06.07.2017

Zu den Grenzen der Wissensprüfung als Nachweis der Kenntnisse eines Autodidakten

Eine erfolgreich bestandene Wissensprüfung führt nur dann zur Anerkennung einer freiberufsähnlichen Tätigkeit, wenn sie den Rückschluss auf den Kenntnisstand des Steuerpflichtigen in früheren Jahren zulässt; ob insoweit Zweifel bestehen, hat die Tatsacheninstanz unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen.

BFH 20.10.2016, VIII R 2/14
Der Sachverhalt:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger in den Streitjahren (1996 bis 2001) Einkünfte aus selbständiger Arbeit oder solche aus Gewerbebetrieb erzielt hat.

Der Kläger absolvierte nach dem Realschulabschluss in den Jahren 1972 bis 1975 eine Lehre zum Industriekaufmann. In den Jahren 1979 bis 2001 arbeitete er - teilweise für Beratungsfirmen - in mehreren weltweit tätigen Konzernen in Deutschland und der Schweiz im Bereich des Controllings. Gegenstand seiner Tätigkeit waren insbesondere die Neuausrichtung des Controllings im Konzern, die Umsetzung vom kameralistischen zum kaufmännisch orientierten Rechnungswesen, die Konzeption und Realisierung dezentraler Controllingsysteme, die Durchführung von Ausbildungs- und Trainingsmaßnahmen der Mitarbeiter und die Weiterentwicklung der Firmensoftware.

Daneben war der Kläger von Juli 1996 bis Juli 2000 an der staatlichen Hochschule für Berufstätige in A, später in B (X) im Studiengang Betriebswirtschaft immatrikuliert. Er reichte dort jedoch keine schriftlichen Arbeiten ein und legte auch kein Examen ab. Der Kläger erklärte die in den Streitjahren erzielten Einkünfte aus der Beratungstätigkeit als Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Das Finanzamt ging aufgrund einer Betriebsprüfung für die Jahre 1996 bis 2001 von einer gewerblichen Tätigkeit des Klägers aus und setzte entsprechende Gewerbesteuermessbeträge fest.

Das FG wies die hiergegen gerichtete Klage ab. Auf die Beschwerde des Klägers hob BFH das Urteil des FG aus verfahrensrechtlichen Gründen auf und verwies die Sache dorthin zurück. Im zweiten Rechtsgang legte der Kläger zum Nachweis des streitigen Umfangs seiner theoretischen Kenntnisse Bescheinigung sowie Zeugnisse und Bestätigungen für seine Tätigkeiten vor. Weiterhin wurden Projektarbeiten, ein Aufsatz im Controller Magazin aus 2002 und ein undatiertes Seminar-Script des Klägers vorgelegt. Zu behaupteten Fortbildungsveranstaltungen wurden -- trotz Aufforderung des Gerichts - keine Unterlagen vorgelegt. Ein bestellter Gutachter stellte aufgrund der erfolgreich abgelegten Wissensprüfung fest, dass der Kläger über ausreichende Kenntnisse in sämtlichen Bereichen der Betriebswirtschaftslehre verfüge. Er wies aber darauf hin, dass dies keinen zuverlässigen Rückschluss auf die Tiefe des Wissens in den Streitjahren zulasse.

Das FG wies die Klage erneut ab. Die Revision des Klägers hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Streitig ist zwischen den Beteiligten allein, ob der Kläger durch seine Tätigkeit einen freien Beruf in der Form eines beratenden Betriebswirts gem. § 18 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG ausgeübt hat.

Verfügt der Steuerpflichtige nicht über einen Abschluss als Absolvent einer Hochschule, Fachhochschule oder Fachschule, muss er eine vergleichbare Tiefe und Breite seiner Vorbildung nachweisen. Diesen Nachweis kann der Autodidakt durch Belege über eine erfolgreiche Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen oder ein Selbststudium, anhand praktischer Arbeiten oder durch eine Art Wissensprüfung führen.Das FG hat hier ausgeführt, es habe aufgrund des Sachverständigengutachtens mit Wissensprüfung und der vom Kläger im Streitzeitraum durchgeführten Arbeiten nicht die Überzeugung gewinnen können, dieser habe bereits im Streitzeitraum den erforderlichen (theoretischen) Ausbildungsstand einer betriebswirtschaftlichen Ausbildung in der Tiefe gehabt. Diese Würdigung des FG ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Soweit der Gutachter für den Streitzeitraum ab Juli 2000 angenommen hat, zum Ende der Immatrikulationszeit könne von einem einer betriebswirtschaftlichen Ausbildung in der Tiefe entsprechenden Kenntnisstand ausgegangen werden, weil der Kläger an der Fachhochschule die erforderlichen Kenntnisse habe erwerben "können", zwingt dies entgegen der Revision nicht zu dem Schluss, der Kläger habe die Kenntnisse dort auch tatsächlich erlangt. Das FG hat hierzu ohne Verstoß gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze ausgeführt, der Umstand, dass der Kläger in diesem Zeitraum für ein Fernstudium der Betriebswirtschaftslehre eingeschrieben gewesen sei, ermögliche nach den Umständen des Streitfalls keinen Rückschluss auf die vorhandenen Kenntnisse. Denn der Kläger habe weder nach Ablauf der Regelstudienzeit noch eines daran anknüpfenden Betreuungszeitraums eine der erforderlichen Klausuren geschrieben noch die Abschlussprüfung abgelegt.

Gleiches gilt für die Würdigung des FG zu der vom Kläger behaupteten Teilnahme an anderen Fortbildungsveranstaltungen, zu denen er keine Nachweise vorgelegt hat, und das anhand einer Literaturliste geltend gemachte Selbststudium. Die Würdigung des FG, es könne auch aus dem Tätigkeitsnachweis für die Streitjahre nicht auf den Kenntnisstand des Klägers im Streitzeitraum schließen, ist revisionsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden. Die konkret ausgeübten Tätigkeiten lassen schon nach dem Sachverständigengutachten nicht den Schluss auf einen Ausbildungsstand des Klägers in der ganzen Tiefe eines betriebswirtschaftlichen Studiums zu, wie das FG ohne Verstoß gegen Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze festgestellt hat.

Der Würdigung des FG steht auch nicht die erfolgreich abgelegte Wissensprüfung entgegen. Die Wissensprüfung bezieht sich auf die Feststellung der erforderlichen Kenntnisse im jeweiligen Streitzeitraum und bedarf für den Rückbezug eines Anknüpfungspunktes in oder vor den Streitjahren. Es bleibt der nach Durchführung einer solchen Wissensprüfung vorzunehmenden Beweiswürdigung vorbehalten festzustellen, ob im Einzelfall ein Rückschluss von den Ergebnissen der Prüfung auf den Kenntnisstand des Steuerpflichtigen in früheren Jahren aufgrund besonderer Umstände in Zweifel zu ziehen ist, ohne dass damit gegen das Gebot einer ordnungsgemäßen Sachaufklärung durch das Gericht gem. § 76 Abs. 1 S. 1 FGO verstoßen wird.

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