Zahlungsansprüche nach der GAP-Reform 2003 als abnutzbare immaterielle Wirtschaftsgüter
BFH 21.10.2015, IV R 6/12Der Kläger hatte seit Oktober 2000 seinen ursprünglich selbstbewirtschafteten landwirtschaftlichen Betrieb verpachtet. Den Gewinn ermittelte er durch Betriebsvermögensvergleich. Aufgrund der im Jahr 2003 auf EU-Ebene beschlossenen gemeinsamen Agrarpolitik (GAP-Reform 2003) und der hierzu ergangenen Verordnungen (EG) Nr. 1782/2003 sowie der nationalen Vorschriften (BetrPrämDurchfG - und BetrPrämDurchfV) setzte die Landwirtschaftskammer NRW auf Antrag der Pächterin für sie sog. Zahlungsansprüche für "Ackerland" und für "Stilllegung" u.a. für die vom Kläger angepachteten Flächen fest. Die Betriebsprämien für die Prämienjahre 2005 und 2006 wurden entsprechend an die Pächterin ausbezahlt.
Im September 2006 beendete der Kläger den Pachtvertrag und erwarb von der Pächterin die Zahlungsansprüche A sowie Zahlungsansprüche S zu einem Kaufpreis von 300 € je Zahlungsanspruch bzw. zu einem Gesamtkaufpreis von 27.900 €. Ab dem Prämienjahr 2007 übertrug die Pächterin die Zahlungsansprüche über das Integrierte Verwaltungs- und Kontrollsystem auf den Kläger. Ab Oktober 2006 verpachtete der Kläger landwirtschaftliche Flächen von 85,58 ha an die B-GbR. Die auf die verpachtete Fläche entfallenden Zahlungsansprüche A "übertrug" der Kläger vereinbarungsgemäß unentgeltlich ab dem Prämienjahr 2007 auf die B-GbR. Diese war verpflichtet, die Ansprüche nach Ablauf der Pachtdauer unentgeltlich auf den Kläger "zurückzuübertragen".
Der Kläger setzte in seinem Jahresabschluss zum 30.6.2007 die erworbenen Zahlungsansprüche im Anlagevermögen mit Anschaffungskosten von 27.900 € an. In der der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr beigefügten Gewinnermittlung machte der Kläger die Anschaffungskosten für die Zahlungsansprüche nicht mittels Abschreibung aufwandswirksam geltend. Im Einspruchsverfahren begehrte er zudem die Berücksichtigung der Anschaffungskosten für die Zahlungsansprüche im Wege der linearen Absetzung für Abnutzung (AfA) i.H.v. 3.321 €.
Dem kam das Finanzamt mit Verweis auf das BMF-Schreiben vom 25.6.2008 (IV C 6-S 2134/07/10001) nicht nach. Es war der Ansicht, dass die im Rahmen der GAP-Reform 2003 geschaffenen Zahlungsansprüche nicht abnutzbar seien. Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage überwiegend statt. Die Revision des Finanzamtes war erfolglos.
Gründe:
Das FG hatte zu Recht entschieden, dass der Kläger AfA auf die entgeltlich erworbenen Zahlungsansprüche vornehmen konnte, da es sich um abnutzbare immaterielle Wirtschaftsgüter handelte.
Die durch die GAP-Reform 2003 eingeführten Zahlungsansprüche sind abnutzbare immaterielle Wirtschaftsgüter. Die Zahlungsansprüche eröffnen deren Inhaber die Möglichkeit, Betriebsprämien in Anspruch zu nehmen. Die Zahlungsansprüche sind übertragbar. Sie sind nicht an die Bewirtschaftung bestimmter Flächen oder an eine konkrete landwirtschaftliche Nutzung gebunden, vielmehr kann der Betriebsinhaber über sie verfügen und sie nach Art. 46 der VO (EG) Nr. 1782/2003 mit oder ohne Fläche veräußern oder - wie hier - zusammen mit einer gleichwertigen Hektarzahl beihilfefähiger Flächen im Wege der Verpachtung übertragen.
Zu Recht war das FG auch davon ausgegangen, dass die Zahlungsansprüche abnutzbare immaterielle Wirtschaftsgüter sind. Ein immaterielles Wirtschaftsgut ist nicht abnutzbar, wenn seine Nutzung weder unter rechtlichen noch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zeitlich begrenzt ist. Bei zeitlich begrenzten Rechten kann ausnahmsweise von einer unbegrenzten Nutzungsdauer ausgegangen werden, wenn sie normalerweise ohne weiteres verlängert werden, ein Ende also nicht abzusehen ist. Im Zweifel ist jedoch nach dem Grundsatz der Vorsicht von einer zeitlich begrenzten Nutzung auszugehen. Infolgedessen waren die Zahlungsansprüche als abnutzbare Wirtschaftsgüter anzusehen (anderer Ansicht BMF-Schreiben in BStBl I 2008, 682).
Die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer der Zahlungsansprüche nach der GAP-Reform 2003 war jedenfalls am Bilanzstichtag 30.6.2007 typisierend mit zehn Jahren zu schätzen. Zu diesem Zeitpunkt war nicht konkret absehbar, ob und in welcher Ausgestaltung die Zahlungsansprüche über das Jahr 2013 hinaus fortbestehen würden. Insoweit war es sachgerecht, die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer der Zahlungsansprüche ungeachtet des Umstandes, dass der Finanzierungsrahmen der Zahlungsansprüche zunächst nur bis ins Jahr 2013 festgelegt war, auch zum 30.6.2007 typisiert mit zehn Jahren zu schätzen.
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