Zu den Anforderungen an die Bestimmtheit des Klagebegehrens bei der Saldoklage
BGH v. 6.2.2019 - VIII ZR 54/18Der Beklagte ist seit Ende des Jahres 2000 Mieter einer Wohnung der Klägerin in Kempten (Allgäu). Mit der Klage macht die Klägerin Forderungen aus dem Mietvertrag geltend, die sie u.a. auf ein fortgeschriebenes (tabellarisches) Mietkonto stützt, in das sie Mietforderungen, Zahlungen und Gutschriften eingestellt hat und das mit einem Forderungsbetrag i.H.v. rd. 1.300 € endet.
Das AG wies die auf Zahlung von insgesamt rd. 1.600 € gerichtete Klage ab. Das LG wies die Klage überwiegend - bis auf Verurteilung des Beklagten auf Zahlung i.H.v. rd. 120 € nebst Zinsen - ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das LG zurück.
Die Gründe:
Die Klage ist entgegen der Auffassung des LG zulässig. Insbesondere ist der Gegenstand des erhobenen Anspruchs, was vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen ist, hinreichend bestimmt i.S.v. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Das LG hat zu strenge Anforderungen an die Bestimmtheit des Klagebegehrens gestellt.
Wie der Senat bereits entschieden hat, handelt es sich bei einer Klage wegen Mietzahlungsrückständen des Mieters, die - wie hier - auf eine Forderungsaufstellung gestützt ist, in der der Vermieter die geschuldeten Bruttomieten den vom Mieter gezahlten Beträgen und diesem erteilten Gutschriften gegenüberstellt, nicht um eine "unzulässige Saldoklage", wenn die Einzelforderungen in der Aufstellung nach Betrag und (soweit erforderlich) nach Monat ausgewiesen werden. Das LG hat verkannt, dass beim Fehlen einer näheren Aufschlüsselung des Klagebegehrens eine Auslegung des Klageantrags geboten ist und dabei auch ein Rückgriff auf die gesetzliche Anrechnungsreihenfolge des § 366 Abs. 2 BGB (ggf. in entsprechender Anwendung) in Betracht kommt. So verhält es sich hier.
In der von der Klägerin vorgelegten tabellarischen Forderungsaufstellung zum Mietkonto sind beginnend mit einem Guthaben zugunsten des beklagten Mieters (2,63 €) die in dem betreffenden Monat jeweils zu zahlende Bruttomiete, die tatsächliche Mietzahlung, eine hiernach bestehende Differenz und der sich danach ergebende Rückstand aufgeführt sowie nach dem Monat Juni 2014 eine Gutschrift zugunsten des Mieters aus der Betriebskostenabrechnung 2012 eingetragen. Ebenso hat die Klägerin die Zusammensetzung der von ihr begehrten Miete (inkl. Nebenkostenvorauszahlungen) jeweils für die einzelnen Monate mitgeteilt. Im Übrigen hat sich die Klägerin auf eine Verrechnung nach § 366 Abs. 2 BGB berufen und erläuternd ausgeführt, aus der tabellarischen Aufstellung ergebe sich, dass sie jeweils die im Monat eingegangene Mietzahlung mit dem laufenden Monat verrechnet habe; wenn mehr als monatlich geschuldet gezahlt worden sei, habe sie den Mehrbetrag gem. § 366 Abs. 2 BGB mit der jeweils ältesten noch ausstehenden Forderung aus dem eingeklagten Zeitraum verrechnet. Mit diesem Vortrag der Klägerin im Prozess hat diese den Klagegegenstand im vorliegenden Verfahren i.S.d. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO hinreichend bestimmt dargelegt.
Soweit das LG meint, die Klägerin hätte konkret für jede einzelne Zahlung des Beklagten erläutern müssen, mit welcher offenen (Teil-)Forderung (Nettomiete, Nebenkostenvorauszahlung) aus welchem Monat sie jeweils eine Verrechnung vorgenommen habe, überspannt es die Anforderungen an die Darlegungen zum Klagegegenstand. Von der Klägerin kann vorliegend aus Rechtsgründen nicht verlangt werden, dass sie die aus ihrer Sicht maßgebliche Verrechnungsreihenfolge nach § 366 Abs. 2 BGB für jede einzelne Position im Einzelnen selbst beschreibt. Es kommt vielmehr maßgeblich darauf an, ob sich aus der Forderungsaufstellung des Mietkontos unter Heranziehung der ergänzenden Angaben der Klägerin zur Höhe der Nettomiete und der Nebenkostenvorauszahlung sowie bei Heranziehung der Verrechnungsgrundsätze des § 366 Abs. 2 BGB, auf den sich die Klägerin ausdrücklich berufen hat, eine Zuordnung von Gutschriften und Zahlungen auf die im Mietkonto aufgeführten Forderungen vornehmen lässt, was das Gericht im Rahmen der Prüfung der Sachurteilsvoraussetzungen von Amts wegen zu beachten hat.
Geht es wie hier u.a. auch um die Verrechnung einer dem Mieter erteilten Gutschrift, kommt eine entsprechende Anwendung des § 366 Abs. 2 BGB in Betracht. Werden in einem Mietkonto neben der Nettomiete auch Nebenkostenvorauszahlungen eingestellt, so bringt der Vermieter damit bei Fehlen weiterer Erklärungen zum Ausdruck, dass er diese Ansprüche (und nicht Nachforderungen aus Abrechnungen) zum Gegenstand seiner Klage macht. So verhält es sich auch im vorliegenden Fall. Es ist daher entgegen der Auffassung des LG für die Zulässigkeit der Klage ohne Bedeutung, ob die Abrechnungsfrist für die aus dem Mietkonto ersichtlichen Nebenkostenvorauszahlungen bereits abgelaufen ist; dies ist vielmehr ein Gesichtspunkt, der erst auf der Ebene der Begründetheit von Bedeutung sein kann, wenn die gebotene Auslegung des Klageantrags ergeben würde, dass Nebenkostenvorauszahlungen für bereits abgelaufene Abrechnungsperioden noch Gegenstand der Klage sind.
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