15.03.2018

Wie weit geht die Haftung der Organgesellschaft für Steuern des Organträgers?

Eine Organgesellschaft haftet für solche Steuern des Organträgers, für welche die Organschaft zwischen ihnen steuerlich von Bedeutung ist. Die Haftung der im Organkreis untergeordneten Organgesellschaft für Steuerschulden des die Organgesellschaft beherrschenden Organträgers soll die steuerlichen Risiken ausgleichen, die mit der Verlagerung der steuerlichen Rechtszuständigkeit auf den Organträger verbunden sind.

FG Düsseldorf 22.2.2018, 9 K 280/15 H(U)
Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Insolvenzverwalter der A-GmbH i.L. (vormals A Versand AG). Diese wird als Gesamtrechtsnachfolgerin der B-GmbH durch Haftungsbescheid vom 24.9.2010 gestützt auf §§ 191, 73 AO für Umsatzsteuer 2003 der C-AG i.L. (vormals D-AG), soweit durch Leistungsbeziehungen der B-GmbH verursacht, i.H.v. 114 € in Anspruch genommen. Dagegen richtete sich die Klage.

Die beteiligten Gesellschaften gingen von einer umsatzsteuerlichen organschaftlichen Verbundenheit zwischen der D-AG (später: C-AG i.L) als Organträgerin, der D Versand GmbH (später: E-GmbH) als Tochtergesellschaft und der A Versand AG (später: A-GmbH i.L.) als Enkelgesellschaft sowie der B-GmbH (Urenkelgesellschaft) aus. Infolgedessen wurden die Umsätze der B-GmbH unwidersprochen in den Umsatzsteuererklärungen der D-AG erfasst und die Jahresabschlüsse der Gesellschaften entsprechend testiert. Die A-GmbH i.L. wurde durch Verschmelzung zum 1.1.2007 Gesamtrechtsnachfolgerin der B-GmbH (Vertrag vom 21.8.2007).

Das Finanzamt war der Ansicht, dass auch die Enkel- bzw. Urenkelgesellschaft innerhalb der umsatzsteuerlichen Organschaft für die von der Muttergesellschaft geschuldete Umsatzsteuer (mit-) haftet, jedoch dem Umfang nach begrenzt auf die durch die Organgesellschaft nachweislich höchstens veranlasste Steuer. Infolgedessen hafte die A-GmbH i.L. als Rechtsnachfolgerin der B-GmbH für die durch die B-GmbH verursachte Umsatzsteuer. Der Haftungsbetrag resultiert aus der Differenz zwischen bei der B-GmbH verbuchter und insoweit angemeldeter Vorsteuer.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Allerdings wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zum BFH zugelassen.

Die Gründe:
Das Finanzamt hat sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach zu Recht angenommen, dass der Haftungstatbestand erfüllt ist.

Nach § 73 S. 1 AO haftet eine Organgesellschaft für solche Steuern des Organträgers, für welche die Organschaft zwischen ihnen steuerlich von Bedeutung ist. Diese Voraussetzungen sind im Fall des Klägers erfüllt. Denn die Haftung der im Organkreis untergeordneten Organgesellschaft für Steuerschulden des die Organgesellschaft beherrschenden Organträgers soll die steuerlichen Risiken ausgleichen, die mit der Verlagerung der steuerlichen Rechtszuständigkeit auf den Organträger verbunden sind. Durch den haftungsrechtlichen Zugriff auf das Vermögen der Organgesellschaft sollen bei Zahlungsunfähigkeit des Organträgers Steuerausfälle vermieden werden, die infolge von Vermögensverlagerungen innerhalb des Organkreises entstehen könnten. Insoweit wurde in der Begründung des Gesetzentwurfs zur AO 1977 ausgeführt, die Haftungsvorschrift finde ihre Rechtfertigung darin, "dass bei steuerlicher Anerkennung einer Organschaft die vom Organträger zu zahlende Steuer auch die Beträge umfasst, die ohne diese Organschaft von der Organgesellschaft geschuldet worden wären".

Im Übrigen heißt es, man habe sich der österreichischen Regelung, wonach die Haftung auf solche Steuern beschränkt wird, die auf den Betrieb des beherrschten Unternehmens entfallen, nicht angeschlossen. In diesem Zusammenhang wird auf die Notwendigkeit einer praktikablen Regelung verwiesen; darüber hinaus könne es "durchaus als sachgerecht angesehen werden, den Organkreis als einheitliches Ganzes zu betrachten". Dem entspricht auch die Inanspruchnahme der B-GmbH und ihrer Rechtsnachfolgerin in dem durch den Beklagten bestimmten Umfang. Anders als bei der körperschaftssteuerlichen Organschaft spricht auch der Wortlaut des § 73 S. 1 AO nicht gegen eine Inanspruchnahme im Rahmen einer umsatzsteuerlichen Organschaft.

Demgegenüber wird ein körperschaftsteuerliches Organschaftsverhältnis (§ 14 Abs. 1 S. 1 u. Nr. 3 KStG) immer nur zwischen zwei Körperschaftsteuersubjekten gebildet. In einem Mutter-Tochter-Enkel usw. Verhältnis liegen daher aus körperschaftsteuerlicher Sicht genau genommen mehrere Organschaftsverhältnisse vor. Das individuell zu ermittelnde steuerliche Ergebnis einer Organgesellschaft ("Einkommen der Organgesellschaft") wird für ertragsteuerliche Zwecke der jeweiligen unmittelbaren Obergesellschaft zugerechnet (konsolidiert), ohne dass sie ihre Selbständigkeit verliert. Die Rechtsfolge ist darauf beschränkt, dass das Einkommen der Organgesellschaft dem Organträger "zuzurechnen" ist.

Dieser Unterschied rechtfertigt es, die Organgesellschaft für die durch sie verursachten Umsatzsteuerschulden gem. § 73 AO in Anspruch zu nehmen. Insofern erfährt die Inanspruchnahme bereits auf der Tatbestandsebene eine Einschränkung des Haftungsumfangs auf die Steuerschulden, "soweit" die Organschaft zwischen ihnen von steuerlicher Bedeutung ist. Anders als der BFH zur Haftung der körperschaftsteuerlichen Organschaft entschieden hat (31.5.2017, Az.: I R 54/15,), ist die umsatzsteuerliche Organschaft zwischen allen an der Organschaft beteiligten Gesellschaften von unmittelbarer steuerlicher Bedeutung, weil diese wie ein einheitliches Unternehmen behandelt werden.

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