Zu den Anforderungen an die geschäftlichen Aktivitäten am Sitz der Firma im Hinblick auf eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung
FG Köln 28.4.2014, 10 K 3803/13Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger aus Rechnungen der Firma A (Inhaber B) den Vorsteuerabzug geltend machen kann. Der Kläger betreibt in K einen Kraftfahrzeughandel. In den Streitjahren 2009-2011 kaufte er u.a. Fahrzeuge von dem unter der Firma A Inhaber Herr B e.K. handelnden B (im Folgenden Z). Z betrieb seit 1977 sein Unternehmen. Er war zunächst beim Amtsgericht C eingetragen. 2006 verlegte Z sein Unternehmen und meldete sein Gewerbe bei der Stadt N an. Die Firma wurde, nachdem die örtliche IHK die Zustellung von Schriftstücken an die Geschäftsanschrift des Z geprüft hatte, im Handelsregister des Amtsgerichts R eingetragen.
Z hatte in N Räumlichkeiten angemietet. Welcher Art dieser Räumlichkeiten waren, ist streitig. Unstreitig unterhielt Z dort kein Autohaus, sondern nur ein Büro, da er ausschließlich im Onlinehandel seine Fahrzeuge vertrieb. Im Mai 2009 nahm der Kläger Kontakt mit Z auf und kaufte im Juni 2009 erstmals ein Fahrzeug bei Z. Dabei suchte er zunächst telefonisch und per E-Mail ein Fahrzeug bei Z aus, das er nach dem es in N zur Abholung bereitstand, selbst dort abholte. Der Kläger trägt vor, er habe sich von Z dessen Personalausweis, Handelsregisterauszug, Steuernummer und Umsatzsteuer-Identifikationsnummer vorlegen lassen und geprüft, soweit ihm das möglich gewesen sei. Nach einer einwandfreien Abholung wurden in der Folge auch Mitarbeiter geschickt, um Fahrzeuge abzuholen. Z habe stets ordnungsgemäße Rechnungen ausgestellt, die die Fahrzeugdaten und alle gesetzlichen Angaben enthielten.
Im Rahmen einer bei dem Kläger durchgeführten Umsatzsteuersonderprüfung kam der Prüfung zu der Auffassung, dass Vorsteuerbeträge aus den Eingangsrechnungen des Z nicht in Abzug gebracht werden könnten, da die in den Rechnungen ausgewiesene Anschrift des leistenden Unternehmers tatsächlich nicht bestehe. Z habe im Inland keine Betriebsstätte. Die Geschäftsadresse diene nur als Briefkastenadresse (Scheinadresse), an der lediglich von Z die Post abgeholt worden sei. Es sei dort nicht vorhanden gewesen, was auf ein Unternehmen hindeute. Das Finanzamt folgte der Auffassung der Umsatzsteuer-Sonderprüfung und erließ entsprechend geänderte Umsatzsteuerbescheide für 2009 bis 2011.
Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage statt. Die Revision zum BFH wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassen. Sie wird dort unter dem Az. V R 25/15 geführt.
Die Gründe:
Das Finanzamt hat die streitigen Vorsteuerbeträge zu Unrecht nicht berücksichtigt.
Nach § 15 Abs. 1. S.2 UStG ist Voraussetzung, dass der Leistungsempfänger eine nach den §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt. Eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung muss nach § 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 UStG u.a. die vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers enthalten. Die Angabe muss im Zeitpunkt der Rechnungsbegebung richtig sein. Die Angabe einer Anschrift, an der im Zeitpunkt der Rechnungsausstellung keine geschäftliche Aktivitäten stattfinden, soll als zutreffende Anschrift für eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung nicht ausreichen. Jedoch kann nach den Umständen des Einzelfalls auch die Angabe eines "Briefkastensitzes" mit postalische Erreichbarkeit als Anschrift, die die Voraussetzungen des § 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 1 UStG erfüllt, genügen. Wann dies der Fall ist, hat die Rechtsprechung bisher nicht präzisiert.
Demzufolge berechtigen die Rechnungen des Z zum Vorsteuerabzug, obwohl an der angegebenen Anschrift keine geschäftlichen Aktivitäten stattgefunden haben. Es konnte nicht festgestellt werden, dass unter der angegebenen Anschrift irgendwelche geschäftlichen Aktivitäten des Z stattgefunden haben. Insgesamt hat die Beweisaufnahme keine Anhaltspunkte dafür erbracht, dass Z jemals in der E-Straße über einen Raum verfügte, der für Büroarbeiten geeignet war. Noch weniger haben sich Anhaltspunkte dafür ergeben, dass Z dort irgendwelche geschäftlichen Aktivitäten ausgeübt hätte.
In Anbetracht der technischen Fortentwicklung und der Änderung von Geschäftsgebaren erscheint die Anforderung an die Anschrift, dass dort geschäftliche Aktivitäten stattfinden, überholt. Der BFH gibt für dieses Kriterium auch keine Begründung. Die neueren Entscheidungen verweisen lediglich auf den BFH-Beschluss vom 14.3.2000 (V B 187/99). Die Angabe der Anschrift auf der Rechnung hat den Zweck, den leistenden Unternehmer eindeutig zu identifizieren und soll es u.a. auch der Finanzverwaltung ermöglichen, den Unternehmer postalisch zu erreichen. Ist die postalische Erreichbarkeit (z.B. um Schreiben zu übersenden bzw. Schriftstücke zuzustellen) gewährleistet, kommt es nicht darauf an, welche Aktivitäten unter der Postanschrift erfolgen.
Das Kriterium der "geschäftlichen Aktivitäten" ist im Übrigen viel zu unbestimmt: Müssen dort Kunden empfangen werden? Muss der leistende Unternehmer sich dort regelmäßig (wie lange) aufhalten? Muss er wirklich im Büro geschäftlich tätig werden oder reicht es aus, wenn er dort Zeitung liest und ansonsten von unterwegs mit Handy und Laptop tätig wird? Wer soll überprüfen, in welchem (nicht bestimmten) Umfang unter der Anschrift geschäftliche Aktivitäten stattfinden? Nach alldem war die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Frage zuzulassen, unter welchen Voraussetzungen Rechnungen mit einer Anschrift, unter der keine geschäftlichen, zumindest keine büromäßigen, Aktivitäten stattfinden, zum Vorsteuerabzug berechtigen.
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