29.10.2020

Vorsteuervergütung im Insolvenzeröffnungsverfahren

55 Abs. 4 InsO ist nur auf Masseverbindlichkeiten, nicht aber auch auf Vergütungsansprüche zugunsten der Masse anzuwenden.

Kurzbesprechung
BFH v. 23.7.2020 - V R 26/19

UStG § 1 Abs 1 Nr. 1, § 16 Abs. 2 S. 1
InsO § 38, § 55 Abs 4

§ 55 Abs. 4 InsO ist nur auf Masseverbindlichkeiten, nicht aber auch auf Vergütungsansprüche zugunsten der Masse anzuwenden. Verbindlichkeiten des Insolvenzschuldners aus dem Steuerschuldverhältnis, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters begründet worden sind, gelten nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens gemäß § 55 Abs. 4 InsO als Masseverbindlichkeiten.

Im Rahmen von § 55 Abs. 4 InsO sind auch Vorsteuerbeträge abzuziehen, die von einem vorläufigen Insolvenzverwalter oder vom Schuldner mit Zustimmung eines vorläufigen Insolvenzverwalters begründet worden sind und die daher im Rahmen der Steuerberechnung für die § 55 Abs. 4 InsO unterliegenden Voranmeldungszeiträume masseverbindlichkeitsmindernd wirken.

Hieraus folgt nichts anderes für den Fall eines Vorsteuerüberhangs, der für die § 55 Abs. 4 InsO unterliegenden Voranmeldungszeiträume zu einem Vergütungsanspruch führt. Maßgeblich ist hierfür der auf Verbindlichkeiten eingeschränkte Wortlaut des § 55 Abs. 4 InsO. Danach werden nur Verbindlichkeiten den Masseverbindlichkeiten zugewiesen. Diese Beschränkung auf den Steueranspruch steht einer Erstreckung der Vorschrift auf andere Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis i.S. von § 37 Abs. 1 AO, wie etwa dem Steuervergütungsanspruch, entgegen.

Voranmeldungen kommen für die Jahressteuerfestsetzung keine materiell-rechtliche Bindungswirkung zu. Der Vorauszahlungsbescheid ist zu keinerlei materiellen Bestandskraft in dem Sinne fähig, dass er mit gegenüber dem Jahressteuerbescheid durchsetzungsfähiger Verbindlichkeit über das Bestehen einer Umsatzsteuer(vorauszahlungs)schuld entscheidet. Diese unmittelbar das Steuerfestsetzungsverfahren betreffenden Rechtsgrundsätze sind auch bei der Zuordnung von Steueransprüchen zum Insolvenzbereich des § 38 InsO und zum Massebereich des § 55 InsO zu beachten.

Dem Tabelleneintrag der Umsatzsteuerjahresinsolvenzforderung kommt nur die Wirkung eines nach § 130 AO änderbaren Feststellungsbescheids zu. Daher kann eine fehlerhafte Doppelerfassung einzelner Besteuerungsgrundlagen in den Bereichen der §§ 38, 55 InsO ebenso wie eine unzutreffende Nichtberücksichtigung nachträglich durch eine Änderung der für den Masseverbindlichkeitsbereich ergangenen Steuerfestsetzung wie auch durch eine Änderung des Tabelleneintrags korrigiert werden.
Verlag Dr. Otto Schmidt
Zurück