27.04.2016

Zu den Anforderungen an die Gewährung des Vorsteuerabzugs aus Billigkeitsgründen

Vorsteuerabzug im Billigkeitsverfahren setzt voraus, dass der Unternehmer gutgläubig war und alle Maßnahmen ergriffen hat, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sich von der Richtigkeit der Angaben in der Rechnung zu überzeugen und seine Beteiligung an einem Betrug ausgeschlossen ist. Im Billigkeitsverfahren muss das Finanzamt nicht das Vorliegen objektiver Umstände nachweisen, die den Schluss zulassen, dass das Recht auf Vorsteuerabzug in betrügerischer Weise oder missbräuchlich geltend gemacht wird.

BFH 18.2.2016, V R 62/14
Der Sachverhalt:
Die Klägerin erzielte im Streitjahr 2006 steuerpflichtige Umsätze aus der Lagerung, Kommissionierung und Verteilung von Gütern aller Art. Gesellschafter der Klägerin sind A. und P. Mit ihrer Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr hatte die Klägerin u.a. abziehbare Vorsteuerbeträge aus zwei Rechnungen der Fa. H (Prag/Tschechien) aus Dezember 2005 und Januar 2006 über die Lieferung von Nickel-Kathoden zum Preis von 249.674 € zzgl. 16 % Mehrwertsteuer i.H.v. 39.948 € und 258.022 € zzgl. 16 % Mehrwertsteuer i..H.v. 41.283 € geltend gemacht.

Im März 2008 erhielt das Finanzamt den Hinweis, dass die Fa. H keine Geschäftstätigkeit ausgeübt und niemals Verfügungsmacht über die angeblich an die Klägerin gelieferten Waren gehabt habe. Die streitgegenständlichen Rechnungen seien deshalb zu Unrecht ausgestellt worden. Im Rahmen der daraufhin von durchgeführten Ermittlungsmaßnahmen wurde festgestellt, dass die Waren von einer niederländischen Spedition ab dem Lager der Fa. M (Inland) direkt zum Abnehmer nach Italien transportiert wurden. Die Klägerin stellte die Lieferungen dem italienischen Abnehmer in Rechnung, der diese per Überweisung bezahlte. Die Klägerin überwies die Rechnungsbeträge auf das auf den Rechnungen angegebene Konto einer Schweizer Bank.

Das Finanzamt setzte daraufhin die Umsatzsteuer für 2006 unter Versagung der Vorsteuer aus den beiden Rechnungen der Fa. H fest. Die Ablehnung einer Gewährung des Vorsteuerabzugs aus Billigkeitsgründen begründete die Behörde u.a. damit, dass die Klägerin - obwohl es sich bei der Fa. H um eine neue Geschäftsbeziehung gehandelt habe - weder Kenntnis von den Geschäftsführern noch von sonstigen Kontaktpersonen bei der angeblichen Lieferantin Fa. H gehabt habe, auf Faxantworten der Fa. H auch keine Kontaktperson aufgeführt gewesen sei. Schließlich sei auch die von der Fa. H verwendete Steuernummer erkennbar von den in Deutschland gebräuchlichen Steuernummern abgewichen.

Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage teilweise statt. Die Revision des Finanzamtes blieb vor dem BFH erfolglos.

Gründe:
Zwar hatte das FG zu Unrecht entschieden, dass der Vorsteuerabzug im Billigkeitsverfahren zu gewähren sei, wenn die Steuerbehörden nicht das Vorliegen objektiver Umstände nachweisen könne, die den Schluss zulasse, dass das Recht auf Vorsteuerabzug in betrügerischer Weise oder missbräuchlich geltend gemacht wurde, denn diese Voraussetzung betrifft nicht das Billigkeitsverfahren. Vorsteuerabzug im Billigkeitsverfahren setzt nämlich voraus, dass der Unternehmer gutgläubig war und alle Maßnahmen ergriffen hat, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sich von der Richtigkeit der Angaben in der Rechnung zu überzeugen und seine Beteiligung an einem Betrug ausgeschlossen ist.

Im Billigkeitsverfahren muss das Finanzamt nicht das Vorliegen objektiver Umstände nachweisen, die den Schluss zulassen, dass das Recht auf Vorsteuerabzug in betrügerischer Weise oder missbräuchlich geltend gemacht wird. Das ist nur dann erforderlich, wenn der Vorsteuerabzug trotz Vorliegens dessen objektiver Merkmale wegen der Einbindung des Unternehmers in eine missbräuchliche Gestaltung versagt werden soll.

Die Aufhebung der Entscheidung des Finanzamtes im Billigkeitsverfahren war aber im Ergebnis richtig, da der Finanzbehörde Ermessensfehler unterlaufen waren. Zwar stellt es keinen Ermessensfehler dar, wenn eine Behörde ihre Entscheidung auf mehrere Ermessenserwägungen stützt, von denen zwar eine oder einzelne fehlerhaft sind, die Behörde aber eindeutig zum Ausdruck gebracht hat, dass jede einzelne der Ermessenserwägungen bereits allein tragend ist.

Der Ermessensentscheidung im vorliegenden Fall ließ sich aber nicht entnehmen, welche Erwägungen genau für die Entscheidung maßgebend waren. Diese Entscheidung kann der BFH nicht an Stelle des FG treffen, denn das Gericht muss im Fall der Aufdeckung von Ermessensfehlern die Ermessensentscheidung aufheben und darf nicht sein Ermessen an die Stelle des Ermessens der Verwaltungsbehörde setzen.

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