

Dem steht § 55 Abs. 4 InsO, wonach durch einen vorläufigen Insolvenzverwalter begründete Steuerverbindlichkeiten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Masseverbindlichkeit gelten, nicht entgegen. Der Gesetzgeber geht vielmehr davon aus, dass ohne diese Fiktion derartige Verbindlichkeiten nicht zu den Masseverbindlichkeiten gehören. Im Übrigen dient diese Vorschrift der Sicherung des Umsatzsteueranspruchs im Insolvenzeröffnungsverfahren. Die Möglichkeit einer Verrechnung mit Erstattungsansprüchen ist dagegen gesetzlich nicht vorgesehen. Da die Klägerin lediglich eine "schwache" vorläufige Insolvenzverwalterin war, unterlag die Insolvenzmasse erst mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens der Beschlagnahme.

Linkhinweis:

FG Münster NL vom 15.3.2017
Zurück