03.12.2020

Wirtschaftliche Einheiten beim Erbbaugrundstück

Lasten auf einem Grundstück mehrere Wohnungs- oder Teilerbbaurechte, zerfällt die wirtschaftliche Einheit des Erbbaugrundstücks nach der Verkehrsauffassung in eine entsprechende Anzahl wirtschaftlicher Einheiten. Mit jedem Wohnungs- oder Teilerbbaurecht korrespondiert eine wirtschaftliche Einheit in Gestalt des anteiligen Erbbaugrundstücks.

Kurzbesprechung
BFH v. 26.8.2020 - II R 16/20

BewG § 2 Abs. 1, § 151 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 157 Abs. 3 S. 1, § 176 Abs. 1, § 192 S. 1, § 193 Abs. 4, § 194 Abs. 2 u. 3
ErbbauV § 1 Abs. 1, § 12
WoEigG § 8, § 30
AO § 179 Abs. 1
ErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 1, § 11, § 12 Abs. 3


Zum Grundvermögen gehören gemäß § 157 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. § 176 Abs. 1 BewG neben dem Grund und Boden, den Gebäuden, den sonstigen Bestandteilen und dem Zubehör auch das Erbbaurecht und das Wohnungseigentum, Teileigentum, Wohnungserbbaurecht sowie Teilerbbaurecht nach dem Wohnungseigentumsgesetz (WoEigG), soweit es sich nicht um land- und forstwirtschaftliches Vermögen oder Betriebsgrundstücke handelt.

Was als wirtschaftliche Einheit zu gelten hat, ist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 3 BewG nach den Anschauungen des Verkehrs zu entscheiden und bestimmt sich daher vornehmlich nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten. Dabei sind die örtliche Gewohnheit, die tatsächliche Übung, die Zweckbestimmung und die wirtschaftliche Zusammengehörigkeit der einzelnen Wirtschaftsgüter zu berücksichtigen (§ 2 Abs. 1 Satz 4 BewG).

Neben objektiven Merkmalen, wie die wesentlich vom Bauordnungs- und Bauplanungsrecht bestimmte örtliche Gewohnheit sind danach auch subjektive Merkmale, wie die Zweckbestimmung, maßgebend. Letztere müssen jedoch zurücktreten, wenn sie mit objektiven Merkmalen in Widerspruch stehen.

Lasten auf einem Grundstück mehrere Wohnungs- oder Teilerbbaurechte, zerfällt die wirtschaftliche Einheit "Erbbaugrundstück" nach der Verkehrsauffassung in mehrere, der Anzahl nach mit diesen Rechten korrespondierende wirtschaftliche Einheiten. So wie jedes Wohnungs- oder Teilerbbaurecht je eine wirtschaftliche Einheit darstellt, bildet der entsprechende Anteil des Erbbaugrundstücks nach der Verkehrsanschauung je eine wirtschaftliche Einheit für sich.

Verfahrensrechtlich hat die Finanzbehörde so viele Feststellungsbescheide zu erlassen, wie wirtschaftliche Einheiten "mit Wohnungs- oder Teilerbbaurecht belasteter Anteil an einem Erbbaugrundstück" vorhanden sind. Dem steht nicht entgegen, dass der Bedachte zivilrechtlich und schenkungsteuerrechtlich einen Miteigentumsanteil an einem Erbbaugrundstück erwirbt. Ebenso wenig ist entscheidungserheblich, ob der den einzelnen Wohnungs- und Teilerbbaurechten entsprechende Anteil an dem Erbbaugrundstück einzeln veräußerbar ist oder das Erbbaugrundstück nur als Ganzes veräußert werden kann.

Im Streitfall war das FG von anderen Grundsätzen ausgegangen. Der BFH konnte jedoch nicht abschließend über den Wert der anteiligen Miteigentumsanteile entscheiden, da für den Bewertungsstichtag geltende Liegenschaftszinssätze nicht festgestellt waren. Das FG muss nun im zweiten Rechtsgang feststellen, ob für den Bewertungsstichtag durch den örtlichen Gutachterausschuss ermittelte, geeignete Liegenschaftszinssätze vorhanden sind. Andernfalls sind die gesetzlichen Liegenschaftszinssätze gemäß § 193 Abs. 4 Satz 2 Nrn. 1 oder 2 BewG heranzuziehen.
Verlag Dr. Otto Schmidt
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