21.06.2012

Zu den Anforderungen an die Angabe der Waren und Dienstleistungen bei der Beantragung von Markenschutz

Der EuGH hat die Anforderungen an die Angabe der Waren und Dienstleistungen konkretisiert, für die Markenschutz beantragt wird. Diese Waren oder Dienstleistungen müssen vom Anmelder so klar und eindeutig angegeben werden, dass die zuständigen Behörden und die Wirtschaftsteilnehmer allein auf dieser Grundlage den Umfang des Markenschutzes erkennen können.

EuGH 19.6.2012, C-307/10
Hintergrund:
Die beiden wesentlichen Bestandteile der Eintragung einer Marke sind zum einen das Zeichen und zum anderen die Waren und Dienstleistungen, die dieses Zeichen bezeichnen soll. Vorliegend hat sich der EuGH mit den Anforderungen an die Angabe der Waren oder Dienstleistungen befasst, für die Markenschutz beantragt wird. Diese Frage ist zu einem Zeitpunkt, da sich die Praxis der nationalen Markenämter und des HABM auseinanderentwickelt, was zu unterschiedlichen, den mit der europäischen Markenrichtlinie verfolgten Zielen zuwiderlaufenden Voraussetzungen für die Eintragung führt, von besonderer Bedeutung.

Seit 2002 sieht das Abkommen von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken eine Klasseneinteilung in 34 Warenklassen und 11 Dienstleistungsklassen vor. Jede Klasse ist mit einem oder mehreren für gewöhnlich "Klassenüberschrift" genannten Oberbegriffen bezeichnet, die allgemein die Bereiche angeben, zu denen die Waren oder Dienstleistungen dieser Klasse grundsätzlich gehören. Die alphabetische Liste der Waren und Dienstleistungen umfasst etwa 12.000 Eintragungen.

Der Sachverhalt:
Im Oktober 2009 meldete das Chartered Institute of Patent Attorneys (CIPA) die Bezeichnung "IP TRANSLATOR" als nationale Marke an. Zur Angabe der von dieser Anmeldung erfassten Dienstleistungen verwendete das CIPA die Oberbegriffe der Überschrift einer Klasse der Nizzaer Klassifikation, nämlich "Erziehung; Ausbildung; Unterhaltung; sportliche und kulturelle Aktivitäten". Das Markenamt des Vereinigten Königreichs wies die Anmeldung gestützt auf nationale Vorschriften zur Umsetzung der Markenrichtlinie zurück.

Der Registrar legte die Anmeldung im Rahmen einer Gesamtbetrachtung aus und kam zu dem Ergebnis, dass sie nicht nur die Dienstleistungen der vom CIPA genannten Art, sondern auch alle anderen Dienstleistungen dieser Klasse der Nizzaer Klassifikation einschließlich Übersetzungsdienstleistungen erfasse. Daher fehle es der Bezeichnung "IP TRANSLATOR" für die letztgenannten Dienstleistungen an Unterscheidungskraft, und sie sei beschreibend. Außerdem gebe es keinen Beweis dafür, dass das Wortzeichen "IP TRANSLATOR" vor dem Zeitpunkt der Anmeldung infolge seiner Benutzung Unterscheidungskraft für Übersetzungsdienstleistungen erworben habe. Das CIPA habe auch nicht beantragt, solche Dienstleistungen von seiner Markenanmeldung auszunehmen.

Das CIPA legte gegen diese Entscheidung Rechtsmittel ein und trug vor, dass Übersetzungsdienstleistungen in seiner Anmeldung nicht erwähnt und daher von ihr nicht erfasst würden. Deshalb seien die Einwände des Registrar gegen die Eintragung unzutreffend, und die Anmeldung des CIPA sei zu Unrecht zurückgewiesen worden. Der mit dem Rechtsstreit befasste High Court of Justice (Vereinigtes Königreich) befragt den EuGH zu den Erfordernissen der Klarheit und der Eindeutigkeit für die Angabe der Waren oder Dienstleistungen, für die Markenschutz beantragt wird, und über die Möglichkeit, zu diesem Zweck Oberbegriffe der Klassenüberschriften der Nizzaer Klassifikation zu verwenden.

Die Gründe:
Die Markenrichtlinie ist dahin auszulegen, dass die Waren oder Dienstleistungen, für die Markenschutz beantragt wird, vom Anmelder so klar und eindeutig anzugeben sind, dass die zuständigen Behörden und die Wirtschaftsteilnehmer allein auf dieser Grundlage den Umfang des Markenschutzes bestimmen können.

Darüber hinaus steht die Richtlinie der Verwendung der Oberbegriffe, die in den Klassenüberschriften der Nizzaer Klassifikation enthalten sind, zur Angabe der Waren und Dienstleistungen, für die Markenschutz beantragt wird, nicht entgegen. Eine solche Angabe muss jedoch so klar und eindeutig sein, dass der beantragte Schutzumfang bestimmt werden kann. Einige der Oberbegriffe in den Klassenüberschriften der Nizzaer Klassifikation sind auch für sich gesehen hinreichend klar und eindeutig; andere hingegen sind zu allgemein formuliert und decken zu unterschiedliche Waren oder Dienstleistungen ab, als dass sie mit der Herkunftsfunktion der Marke vereinbar wären.

Daher ist es Sache der zuständigen Behörden, im Einzelfall nach Maßgabe der Waren oder Dienstleistungen, für die der Anmelder den Markenschutz beantragt, zu beurteilen, ob diese Angaben den Erfordernissen der Klarheit und der Eindeutigkeit genügen. Der Anmelder einer nationalen Marke, der zur Angabe der Waren oder Dienstleistungen, für die Markenschutz beantragt wird, alle Oberbegriffe der Überschrift einer bestimmten Klasse der Nizzaer Klassifikation verwendet, muss zudem klarstellen, ob sich seine Anmeldung auf alle oder nur auf einige der in der alphabetischen Liste dieser Klasse aufgeführten Waren oder Dienstleistungen bezieht. In letzterem Fall hat der Anmelder anzugeben, welche Waren oder Dienstleistungen dieser Klasse beansprucht werden.

Letztlich ist es Sache des vorlegenden Gerichts, festzustellen, ob das CIPA, als es alle Oberbegriffe der Überschrift einer Klasse der Nizzaer Klassifikation verwendet hat, in seiner Anmeldung klargestellt hat, ob mit ihr alle Dienstleistungen dieser Klasse erfasst und ob mit ihr insbes. Übersetzungsdienstleistungen beansprucht werden.

Linkhinweis:

Für den auf den Webseiten des EuGH veröffentlichten Volltext der Entscheidung klicken Sie bitte hier.

EuGH PM Nr. 81 vom 19.6.2012
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