Zu den Anforderungen an leichtfertiges Handeln im Binnenmarkt
BFH 24.7.2014, V R 44/13Die Klägerin betreibt einen KFZ-Handel. Aus ihrer für das Streitjahr 2002 beim Finanzamt abgegebenen Umsatzsteuerjahreserklärung ergab sich ein Vergütungsanspruch i.H.v. rund 1,1 Mio. €. Das Finanzamt stimmte dem zunächst gem. § 168 S. 2 AO zu. Im Februar 2006 fand dann eine Außenprüfung statt, die auch das Streitjahr betraf. Infolgedessen verminderte die Finanzbehörde den Vergütungsanspruch um 226 € und hob den Vorbehalt der Nachprüfung auf. Änderungen bei den nach § 6a UStG steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferungen ergaben sich nicht.
Bereits im Juli 2005 hatte eine Steuerfahndungsprüfung begonnen, die durch Bericht aus Juli 2008 abgeschlossen wurde. Die Fahndungsprüfung ging davon aus, dass die Klägerin für insgesamt 16 Fahrzeuglieferungen nach Italien bzw. Spanien die Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche Lieferungen zu Unrecht in Anspruch genommen habe. Dem folgte das Finanzamt und erließ einen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO geänderten Umsatzsteuerbescheid für das Streitjahr. Der Vergütungsanspruch verminderte sich, so dass sich ein Rückzahlungsanspruch von 42.275 € ergab.
Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Es war der Ansicht, der Klägerin sei eine leichtfertige Steuerverkürzung vorzuwerfen. Auf die Revision der Klägerin hob der BFH das Urteil auf und wies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.
Die Gründe:
Entgegen der Ansicht des FG ergibt sich eine leichtfertige Steuerverkürzung als Voraussetzung für einen geänderten Umsatzsteuerbescheid nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO nicht bereits allein daraus, dass der Unternehmer die Steuerfreiheit nach § 6a UStG in Anspruch nimmt, ohne über einen vollständigen Beleg- und Buchnachweis zu verfügen.
Das FG hat für ein leichtfertiges Handeln der Klägerin angeführt, dass sie und ihre Mitarbeiter die CMR-Frachtbriefe ausgefüllt hatten, obwohl Kenntnisse über die tatsächlichen Lieferverhältnisse fehlten. Derartige Belege seien zur Nachweisführung nicht geeignet. Zudem hätten sich Zweifel an der Identität des Abnehmers ergeben.
Damit hat das FG allerdings nicht hinreichend berücksichtigt, dass der BFH seine frühere Rechtsprechung, nach der Unternehmer die Steuerfreiheit für innergemeinschaftliche Lieferungen ausschließlich beleg- und buchmäßig nachweisen konnten, aufgegeben hat (Urt. v. 6.12.2007, V R 59/03). Aufgrund der geänderten Rechtsprechung handelt der Unternehmer nur leichtfertig, wenn es sich ihm zumindest "aufdrängen muss", dass er die Voraussetzungen des § 6a UStG weder beleg- und buchmäßig noch objektiv nachweisen kann. Das bloße Abstellen auf die Beleglage reicht nicht aus.
Da die Vorentscheidung diesen Maßstäben nicht entsprach, war sie aufzuheben und zurückzuverweisen. Im weiteren Verfahren muss geprüft werden, ob die Klägerin davon ausgehen konnte, die Voraussetzungen der Steuerfreiheit zumindest objektiv nachweisen zu können. Dabei wird zu ermitteln sein, ob die Klägerin im Hinblick auf das unstreitige Gelangen der Fahrzeuge nach Italien und der ihr darüber hinaus vom Bundeszentralamt qualifiziert bestätigten Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers den Tatbestand der innergemeinschaftlichen Lieferung als erfüllt ansehen konnte.
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