Zu den Voraussetzungen eines Pflegekindverhältnisses
FG Köln 20.2.2017, 5 K 2087/16Die Klägerin begehrt für das 1999 geborene Kind A Kindergeld. Die Klage richtet sich ausdrücklich nur gegen den Bescheid des Finanzamts vom 20.4.2016, wodurch die Festsetzung des Kindergeldes vom 9.9.2014 ab Februar 2016 aufgehoben wurde, da das Kind kein Pflegekind i.S.d. § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG sei. Das Finanzamt hatte die Klägerin gleichzeitig darauf hingewiesen, dass das für die Zeit ab Mai 2013 bis Januar 2016 gezahlte Kindergeld zurück gefordert werde. Dem angefochtenen Aufhebungsbescheid war Folgendes vorausgegangen:
Das Jugendamt der Stadt B hatte der Familienkasse mit Schreiben vom 9.3.2016 mitgeteilt, dass A bis zum 19.4.2013 bei der Klägerin gelebt habe. Bis zu diesem Zeitpunkt habe die Pflegefamilie den vorrangigen Anspruch auf das Kindergeld gehabt. Am 19.4.2013 sei A durch das Jugendamt C gem. § 42 SGB VIII in Obhut genommen worden und aus der Pflegefamilie ausgeschieden. In der Zeit vom 4.6.2013 bis zum 13.5.2016 habe sich A auf Kosten der Stadt im Rahmen des § 34 SGB VIII in der heilpädagogisch-therapeutischen Gruppe von F in H befunden. Die Hilfe habe vor Ablauf der Bewilligung beendet werden müssen, da A in der Einrichtung nicht mehr tragbar gewesen sei.
In der Nacht vom 12.5. bis 13.05.2014 habe sich A im M in B befunden. Im Anschluss hieran sei er ein paar Tage "verschüttet" gewesen. Mangels anderweitiger Alternative sei A am 27.5.2014 wieder in seiner ehemaligen Pflegestelle untergebracht worden. Bewilligt sei eine Unterbringung im Rahmen einer Kurzzeitpflege gem. § 33 SGB VIII, bis eine andere Unterbringungsmöglichkeit für A gefunden sei. Da der Verbleib A nicht mehr auf Dauer angelegt gewesen sei, hätten die Pflegeeltern auch nicht mehr den vorrangigen Anspruch auf das Kindergeld gehabt, so dass auch von der Stadt keine Abmeldung der Abzweigung erfolgt sei. Seit dem 27.5.2014 sei auf das an die Pflegestelle (Klägerin) ausgezahlte Pflegegeld auch kein Kindergeld angerechnet worden.
Das FG wies die gegen den Aufhebungsbescheid gerichtete Klage ab. Die Revision zum BFH wurde nicht zugelassen. Die hiergegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde wird dort unter dem Az. VI R 41/16 geführt.
Die Gründe:
Die Annahme eines Pflegekindverhältnisses scheitert vorliegend bereits daran, dass A von der Jugendhilfe der Stadt im Mai 2014 in den Haushalt der Klägerin erklärtermaßen nur für eine Kurzzeitpflege eingewiesen wurde und zwar so lange, bis für das Kind, das offensichtlich bei der ihm zugedachten Erziehung problembelastetes Verhalten gezeigt hat, eine andere Unterbringungsmöglichkeit gefunden werde. Die Einweisung von A in die Familie der Klägerin erfolgte daher nicht "auf längere Dauer", das heißt mit dem Ziel der Entstehung einer dauerhaften Beziehung, sondern lediglich zwecks vorübergehender Unterbringung in einem dem Kind nicht unbekannten Haushalt.
Dass das Kind bereits in vorangegangenen Jahren im Haushalt der Klägerin gelebt hat, ist unbeachtlich, da das damalige Pflegeverhältnis, offenbar bedingt durch Erziehungsprobleme, beendigt worden war. Die Unterbringung des Kindes bei der Klägerin ab Mai 2014 und andauernd in 2016 unterliegt daher der selbständigen Prüfung gem. § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG. Auch Besuche des Kindes zwischen Beendigung und Neubeginn der Unterbringung im Haushalt der Klägerin sind unbeachtlich, da sie außerhalb eines rechtlich relevanten Pflegeverhältnisses stattfanden. Unbeachtlich ist auch der Umstand, dass es der Stadt B offenbar bis heute nicht gelungen ist, A, wie geplant, in einer anderen Einrichtung unterzubringen. Denn tatsächliche Probleme bei der Umsetzung der Jugendhilfemaßnahme auf Seiten der Stadt ändern nichts an der rechtlichen Qualität der auf § 33 SGB VIII gestützten Maßnahme, die eben keine dauerhafte, sondern eine Kurzzeitpflege zum Ziel hatte.
Jedenfalls hat sich die Stadt bisher nicht dazu geäußert, dass die von ihr veranlasste Unterbringung bei der Klägerin nunmehr als auf Dauer angelegte Integration des Kindes in den Haushalt der Klägerin behandelt werden muss. Auch die Klägerin selbst hat sich bisher nicht darum bemüht, seitens der Stadt B eine Klärung ihrer Rechtsposition im Verhältnis zu A als Pflegekind zu erreichen. Stattdessen hat sie nach Aktenlage das an sie ausgezahlte Pflegegeld ohne Anrechnung von Kindergeld unbeanstandet in Empfang genommen. Es ist davon auszugehen, dass A seit Mai 2014 und auch weiterhin in 2016 nicht "auf längere Dauer" im Haushalt der Klägerin untergebracht ist, sondern nur so lange, bis für A eine andere Unterbringungsmöglichkeit gefunden ist. Ein Pflegeverhältnis i.S.d. § 32 Abs. 1 Nr. 2 EStG ist daher nicht gegeben, sodass ein Anspruch auf Kindergeld, auch und insbesondere ab Februar 2016 nicht bestand.
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